Ein besonderer Besuch in der JVA Tegel

Am 30. November 2018 besuchten wir Gefangene in der Sozialtherapeutischen Anstalt (SothA) in der JVA Tegel. Das Besondere daran: der Besuch fand nicht, wie gewöhnlich, im Besucherraum statt, sondern direkt in der SothA. Wir konnten uns zusammen mit den Gefangenen, welche wir besuchten, auf der Station und teilweise auf den Zellen frei bewegen (sofern im Knast bzw. überhaupt in dieser Gesellschaft von einer freien Bewegung, d.h. ohne Überwachung, Kontrolle und Repression, gesprochen werden kann) – Bedienstete waren zwar vor Ort, ließen uns aber weitestgehend in Ruhe.

Vor Ort tauschten wir uns über die aktuelle Situation in der JVA Tegel, vor allem der SothA, aus. Natürlich bleibt die Situation weitestgehend unverändert: korrupte Bedienstete, Teilanstalten, welche Abrisshäusern gleichen, eine mangelnde bis gar keine medizinische Versorgung, massive Repression bei kleinstem Widerstand, Psychiatrisierung der Gefangenen, Bedienstete, welche Gefangene drangsalieren, wenig bis garkeine Freizeitangebote/Ausgänge/Lockerungen, massives Wegsperren bis hin zur Isolationshaft und die ausschließliche Verabreichung von Ibuprofen bei allen möglichen körperlichen Beschwerden der Gefangenen stehen immer noch an der Tagesordnung. „Die Revolte in der SothA ist unter all diesen Missständen zu betrachten. Es ging nicht nur um die Handys, die uns weggenommen worden sind. Das hat das Fass nur zum Überlaufen gebracht.“

Die Liste, wogegen sich die Gefangenen wehren oder wehren wollen ist lang – ein neues Thema gab es allerdings doch. So beschwerten sich alle Gefangenen der SothA vor allem über den Teilanstaltsleiter Albrecht Zierep.

„Ein autoritärer Macker, der es nicht verpasst, uns jeden Tag aufs neue zu mobben, zu drangsalieren, uns die Haftzeit noch schlimmer zu machen, als sie eh schon ist. Kein Wort, was von uns kommt, nimmt er ernst, oder er verdreht unsere Aussagen so, wie es ihm passt. Mit all seinen Mitteln, die er als Teilanstaltsleiter so hat, führt das im Endeffekt meistens dazu, dass unsere Haftzeiten ewig andauern und einfach nicht enden. Ein Gefangener sollte vor Kurzem entlassen werden, das wäre sein 2/3 Termin gewesen. Alle fanden das in Ordnung : Psychologin, Ärzte, Bedienstete. Wer nicht? Albrecht! Der hat dem Gericht ein unglaublich schlechtes Urteil über den Gefangenen geschrieben – ohne Anhaltspunkte, die tatsächlich so passiert sind. In dem Bericht wurde gelogen und Aussagen vom Gefangenen so verdreht, dass Albrecht am Ende höhnisch lächeln konnte. Der Gefangene sitzt noch hier und kommt so schnell nicht raus. Für alle anderen sieht es ähnlich aus. 2/3 Haftentlassung bekommt durch Albrecht hier niemand. Und die ganze Zeit, die du dann hier absitzen musst, weiß der Typ dir noch grauenhafter zu machen, als sie eh schon ist.“

Am Tag unseres Besuchs haben wir Albrecht Zierep nicht gesehen, dafür aber viele andere Bedienstete. Wir als Soligruppe empfanden diese schon stark belastend. So empfingen wir viele missbilligende Blicke, von einigen Bediensteten wurden wir feindselig angestarrt. Das gute an unserer Situation: weil wir mit Gefangenen zusammen waren, welche gegenüber den Bediensteten öfter mal rebellieren, wurden wir weitestgehend in Ruhe gelassen und nur einmal angesprochen.

„Auf den Stress haben die jetzt gar kein Bock. Die wissen, wenn die jetzt zu uns kommen und uns anquatschen, dann wird das wieder eine fette Diskussion. Mit mir, mit den anderen Gefangenen. Weder die noch wir haben jetzt darauf Lust.“, so ein Gefangener.

Für uns lief es an dem Tag also ganz in Ordnung – obwohl wir die Bediensteten vor Ort mehr als unangenehm empfanden. Deswegen können wir nur erahnen, wir es unter der Schreckensherrschaft von Albrecht Zierep sein muss.

„Die Bediensteten, die ihr hier seht, die sind ja noch ok. Die haben keine Lust auf Stress oder Diskussionen, halten sich dann zurück. Keine Lösung für die Probleme, aber erträglicher als Zierep, der uns zusätzlich zur Haft noch mehr Probleme schafft.“, so ein Gefangener vor Ort.

Deswegen rufen wir noch einmal dazu auf, sich mit allen Gefangenen der JVA Tegel zu solidarisieren. Zeigt ihnen, dass sie nicht allein sind: schreibt ihnen Briefe, besucht sie hinter Gittern. Verantwortlichen für Repression und Knast kann ebenfalls begegnet werden.

Aufruf: Bußgeld als Cent-Beträge abzahlen und damit Behörden nerven

Im Nachfolgenden ein Aufruf des ABC Flensburg und der Aktivistin Julia Pie, den wir unterstützen:

Die Aktivistin Julia Pie störte im Sommer diesen Jahres eine rassistische Polizeikontrolle in Koblenz. Weil sie sich das diskriminierende Verhalten der Polizei nicht gefallen ließ, soll sie nun knapp 300 Euro Bußgeld zahlen. Lasst uns solidarisch auf diese Repression reagieren und die Strafe gemeinsam mit vielen kleinen Cent-Beträgen übernehmen.

Die Polizei war in einem Koblenzer Park und schikanierte dort Menschen mit ihren Kontrollen und Durchsuchungen. Bei diesen vermeintlich „verdachtsunabhängigen Personenkontrollen“ waren mal wieder Menschen im Fokus, die von der Polizei als „nicht deutsch“ eingeordnet wurden. Julia mischte sich ein und versuchte gemeinsam mit anderen die Kontrollen durch Gespräche und das Anmelden einer spontanen Versammlung zu erschweren. Die sichtlich genervten Polizisten versuchten dies mit einem Platzverweis zu unterbinden. Als die AktivistInnen darauf bestanden, dass ein Platzverweis bei einer Versammlung nicht zulässig ist, begannen die Polizisten damit Julias Personalien zu kontrollieren. Auch dies ist bei einer angemeldeten Versammlung eigentlich nicht zulässig. Letzendlich gab Julia ihre Personalien an – dennoch soll sie jetzt wegen „Personalienverweigerung“ und „Nichtbefolgen eines Platzverweises“ Bußgelder bezahlen.

Julia Pie ist bekannt dafür, dass sie im Februar 2018 für den Tortenwurf auf die AfD-Politikerin Beatrix von Storch ins Gefängnis ging. Sie weigerte sich damals 150 Euro Strafe zu zahlen und saß dafür 14 Tage im Knast. Man kann zwar auch für ein Bußgeld im Knast landen. Anders als bei Tagessätzen ist die Strafe damit jedoch nicht abgesessen, sondern muss weiterhin bezahlt werden. Daher hat Julia sich diesmal dafür entschieden nicht in den Knast zu gehen. Um dennoch deutlich zu machen, dass sie sich die Kriminalisierung nicht gefallen lässt, soll die Strafe von möglichst vielen Menschen mit möglichst kleinen Cent-Beträgen gezahlt werden. Das sorgt zudem dafür, dass die Behörden Ärger und Kosten durch den Verwaltungsaufwand haben und in Zukunft vielleicht weniger leichtfertig Bußgelder verteilen.

Rassistische Polizeikontrollen sind sogenannte „verdachtsunabhängige“ Kontrollen. Das heißt, dass kein konkretes Indiz vorliegt, stattdessen werden Menschen scheinbar zufällig kontrolliert. In der Realität sind von solchen Kontrollen aber in erster Linie Menschen betroffen, die von der Polizei als „nicht deutsch“ eingeordnet werden. Besonders absurd an den Kontrollen in Koblenz ist, dass das Oberverwaltungsgericht der Stadt 2012 entschieden hat, dass Personenkontrollen aufgrund der Hautfarbe nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sind.

Lasst uns diese rassistische Praxis nicht hin nehmen und solche Kontrollen stören, wo immer es geht! Das Bußgeld bezahlen muss nur eine, aber gemeint sind wir alle. Also lasst uns auch gemeinsam und solidarisch reagieren! Du möchtest Julia mit ein paar Cents unterstützen? Dann schreib eine Mail mit einem oder auch mehreren Centbeträgen an: abc-flensburg (ätt) systemli.org und wir geben dir die Kontodaten zum überweisen. Das ABC ist auch mit gpg-Verschlüsselung erreichbar – der Key kann gerne auf Anfrage zugeschickt werden.

Richtigstellung über den Besuch bei der Senatsverwaltung für Justiz

Wir haben am 28.08.18, zusammen mit der Soligruppe für Nero und Isa, der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz, insbesondere Hr. Richard, Leiter des Referats III A, verantwortlich für die Aufsicht über die Justizvollzuganstalten, einen Besuch abgestattet.

Dieser Besuch wurde von der kommerziellen Presse aufgenommen, allerdings sehen wir uns gezwungen, diese Berichterstattung erheblich zu „korrigieren“. Was an dem Tag passiert ist, haben wir noch an selbigem veröffentlicht.

Die kommerzielle Presse berichtet im Nachhinein, wir wären bei der Senatsverwaltung „eingedrungen, hätten diese „gestürmt oder wären dort „einmarschiert. Hr. Richard hätten wir bei dem Besuch angeblich „gedroht.

Unser Besuch lief allerdings erheblich anders ab:

Wir sind im Schritttempo in das Gebäude gegangen, haben beim Pförtner gefragt, in welchem Büro Hr. Richard sitzt. Dieser gab uns die Nummer des Büros, wir gingen, weiterhin im Schrittempo, die Treppen zu dem genannten Raum hinauf. Als wir die Tür öffnen wollten merkten wir allerdings, dass sie verschlossen war und klopften. Hr. Richard öffnete uns und wir führten ein Gespräch im Flur. Weil dieses nicht zielführend war (wir berichteten), verteilten wir anschließend noch im gesamten Haus, auch in seinem Büro, Flyer von der Soligruppe für Nero und Isa und von uns. Den Inhalt unserer Flyer haben wir ebenfalls schon veröffentlicht.

In der Medienberichterstattung heißt es weiterhin, dass nun wegen Hausfriedensbruch ermittelt werden müsste und dass es sich bei der Aktion um „Linksterrorismus“ und „Linksextremismus“ handele. Unabhängig davon, dass wir letzte beiden Begriffe ablehnen, müssen wir uns doch wirklich fragen, wie ein Besuch, welcher beim Pförtner und durch das Klopfen an der Tür von Hr. Richard angekündigt wurde, als Hausfriedensbruch gewertet werden kann und inwiefern die Aktion als „terroristisch“ und „extremistisch“ zu bewerten ist.

Noch einen Tag zuvor marschierten in Chemnitz 8000 Faschist*innen durch die Stadt, hatten kaum polizeiliche Begleitung und griffen Menschen, von ihnen gelesen als „Ausländer“ oder „Antifas“, an. Es wurden offensichtlich Hitlergrüße gezeigt, die Gewaltbereitschaft war unglaublich hoch. Der Polizei war auch schon zuvor bekannt, dass gewaltbereite, aggressive Faschist*innen die Stadt besuchen würden. Trotz dessen wurde die Demonstration genehmigt, von „Terrorismus“ war, auch im Nachhinein, nicht die Rede. Die offensichtlichen Straftaten werden nicht verfolgt. Während also Faschist*innen völlig ungehindert durch die Städte marschieren, Menschen verletzen und diskriminieren, ist unser Besuch bei der Senatsverwaltung ein Akt des „Terrorismus“?

Dieses Agieren seitens der Politik wundert uns natürlich nicht. Faschistische Strukturen können ungehindert agieren, während linke und linksradikale Strukturen und Aktionen kriminalisiert werden. Obwohl die Aktion bei der Senatsverwaltung für Justiz von der Soligruppe für Nero und Isa und von uns, der Soligruppe der GG/BO, getragen wurde, wird in der kommerziellen Berichterstattung nur die Soligruppe für Nero und Isa erwähnt. Diese Soligruppe wird in der Berichterstattung auch gleich mit der Rigaerstraße 94 in Verbindung gebracht – ohne, dass es dafür Anhaltspunkte gäbe (wir erinnern uns nicht, dass vor Ort unsere Personalien aufgenommen worden sind). Es geht also nicht darum, zu erklären, weswegen wir und die Soligruppe für Nero und Isa an dem Tag die Senatsverwaltung besucht haben, sondern lediglich um eine Kriminalisierung und Dämonisierung der Menschen aus der Rigaerstraße 94.

Die gesamte Medienberichterstattung ist also eine Farce: zwei Gruppen haben an dem Tag die Senatsverwaltung besucht, um Missstände aufzuzeigen, um die Gesichter der Menschen, welche für Knast und die Bedingungen hinter Gittern verantwortlich sind, zu sehen, sie direkt anzusprechen und um Forderungen zu stellen. In der kommerziellen Presse wird dies nun als Akt der Gewalt, des Terrorismus und Extremismus gewertet, während aggressive, tatsächlich gewaltbereite Faschist*innen ungehindert durch Deutschland ziehen und Menschen jagen und angreifen können.

Diese Form von Berichterstattung wundert uns natürlich ebenfalls nicht, vor allem aufgrund der aktuellen politischen Entwicklung. Es ist auch nicht unser Anliegen, auf jede einzelne Verzerrung und Falschdarstellung der Geschehnisse am 28.08.18 detailliert einzugehen. Unglaublich wütend macht uns aber schlussendlich doch die Aussage von Hr. Behrendt, Justizsenator von Berlin:

„Wenn die Leute aus der Rigaer Straße ein Problem mit dem Strafvollzug haben, bin ich der Ansprechpartner“.

Wir haben des Öfteren versucht, den Justizsenator auf die Probleme im Berliner Vollzug anzusprechen. Jegliche Gespräche oder Kontaktaufnahmen hat er immer verweigert. Darüber haben wir ebenfalls schon berichtet. Nun anzugeben, er wäre „Ansprechpartner“ für den Strafvollzug, ist eine dreiste Lüge. Hr. Richard aus der Verantwortung zu ziehen, obwohl er für die Aufsicht der Justizvollzuganstalten zuständig ist, wäre uns ebenfalls zuwider.

Für uns wurde durch diese Berichterstattung noch einmal deutlich: Wenn es um Gefangene geht, schweigt die Öffentlichkeit. Unsere Forderungen und die Forderungen der Gefangenen fanden medial überhaupt keine Resonanz, obwohl wir Hr. Richard vor Ort klar kommuniziert haben, dass wir an dem Tag auch stellvertretend für die Forderungen der Gefangenen aus der JVA Tegel und JVA Reinickendorf vor Ort sind. Es ging der Presse also nicht darum, die tatsächlichen Gründe des Besuchs darzustellen, sondern lediglich um die Kriminalisierung der Menschen aus der Rigaerstraße 94. Diese hat sich zu dem Besuch nicht bekannt, rückte aber trotzdem in den Fokus der Berichterstattung.

Uns ist bewusst, dass eine Kriminalisierung von linken und linksradikalen Strukturen auch immer mit Repression einhergeht. Natürlich erwarten wir genau das von einem Staat, welcher Faschist*innen gewähren lässt und den kleinsten Widerstand von links massiv angreift.

Wir stellen uns dementsprechend auf Repression ein und werden uns jederzeit solidarisch zeigen.

Folge3 „Operation Fénix“ im Frühling 2015

Zeigen wir, dass das Miteinander mehr ist als die Gesetze. Zeigen wir, dass die Solidarität in unseren Herzen lebt…“ (Martin Ignacak)

Wie schon in der zweiten Folge geschrieben, begann die „Operation Fénix“ am frühen Morgen des 28. April 2015 mit Razzien in der gesamten Tschechischen Republik. Unsere Genoss*innen berichteten:

Entweder dachte sich die Polizei irgendwelche ‚Fakten‘ aus oder sie vertuschte wichtige reale Fakten, damit sie die Erlaubnis zu den Hausdurchsuchen und den Haftbefehlen bekommen konnte.

Die tschechischen „(Links)Extremist*innenwurden in diesen Tag wiedergeboren: es wurde über die Razzien „gegen Extremisten“ geschrieben und gesprochen und dieser Begriff wurde im Lauf der „Operation Fénix“ immer wieder benutzt. Dazu merkte Lukas Borl, ein Betroffener der Razzien, an:

Der Staat hat Angst, dass Menschen durch die anarchistischen Ideen inspiriert werden könnten, deswegen verwendet er die Begriffe wie ‚Extremisten‘, damit er die emanzipatorische Idee des Anarchismus brechen kann. Der Staat will, dass die Anarchist*innen für die ganze Gesellschaft eine Gefahr darstellen. Wir sind gefährlich für den Staat, aber nicht für die, welche vom Staat gezwungen werden, sich zu beugen und sich einem unwürdigen Überleben im Kapitalismus anzupassen.

Die Nachrichten vom 28. April 2015 informierten außerdem über ein gefundenes „explosives System“ in einer Wohnung in Brno, weswegen dann eine ganze Platte „in der Nähe von einer Kita“ evakuiert wurde. Diese Evakuierung gab der „Operation Fénix“ einen besonderen „Glanz der Gefahr“.

Durch die Operation wurden auch die tschechische „Terrorist*innen“ geboren. Im Mai 2015 wurde klar, dass zwei staatliche Agenten die anarchopazifistische Gruppe (VAP – Voice of Anarchopacifism) infiltrierten, an Treffen teilnahmen und versuchten, die Gruppe zur Militanz zu bewegen, damit es einen Grund für die Repression gegen eine ganze Bewegung geben konnte.

Martin Ignacak schrieb im Brief aus dem Knast: Sie wollten den Terrorfall haben, so machten sie ihn.“

Der Rechtsanwalt von Martin ergänzte: Wenn mein Klient die polizeilichen Agenten nicht getroffen hätte, wäre er nie in diese Probleme gekommen.

Trotz polizeilichem Informationsembargo informierten die Medien noch lange nach dem 28.April 2015 über das „Hauptziel der Fénixaktion“: es sollte nicht nur um die Vernichtung eines Angriffes gehen, sondern vor allem die Entdeckung und Vernichtung einer aufständischen-anarchistischen Plattform (Gruppe Sit revolucnich bunek, kurz SRB, deutsch: die Vernetzung der revolutionären Zellen) wurden zum erklärten Ziel. Die Sabotagen und Brandanschläge gegen Polizei und Kapitalist*innen liefen aber im Frühling 2015 weiter, sogar mit erhöhter Frequenz.

Besonderes bitter und grausam war vor allem die Rolle der Medien bei der Belästigung der Verwandten unserer Genoss*innen. In einem Gespräch erzählte die Schwester von Martin Ignačák, wie sie erfuhr, dass ihr Bruder in den U-Knast kam und über ihre ersten Reaktionen:

Ich vernahm es erst, als mich eine Journalistin kontaktierte, die mir sagte, dass mein Bruder „ein Terrorist“ sei. In dem Moment war ich bei der Arbeit. Ich werde diesen Tag nie vergessen. Ich musste nach Hause gehen, die Verzweiflung holte mich ein. Ich wollte es zuerst meiner Mutter sagen. Es ist unmöglich zu beschreiben, welche Panik bei ihr diese Nachricht auslöste…“

Am Ende des Frühlings 2015 wurden drei Menschen für die Vorbereitung des Terrorangriffes beschuldigt: Petr Sova, Martin Ignacak und Alexandra Scambova. Katarina Zezulova und Radka Pavlovska wurden dafür beschuldigt, von dem Plan angeblich gewusst, ihn aber bei der Polizei nicht gemeldet zu haben. Ales Koci wurde für nicht erlaubten Besitz von Waffen beschuldigt. Wie schon in Folge 2 geschrieben, saßen Martin, Petr und Ales im U-Knast.

Wichtig ist zu bemerken, dass, kurz bevor die Operation Fénix startete aber auch noch danach, die Bewegung viele Erfolge verzeichnen konnte. So wurde zum Beispiel das von Räumung bedrohte Hausbesetzer*innen Projekt „Autonomes Soziales Zentrum Klinika“ bekannt und erfuhr die Unterstützung der breiten Öffentlichkeit.

Auch die solidarischen Netze „Mostecka solidarni sit“ aus der Stadt Most und „Prazska solidarni sit (SOL!S)“ aus Prag wurden teilweise in ihren Arbeitskämpfen erfolgreich und Anfang 2015 bekannt für ihre radikale Kampagne gegen Ausbeutung.

Im Mai 2015 kam es auch zu einer Welle der Solidarität mit den angegriffenen Genoss*innen und es wurde ein solidarisches Antirepressionskollektiv, „AntiFenix“, gegründet. Der Infokanal Antifenixblog läuft seit dem 07. Mai 2015 und veröffentlicht immer noch aktuelle Informationen über die „Operation Fénix“.

Sie wollen uns zum Schweigen bringen, sie werden uns nicht zum Schweigen bringen. Sie wollen uns brechen, sie werden uns nicht brechen. Unsere Körper können sie verhaften, aber unsere Träume, Gedanke und den Geist nicht.(Martin Ignacak in einem Brief aus dem Knast)

Video der spontanen solidarischen Aktion am Knast

 

 

Besuch bei der Senatsverwaltung für Justiz

Wir haben heute Vormittag, zusammen mit der Soligruppe für Nero und Isa, der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz, insbesondere Hr. Richard, Leiter des Referats III A, verantwortlich für die Aufsicht über die Justizvollzuganstalten, einen Besuch abgestattet.

Wir fanden Hr. Richard zunächst eingeschlossen in seinem Büro vor. Wir konnten die Tür nicht öffnen, mussten klopfen. Als er die Tür öffnete, uns aber offensichtlich nicht in seinem Büro sehen wollte, fragten wir ihn im Flur, ob er Nero kennt. Darauf gab es seinerseits keine Reaktion. Er wirkte verwirrt und verstand anscheinend nicht, was überhaupt los ist. Die Soligruppe von Nero konfrontierte ihn dann mit den Problemen, welche Nero in seiner Haft in der JVA Tegel erfahren muss. Anschließend haben wir, die Soligruppe Berlin der GG/BO, die Forderungen der GG/BO und unsere eigenen geltend gemacht. Dazu hatten wir auch einen Text geschrieben, welchen wir vor Ort als Flyer nutzten und welcher in Etwa wiedergibt, mit welchen Belangen wir Hr. Richard konfrontierten:

Seit es die Gefangenen-Gewerkschaft gibt, müssen wir als Unterstützer*innen immer wieder schockierende Nachrichten aus der JVA Tegel veröffentlichen: korrupte Schließer*innen, massive Repression bei kleinstem Widerstand, marode Teilanstalten. Vor allem aus der TA II erreichten uns im März 2017 alarmierende Zustände: viel zu kleine Hafträume, hohe Lärmbelästigung, fehlender Brand- und Arbeitsschutz, viel zu wenig Aufschluss und Ausgänge, fehlende therapeutische Angebote, Verringerung der Besuchszeiten, zu wenig Telefonanlagen und teilweise defekte Wechselsprechanlagen, mangelnde medizinische Versorgung, defekte Duschen und Küchen, Personalmangel, keine Entlassungsvorbereitungen, Suizide und Suizidversuche usw.

Gefangene aus der JVA Tegel teilten uns mit, dass sich bis heute daran nichts geändert hat.

Die Zustände, vor allem in der TA II, gleichen denen im Mittelalter“, so ein Gefangener aus der JVA Tegel. „Das ist hier reine Verwahrung. Nichts mit Resozialisierung“.

Und auch die Frauen aus der JVA Reinickendorf haben keine Lust mehr, den Ist-Zustand hinzunehmen. Sie prangern vor allem die Ausbeutung durch Knast an:

Wir verdienen 1-2 Euro die Stunde, zahlen nicht in die Rentenversicherung ein, arbeiten aber genau so hart, wenn nicht sogar härter, wie die Menschen draußen. Darauf haben wir keine Lust mehr. Hier lassen etliche große Unternehmen produzieren, aber auch ganz viele kleine Start-Up‘s. Warum können sie uns nicht endlich anständig bezahlen? Stattdessen werden wir ausgebeutet, es wird auf Pensum und Qualität getrimmt. Die Frauen können langsam alle nicht mehr, wir sind durch, keine schafft dieses Pensum…“

Die GG/BO fordert deswegen für die JVA Tegel und die JVA Reinickendorf:

  • sofortige Schließung der TA II und Freilassung aller Kurz- und Ersatzfreiheitsstrafler*innen,

  • Ausbau des offenen Vollzugs und konsequente Entlassung nach 2/3 der abgesessenen Strafhaft,

  • menschenwürdige Haftbedingungen, nach Anforderungen eines modernen Strafvollzugs,

  • Mindestlohn für alle arbeitenden Gefangenen, Einbezug in die Rentenversicherung für alle Gefangenen, Tarifverhandlungen zwischen den Unternehmen und den arbeitenden Gefangenen,

  • und die volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern.

Wir, die Soligruppe Berlin der GG/BO, fordern weiterhin:

  • Schließung aller Knäste, Freilassung aller Gefangenen,

  • sofortiger Produktions-Stopp in den JVA‘s. Keine Bereicherung mehr durch Ausbeutung an Gefangenen!“

Hr. Richard hat uns dann sehr schnell erklärt, dass „das hier keine Grundlage für eine Debatte“ sei.

Wir empfanden es als überflüssig ihn zu fragen, welche Grundlagen denn geschaffen werden müssten. Die Antwort kennen wir auch schon von seinem Kollegen Hr. Dr. Behrendt: keine. Deswegen haben wir anschließend im gesamten Haus die oben genannten Flyer verteilt. Als wir in sein Büro Flyer warfen, fragte er uns ernsthaft, ob wir kein Gewissen hätten.

Die Frage werfen wir gerne zurück. Du hast die Aufsicht über die Justizvollzugsanstalten, du bist mitverantwortlich für das, was in den Knästen in Berlin passiert und nicht passiert. Und dein Gewissen ist in Ordnung?

Während du Menschen wegsperrst, verwahren lässt, isolierst, zum angepassten Leben zwingst, massiv ausbeutest und dauernder Repression aussetzt, haben wir ein bisschen Papier gegen die Zustände, für die du mitverantwortlich bist,in deinem Büro und im Haus verteilt. Und du erlaubst es dir wirklich, uns diese Frage zu stellen?

Uns ist die Vorstellung zuwider, dass wir mit der Frage konfrontiert werden, du aber nicht. Vielen anderen wahrscheinlich auch. Deswegen fordern wir alle auf, Zuständige für Knast, Repression und Ausbeutung zu besuchen.

Es ist wichtig, den Menschen zu begegnen, welche für jegliche Form von Unterdrückung mitverantwortlich sind. Hr. Richard ist nur einer von vielen.

 

 

Folge 2: Fénix fängt an.

Wir können alles machen.“ (eine Ermittlerin zu Martin Ignacak)

Heute geht es um die erste Welle der Operation Fenix, welche am 28. April 2015 begann. Am frühen Morgen führte die Polizei in mehreren Wohnungen in der Tschechischen Republik und im sozialen Zentrum Ateneo (in der Stadt Most) Razzien durch. Die Polizei verhaftete elf Personen, viele andere wurden zum Verhör gezogen. Überall wurde mögliches Beweismaterial gesucht und mitgenommen. Unter anderem beschlagnahmten sie viele elektronische Geräte inklusive eines Hauptservers, über den viele antiautoritäre Webseiten gehostet wurden.

Lukas Borl, ein Anarchist, welcher auch am diesen Tag im sozialen Zentrum verhaftet und verhört wurde, beschrieb den Einsatz im Ateneo:

Der Polizeieinsatz im sozialen Zentrum Ateneo in Most passierte am 28.4.2015. Nur ich wurde verhaftet und der Straftaten ‚Gründung, Unterstützung und Propagierung der Bewegung‘ verdächtigt, welche angeblich auf die Unterdrückung der Menschenrechte und Freiheit des Menschen abzielt. Die Polizei begründete das Durchsuchen des Zentrums und mein Verhaften mit dem Verdacht der Zugehörigkeit zu SRB (Netzwerk Revolutionärer Zellen). Weil allerdings die Beweise fehlten, wurde ich am folgenden Tag entlassen. Die Polizei entzog uns vor allem Handys, Klamotten, Sportgeräte, Computer, Publikationen und alles andere, was den betrieblichen und fortbildendem Zwecke des sozialen Zentrums Ateneo dient. Die Wegnahme der Sachen komplizierte weitere Tätigkeiten, trotzdem läuft Ateneo weiter. Wir werden natürlich alle diese Sachen zurückhaben wollen. Manche von den sind auch gar nicht meine, sondern das gesamte Zentrum teilt sie. Der Einsatz schadete also einer breite Gruppe von Menschen: Kinder, welche hier ihre Freizeit verbringen, Menschen aus der Nachbarschaft, die hier lernen, bis hin zu den kulturellen und aktivistischen Kollektiven.“

Eine andere betroffene Person erzählte über dem ersten Tag der „Operation Fénix“:

Etwa zehn in Zivil gekleidete Polizisten schleppten mich von der Wohnung meiner Freunde zu meinem Haus weg. Ich wurde gefesselt, mein Haus war von weiteren vierundzwanzig Einsatzpolizisten mit Maschinenpistolen umgeben. Sie durchsuchten mein gesamtes Haus und klauten mir viele wichtige Sachen (…). Am folgenden Tag, nach der Nacht in der Zelle im Knast, versuchten sie mich zum Aussagen zu zwingen. Essen bekam ich nicht. Ich wurde ohne Anklage entlassen. Sie schmissen mich auf die Straße, 250 km weit weg von meinem Zuhause, ohne Handy.“

Viele Genoss*innen waren zur DNA-Abnahme und zur Abnahme von Fingerabdrücken gegen ihren Willen gezwungen worden. Am Ende des Tages klagte die Polizei sechs Menschen tateinheitlich wegen der Vorbereitung eines terroristischen Anschlags gegen einen Panzerzug, welcher militärische Ausrüstung transportierte, an. Drei Menschen von ihnen kamen in den U-Knast: Petr Sova, Martin Ignacak und Ales.

Von der Polizei wurde ein Informationsembargo verhängt, „trotz dessenstartete die sensationswillige Jagd der Medien noch am gleichen Tag. Erste Informationen zu dem Tag zeigte der öffentlich-rechtliche Fernsehsender Ceska Televize (CT).

Später schrieb Martin Ignacak aus dem Knast über die mediale Rolle innerhalb der „Operation Fénix“:

Die Desinformationen und die Nachredekampagne sind eine imposante Veranschaulichung der ‚Unabhängigkeit‘ der Medien. Präsentation von Teilinformationen, das ganz grundlose Ängstigen der Öffentlichkeit – typisches Beispiel der Zusammenarbeit von repressiven Institutionen und den ‚unabhängigen‘ Medien. Auch durch die Medien wurden wir diskreditiert, von Anfang an verurteilt. Aber nicht nur wir: auch unsere Verwandten und Familien.

Die Repression, der Medienhype und die Ermittlungen dauerten lange an. In den kommenden Folgen wird es deswegen um die nachhaltige, dauerhafte Repression rund um die „Operation Fénix“ gehen.

 

 

Folge 1: „Keine Repression kann die Sehnsucht nach Freiheit stoppen!“

Unsere erste Folge zu unserer Serie „Repression in der Tschechischen Republik“

Prag, Tschechische Republik

Polizeiliche Repression und die Verfolgung der kritischen, antiautoritären und subversiven Bewegung waren in der Tschechischen Republik unter unterschiedlichen Regimen immer stark präsent und haben eine lange, blutige Geschichte. Auch nach der tschechischen Wende am Ende des Jahres 1989, die sogenannte „Samtene Revolution“, verfolgte das neue liberal-demokratische Regime die linksradikale und anarchistische Opposition. Trotzdem erlebten wir in den letzten Jahren eine ganz neue Welle der Staatsgewalt unter dem Namen „Operation Fénix“ in bisher noch nie gesehener und gehörter Form und Größe. In den Worten von Lukas Borl, eine von den Fénix betroffenen Personen:

Diese gegen die anarchistische Bewegung gezielte Kampagne wurde zum bestimmten Kipppunkt. Ein Wechsel von der dauerhaften milden Repression, zur starken Repression.“

Was passiert genau bei der „Operation Fénix“? Zwei staatliche Agenten, sogenannte „Agent Provocateur“, infiltrierten eine anarchistische Gruppe, erlangten Vertrauen und initiierten später die Planung eines Brandanschlags auf einen militärischen Panzerzug. Der Anschlag wurde nie realisiert, lediglich geplant. Sie bewegten die Gruppe also zur Militanz, zeichneten dabei jedes Treffen und jede Aktivität auf, sammelten „Beweise“ und als sie genug Material hatten, folgten massive Festnahmen und Terroranklagen wurden vorgelegt.

Die Polizei verhörte und zermürbte viele Menschen in den ersten Tagen der Repression. Diese hielt allerdings länger an, als gedacht. Vier Genossen saßen lange im U-Knast, einer von ihnen 17 Monate. Manche von unseren Genossin*innen verloren Jobs und/oder ihr Zuhause. Ihre Gesundheit wurde (im Knast) gefährdet und beschädigt. Die Freundeskreise und Familien der Betroffenen wurden massiv vom Staat belästigt, schikaniert und abgeschreckt. Viele Menschen wurden wiederholt verhört, unter Druck gesetzt, von der Polizei verfolgt und erpresst. Wohnungen wurden ohne Erlaubnis durchgesucht. Die gesamte repressive Welle durchzog sich drei Jahre lang. Am Ende wurden alle Angeklagte freigesprochen.

Vom Anfang an arbeiteten die Medien Hand in Hand mit dem Staat: bei der Konstruktion des „linkes Terrors“, bei der Dämonisierung und bei dem Kriminalisierung der anarchistischen Bewegung und unserer Genoss*innen. Die Konsument*innen der tschechischen Nachrichten wurden mit beängstigenden Titeln bombardiert und mit „den sensationellen, skandalösen Entdeckungen“ der „Operation Fénix“ jahrelang gefüttert.

In dieser Zeit versuchte der Staat den antiautoritären Widerstand zu spalten, den Wurm der Paranoia zu verbreiten und mit endlosen Monsterprozessen und mit langen Verhaftungen die aktiven Menschen zu brechen und andere abzuschrecken. Martin Ignacak schrieb im Brief nach einem Jahr im U -Knast über Fénix:

Die ganze ‚Fénix Operation‘ finde ich wie ausgeschnitten aus den Zeiten, als die StB (Geheimer Dienst des ehemaliges kommunistisches Staates – Anm. Übers*.) und andere totalitäre Institutionen, welche mit konstruierten Prozessen die Dissentbewegung diskreditieren, zerkleinerten und zum Schweigen bringen sollten, wüteten – heute steht die von unten organisierte Bewegung ähnlichen unfairen (mistigen) Taktiken entgegen.“

Trotz dass alle angeklagten Genoss*innen freigesprochen wurden, sehen wir nach drei Jahren der Strafvervolgungen und der Gerichtsprozesse kein Ende der massiven Repression: in der „Operation Fénix“ stehen in diesen Tagen wieder vier von unseren Genossen gegen neue Anklagen mit möglichen Haftstrafen von bis zu 10 Jahren.

Wir solidarisieren uns mit den Genoss*innen,welchen die Fénix Repression traff, trifft und treffen wird und werden deswegen in den folgenden Tagen den Zeitablauf der Fénix Operation im Detail erläutern.

Anarchistischer Widerstand lebt, der Kampf geht weiter!“

Ankündigung der Serie „Repression in der Tschechischen Republik“

Gestern begann in den USA der Gefangenenstreik gegen die Knastsklaverei. Wir haben, zusammen mit den Soligruppen Jena, Leipzig und Köln zur internationalen Solidarität mit den streikenden Gefangenen aufgerufen und demonstrierten vor dem Leipziger US-Konsulat. Unsere Solidarität gilt aber nicht nur an einem Tag und einem Ort. Vielmehr ist es wichtig, sich dauerhaft und weltweit mit Gefangenen und ihren Kämpfen zu solidarisieren. Gleichzeitig darf nicht vergessen werden, dass Knast am Ende einer langen Repressionskette steht. Als Soligruppe der GG/BO begreifen wir Knast also als ein Teil der Repression, weswegen wir uns mit dieser ebenfalls auseinandersetzen müssen.

Vor Kurzem haben wir Kontakt mit tschechischen Anarchist*innen aufnehmen können. Diese leiden in der Tschechischen Republik unter einer ganz neuen Form von Repression, welche den Namen „Operation Fénix“ trägt.

In den nächsten Tagen werden wir, in Form einer Serie, berichten, um was es bei dieser Operation geht und welche Menschen in welcher Form darunter leiden mussten und müssen.

Ziel der Serie ist es zunächst, die Stille über diese Operation zu brechen. Es ist wichtig, sich auch über die eigenen Grenzen hinaus zu informieren, welche Menschen und Gruppen von Staaten verfolgt und der Repression ausgesetzt werden. Wir dürfen uns nicht durch irgendeine Grenzziehung spalten und isolieren lassen. Internationale Solidarität heißt, über die Grenzen hinaus zusammen zu halten, zu kämpfen und sich gegen Herrschaft in jeglicher Form zu wehren. Dafür braucht es zunächst die Information, in welcher Form und wo Repression auftritt.

Mit der Informationvermittlung und -beschaffung fängt der Kampf gegen Repression aber erst an. Sobald die letzte Episode dieser Serie von uns publiziert worden ist, werden wir konkrete Handlungsschritte unternehmen, praktisch werden und mit den Anarchist*innen in Tschechien in Verbindung bleiben. Unsere Solidarität wird nicht mit dem Ende einer Publikation enden. Wir hoffen, eure auch nicht.

Anmerkung: Die Texte, die wir in den nächsten Tagen veröffentlichen werden, kommen direkt aus Prag/Tschechische Republik. Sie wurden ins deutsche übersetzt, es kann also manchmal zu Verständnisproblemen kommen. Namen und Eigennamen haben in verschiedenen Sprachen oft unterschiedliche Schreibweisen.

Falls ihr Nachfragen habt oder euch mit den Anarchist*innen solidarisieren wollt, schreibt an berlin@ggbo.de.

Natürlich gibt es auch schon einige Gruppen, welche die Geschichte um „Operation Fénix“ veröffentlicht haben. Anbei ein paar Links:

https://antifenix.noblogs.org/info-auf-deutsch/

https://antifenix.noblogs.org/?s=Igna%C4%8D%C3%A1k

https://de-contrainfo.espiv.net/2016/06/29/griechenland-abc-solidaritatszelle-kraft-dem-anarchistischen-hungerstreikenden-martin-ignacak/

Solidarität mit dem Gefangenenstreik in den USA und mit den kämpfenden Gefangenen der GG/BO!

Heute beginnt der Streik der Gefangenen in den USA. Deswegen werden wir ab 17 Uhr vor  vor dem US-Konsulat in Leipzig demonstrieren – gegen die Knastsklaverei, und in Solidarität mit dem Gefangenenstreik!

Auch in Deutschland gilt die Zwangsarbeit in Verbindung mit einem Hungerlohn, die GG/BO fordert schon seit ihrer Gründung die Abschaffung des Zwangs und den Mindestlohn. Aber im Knast läuft nicht nur alles rund um die Arbeit schief.

Im folgenden ein Erfahrungsbericht von Martin Marggraf, aktiver Gewerkschaftler in der JVA Neumünster, über die Gründe seiner Arbeitsverweigerung:

„Ich verbüße momentan eine Haftstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung auf Station C1 in der JVA Neumünster. Am 21.12.2017 erhielt ich einen Vollzugs- und Eingliederungsplan. In diesem wird von einer voraussichtlichen Entlassung zum 2/3 Termin am 09.09.2018 ausgegangen. Natürlich bei aktiver Mitwirkung meinerseits – d.h. Teilnahme an der Gewaltstraftätertherapie und Bearbeitung der Alkoholproblematik (danke, lieber Gutachter!).

Zur Vorbereitung von Lockerungen wurden Ausführungen gewährt. Ich hatte dann 2 Ausführungen, am 7.3. und am 2.5., die beanstandungsfrei verliefen. Am 7.3. erhielt ich von der Suchtberatung eine Bescheinigung über meine erfolgreiche Teilnahme, in der steht, dass ich bis auf wenige Ausnahmen kein Problem mit dem Suchtstoff Alkohol habe und dass die Gespräche eingestellt werden können.

Zwischenzeitlich hatte ich auch mit der Anti-Gewalt-Therapie (AGT) begonnen. Da am 21.3. mein Vollzugsplan fortgeschrieben werden sollte, ich ihn aber im April noch nicht hatte, bat ich per Antrag um zeitnahe Fortschreibung, da davon Lockerungen abhängig sind. Der Abteilungsleiter versicherte mir, ich würde ihn bald bekommen und ich könnte schon Begleitausgänge mit einem Beamten wahrnehmen. Den Vollzugsplan habe ich übrigens bis heute (16.8.) nicht und auch keinen einzigen Begleitausgang – 6 Termine in Folge wurden abgesagt. Entweder war aufgrund von plötzlichen Arztfahrten kein Personal da, oder es hat sich ganz zufällig ein Beamter krank gemeldet.
Einmal wurde sogar behauptet, ich hätte keinen AGT Termin beantragt, daraufhin wurde dies als Therapieabbruch behandelt und mir wurden Ausgänge komplett verweigert.
Zum Glück konnte ich das klären, der Antrag ist wohl verloren gegangen….

AGT habe ich am 9.8. erfolgreich abgeschlossen. Somit liegen alle Voraussetzungen für alleinige Ausgänge oder offenen Vollzug vor. Auf die Idee kommen die aber gar nicht. Klarer Verstoß gegen §9 Abs. 3 LStVollzG SH – Lockerungen zur Erreichung des Vollzugszieles. Ich werde entlassen ohne Wohnung, mit kaputten Schuhen und einer handvoll Klamotten, die mir kaum noch passen. So sieht hier Resozialisierung aus – danke für nichts!

Das waren leider nicht die einzigen Missstände. Seit April werden mir auf den Lohnscheinen plötzlich sogenannte ‚Ersatzruhetage‘ abgezogen, die dann mal eben 40-50 Euro weniger Nettolohn pro Monat bedeuten.

Heute bat ich im Büro darum, ein Schreiben per Fax zu schicken, da es sich um eine Fristsache handelte – Post hätte zu lange gedauert. Der Beamte sagte, er fragt gleich den Abteilungsleiter, kam dann nach einigen Minuten mit meinem Schreiben in der Hand zu mir und teilte mit, der Abteilungsleiter hätte ‚nein‘ gesagt. Ich warf das Schreiben in den Müll und sagte, ‚dann hab ich halt Pech gehabt‘. Etwas später ging ich dann ins Büro und sagte, dass ich nach all dem, was hier in der letzten Zeit abgelaufen ist nicht mehr bereit bin, der Anstalt meine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen – also Kündigung meines Hausarbeiter Jobs. Der Beamte nahm dies zur Kenntnis und sagte, er würde es weiterleiten. Ich ging dann im Freizeitraum mit anderen Gefangenen Karten spielen.
Nach ca. 5 Minuten kam der Beamte herein mit den Worten : ‚Stellen Sie keine Fragen aber ich soll sie einschließen und sie können sich als abgelöst betrachten‘. Daraufhin bat ich mündlich um richterliche Entscheidung nach §109. Der Beamte erwiderte ‚Dann machen sie das, aber ich soll sie trotzdem einschließen‘.

Gesagt, getan, ich wurde eingeschlossen. Ohne Angabe von Gründen. Eine knappe Stunde später war Abendkostausgabe. Die Tür ging auf, eine andere Beamtin begrüßte mich, ich nahm das Essen entgegen und fragte, was denn nun mit der richterlichen Entscheidung sei. Sie wusste angeblich von nichts und sagte, sie klärt das. Tür wieder zu. 5 Minuten später schließt der Abteilungsleiter die Tür auf und fragt ‚Was gibt’s denn für Probleme?‘Ich fragte, warum ich eingeschlossen wurde. Er behauptete lachend ‚Nein, das hat der Kollege falsch verstanden, alles gut.‘…

Man mag davon halten was man will, ich glaube ihm jedenfalls nicht und werde weiterhin die Arbeit verweigern, aber trotzdem immer ruhig und höflich sein. Im Idealfall bin ich ja eh in 2 Wochen draußen. “

Zeigt eure Solidarität mit allen streikenden Gefangenen weltweit, indem ihr Anstalten, Ministerien, Konsulaten und Senaten Protestschreiben schickt.

Schreibt den Gefangenen eure solidarischen Grüße.

Kontaktiert die Soligruppen der Gefangenen-Gewerkschaft und alle anderen Soligruppen, welche Gefangene unterstützen. Bringt euch in die Kämpfe ein, teilt eure Hafterfahrungen oder die Erfahrungen Angehöriger mit.

Support prisoners and prison fights. Worldwide.