Gefangene der JVA Bützow fordern Rücktritt des Abteilungsleiters für Justizvollzug

Gefangene der JVA Bützow haben einen Brief an Jörg Jesse, Abteilungsleiter des Justizministeriums in Mecklenburg-Vorpommern für Justizvollzug, Ambulante Straffälligenhilfe und Gnadenwesen, geschrieben, in dem sie ihn auffordern, von seinem Posten zurückzutreten.

Ausschnitt aus dem Brief der Gefangenen an Jörg Jesse

Jörg Jesse ist als Abteilungsleiter verantwortlich für die vielen Missstände in der JVA Bützow, u.a. auch für die seit dem 01.01.2017 massiv eingesunkene Gefangenenentlohnung. Deswegen haben die Gefangenen eine Verfassungsbeschwerde geschrieben – sollte der abschließende Beschluss des Gerichtes positiv ausfallen, werden sie Jörg Jesse des Betrugs bezichtigen.

Wir halten euch über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf dem Laufenden – bis dahin unterstützt die Gefangenen bei ihren Kämpfen. Schreibt ihnen und begegnet Jörg Jesse.

 

Aufruf: Bußgeld als Cent-Beträge abzahlen und damit Behörden nerven

Im Nachfolgenden ein Aufruf des ABC Flensburg und der Aktivistin Julia Pie, den wir unterstützen:

Die Aktivistin Julia Pie störte im Sommer diesen Jahres eine rassistische Polizeikontrolle in Koblenz. Weil sie sich das diskriminierende Verhalten der Polizei nicht gefallen ließ, soll sie nun knapp 300 Euro Bußgeld zahlen. Lasst uns solidarisch auf diese Repression reagieren und die Strafe gemeinsam mit vielen kleinen Cent-Beträgen übernehmen.

Die Polizei war in einem Koblenzer Park und schikanierte dort Menschen mit ihren Kontrollen und Durchsuchungen. Bei diesen vermeintlich „verdachtsunabhängigen Personenkontrollen“ waren mal wieder Menschen im Fokus, die von der Polizei als „nicht deutsch“ eingeordnet wurden. Julia mischte sich ein und versuchte gemeinsam mit anderen die Kontrollen durch Gespräche und das Anmelden einer spontanen Versammlung zu erschweren. Die sichtlich genervten Polizisten versuchten dies mit einem Platzverweis zu unterbinden. Als die AktivistInnen darauf bestanden, dass ein Platzverweis bei einer Versammlung nicht zulässig ist, begannen die Polizisten damit Julias Personalien zu kontrollieren. Auch dies ist bei einer angemeldeten Versammlung eigentlich nicht zulässig. Letzendlich gab Julia ihre Personalien an – dennoch soll sie jetzt wegen „Personalienverweigerung“ und „Nichtbefolgen eines Platzverweises“ Bußgelder bezahlen.

Julia Pie ist bekannt dafür, dass sie im Februar 2018 für den Tortenwurf auf die AfD-Politikerin Beatrix von Storch ins Gefängnis ging. Sie weigerte sich damals 150 Euro Strafe zu zahlen und saß dafür 14 Tage im Knast. Man kann zwar auch für ein Bußgeld im Knast landen. Anders als bei Tagessätzen ist die Strafe damit jedoch nicht abgesessen, sondern muss weiterhin bezahlt werden. Daher hat Julia sich diesmal dafür entschieden nicht in den Knast zu gehen. Um dennoch deutlich zu machen, dass sie sich die Kriminalisierung nicht gefallen lässt, soll die Strafe von möglichst vielen Menschen mit möglichst kleinen Cent-Beträgen gezahlt werden. Das sorgt zudem dafür, dass die Behörden Ärger und Kosten durch den Verwaltungsaufwand haben und in Zukunft vielleicht weniger leichtfertig Bußgelder verteilen.

Rassistische Polizeikontrollen sind sogenannte „verdachtsunabhängige“ Kontrollen. Das heißt, dass kein konkretes Indiz vorliegt, stattdessen werden Menschen scheinbar zufällig kontrolliert. In der Realität sind von solchen Kontrollen aber in erster Linie Menschen betroffen, die von der Polizei als „nicht deutsch“ eingeordnet werden. Besonders absurd an den Kontrollen in Koblenz ist, dass das Oberverwaltungsgericht der Stadt 2012 entschieden hat, dass Personenkontrollen aufgrund der Hautfarbe nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sind.

Lasst uns diese rassistische Praxis nicht hin nehmen und solche Kontrollen stören, wo immer es geht! Das Bußgeld bezahlen muss nur eine, aber gemeint sind wir alle. Also lasst uns auch gemeinsam und solidarisch reagieren! Du möchtest Julia mit ein paar Cents unterstützen? Dann schreib eine Mail mit einem oder auch mehreren Centbeträgen an: abc-flensburg (ätt) systemli.org und wir geben dir die Kontodaten zum überweisen. Das ABC ist auch mit gpg-Verschlüsselung erreichbar – der Key kann gerne auf Anfrage zugeschickt werden.

Wer ist hier kriminell?

Andreas Bach, aktiver Gewerkschaftler in der JVA Bützow und derzeitig von massiver Repression betroffen, soll, so laut Anstalt, sich nicht mehr an die Presse wenden, um „Informationen nach außen dringen zu lassen“. Von dieser „Anweisung“ hält er allerdings nichts – weswegen er im folgenden Bericht auf einen neuen Skandal aufmerksam macht. Nachrichten wie die folgende erreichen uns selten, zeigen aber noch einmal mehr denn je auf, wie korrupt Knäste in der BRD funktionieren und dass die Vorstellung, hinter Gittern säßen die „Kriminellen“ und „Bösen“ und draußen seien die „Guten“ und „Gesetzestreuen“, nicht aufgeht.

Man mag es kaum glauben, wenn Menschen draußen für Entsorgungsdienste und zur Beseitigung der Altlasten tief in die Tasche greifen müssen. Erst Recht, wenn dadurch die Trinkwasserqualität erhalten bleiben soll, die es ja zu schützen gilt.

In der JVA Bützow zumindest hat man den Umweltschutz wohl nicht so genau genommen und wenn Menschen draußen denken, dass hinter hohen Mauern einer JVA stets alles gerecht und auch rechtskonform verläuft, sollen sie nun eines Besseren belehrt werden.

In der JVA Bützow gab es in den Jahren 2011, 2012 mehrfach Anweisungen, Schutt und Altlasten sowie Zement und Farbreste in einem Ausbildungsbetrieb zu vergraben, indem man tiefe Löcher ausgehoben hatte und diese dort entsorgte. Dass diese kostengünstige Entsorgungsstrategie nun ausgerechnet von der JVA selbst vorgenommen worden ist, mag sich draußen vielleicht keiner vorstellen.

Des Weiteren liegt das Gelände der Justizvollzugsanstalt auf einem Wasserschutzgebiet. Der kleine Bützower See in der JVA Bützow verläuft zum großen Bützower See und dieser weiter in die Warnow. Motorisierte Bootsfahrten sind hier nicht gestattet, da Umwelt und Naturschutz Vorrang haben.

Vor einigen Jahren sind einige Hafthäuser und Haftbereiche neu errichtet worden. Vor dieser Errichtung musste jedoch einiges aus alten Zeiten abgerissen und entsorgt werden. Teilweise waren diese Schuttberge mit Altlasten wie Wellasbest belastet.

Um nun den kleinen Bützower See in der Haftanstalt zu verkleinern, wurde kein Kies oder genormte Erdmittel verwendet, sondern man hat hier die Schuttberge genutzt, die bei der in der JVA Bützow anfallenden Umgestaltung angefallen sind. So hat man dann Bauschutt alter Baracken und Wellasbestdächer klein geschrottet und damit die Verkleinerung des in der JVA gelegenen Sees aktiv voran getrieben.

Es werden also von dem kleinen Bützower See bei Starkregen Bestandteile in den großen abgeleitet und weiter in die Warnow gespühlt. Dabei ist nochmal wichtig zu betonen: das Gelände der JVA stellt, ebenso wie der große Bützower See, ein Wasserschutzgebiet dar!

Nun stellt sich aber auch noch die Frage, woher die JVA Bützow ihre Abrechnungen und Belege für eine fachgerechte Entsorgung hat und wo die Gelder geblieben sind, die nie dafür gebraucht wurden? Diese sind in kuriosen Rechnungsstellen und Firmengeflechten verschwunden und bis heute ist noch nicht ganz geklärt, wer diese Deckelung stillschweigend genutzt hat und wer davon profitiert. Klar ist aber, dass die Mitarbeiter*innen der JVA Bützow damit verwickelt sein müssen, denn solch eine Entsorgung kann nur mit ihnen selbst umgesetzt werden.

Im Übrigen steht jetzt an dem mit Bauschutt verkleinerten See in der JVA Bützow das Sicherungsverwahrtenhaus. Wer hat hier profitiert?

Mehrere Gefangene aus der JVA Bützow zu diesem Bericht: In meiner Haftzeit im Jahre 2012 wurde ich angehalten, für die Entsorgung von Schutt, Farbresten, Schrott und Altlasten im Ausbildungsbetrieb ZAB der JVA Bützow Löcher zu graben und diese Abfälle dort zu beseitigen (…). Unter den entsorgten Stoffen waren: Zement, Kalk, Bindemittel, Kleber, Lackfarben, alte Farbrollen, Latexgrund, Schrott und Plastik sowie alte Welldachbeläge.

Wir haben diesen Bericht nicht veröffentlicht, um rechtlich gegen korrupte Bedienstete vorzugehen oder einen juristischen Weg anzustoßen, sondern um aufzuzeigen, dass der Begriff der „Kriminalität“ unterschiedlich gewertet werden kann. Je nachdem, wer den Begriff nutzt und ihn auf andere Menschen stülpt, kann sich die Bedeutung ändern. Während der Staat diejenigen, welche hinter Gittern sitzen, als „kriminell“ bezeichnet, weil sie zum Beispiel Eigentum missachtet haben, sich genommen haben, was ihnen zusteht oder konsumiert haben, worauf sie Lust hatten, würden wir an dieser Stelle eher den Staat in Form der ausführenden Justizbeamten als kriminell bezeichnen, weil sie die Gesundheit von vielen Menschen und die Umwelt gefährden, für ihre Machenschaften Gefangene ausnutzen, sich daran noch finanziell bereichern und schlussendlich weiter Knäste bzw. in diesem Fall eine Sicherungsverwahrung bauen.

Mit diesem Bericht sollte hinterfragt werden, wer eigentlich im Knast sitzt und vor allem, wer und wieso nicht. Draußen verhalten sich nicht alle gesetzestreu, weggesperrt werden trotzdem nur bestimmte Menschen. 

Wer ist also kriminell? Für uns ganz klar der Staat und seine ausführende Gewalt.

Für die Abschaffung aller Knäste und die Freilassung aller Gefangenen.

Massive Repression nach unserem Besuch in der JVA Bützow

Leider erreichte uns die Nachricht, dass unser Treffen mit Andreas Bach in der JVA Bützow am 30.10.18 vonseiten der JVA nicht unbeantwortet blieb.

„Am heutigen Tage ist dann, nach dem Besuch der Soligruppe der Gefangenen-Gewerkschaft, bei mir Entsetzen eingetreten, da ich erfahren habe, dass man wegen der Berichterstattung* über die zutreffenden Zustände in der Justizvollzugsanstalt Bützow bei Herrn Z.U. [Name zur Anonymisierung geändert, Anmerkung Soligruppe] alle Ausgänge gestrichen hat. Zudem wurde es mir und Z.U ab sofort untersagt, Kontakt zu dem NDR zu unterhalten. (…) Die Anweisung führte die Hausleiterin Anyschewsky und stellvertretende Anstaltsleiterin Katja Ellenrieder auch so aus.“, so Andreas Bach, Gefangener aus der JVA Bützow.

Die genaue Anweisung lautet wie folgt: „Herr Bach und Herr Z.U. wird untersagt, sich weiterhin und in jeder Form mit dem NDR und anderen Medienhäusern in Verbindung zu setzen, Interviews zu geben, um zu verhindern, Informationen nach außen dringen zu lassen.“

Andreas setzt sich seit geraumer Zeit für die Gefangenen der JVA Bützow ein. Zusammen mit Z.U., ebenfalls Gefangener der JVA Bützow und dem NDR skandalisiert er die Verhältnisse hinter Gittern – der JVA offensichtlich ein Dorn im Auge. Deswegen wurden Z.U. nun alle Lockerungen aberkannt. Weiterhin ist, so Z.U. selbst, „mir nach einer Berichterstattung des NDR mein Haftraum unsachgemäß durchsucht worden, auch der von Herrn Andreas Bach. Ein solches Verhalten verurteile ich auf das Allerschärfste.“

Zellendurchsuchungen, Kontaktverbot zu Medien und Einschüchterung der Gefangenen? Nicht mit den Gefangenen der JVA Bützow. Z.U. hierzu ganz klar: „Diese rechtswidrige Anweisung werde ich natürlich nicht befolgen.“

Andreas Bach weißt in dem Zusammenhang auf die Aushebelung der Grundgesetze für Gefangene hin: „Es gibt sowas wie Meinungs- und Informationsfreiheit, Art. 5 Grundgesetz. Das gilt auch für uns hier, hinter Gittern. Das muss die JVA akzeptieren, wir werden nicht aufhören, an die Öffentlichkeit zu gehen.“

Dass die Anweisung der JVA direkt nach unserem Besuch erfolgte, bewerten wir nicht als Zufall – auch deswegen ist unsere Solidarität mehr denn je gefragt. So wie Andreas und Z.U. an die Öffentlichkeit gegangen sind ist es nun enorm wichtig, ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind. Schreibt deswegen  Andreas Bach an

Kühlungsborner Str. 29a I 18246 Bützow.

Falls ihr dem Gefangenen Z.U. schreiben wollt, kontaktiert gerne uns. Wir leiten den Brief dann weiter.

Kontaktiert außerdem die Verantwortlichen Bediensteten in der JVA und teilt ihnen mit, was ihr von Zellendurchsuchungen, Einschränkung der Medien- und Pressefreiheit und Knast haltet. Solidarität mit allen Gefangenen!

*Berichterstattung des NDR:

 

30.10.18: Interview vor der JVA Bützow mit dem NDR

Stellvertretend hat Martina Franke, Soligruppe Berlin der GG/BO, am 30.10.18 für die Gefangenen mit dem NDR gesprochen, um ihre Belange an die Öffentlichkeit zu tragen. Kurz vor dem Interview besuchte die Soligruppe Andreas Bach, Gefangener der JVA Bützow, um sich über die aktuellen Kämpfe hinter Gittern zu informieren, sich auszutauschen und sich solidarisch mit den Kämpfen der Gefangenen zu zeigen.