Anstaltsinterne Repression in Neumünster hält weiterhin an

Wie wir schon im Mai 2018 feststellen mussten, spielen Bedienstete in der JVA Neumünster offensichtlich Gefangene gegeneinander aus, wenn sie versuchen, sich für ihre Rechte einzusetzen oder sich gegen Bedienstete zu wehren. Am 16.10.18 mussten wir ebenfalls berichten, dass nach einer Kritikäußerung eines Gefangenen an einen Bediensteten massive Schikane und Repression in Form von Hetze durch selbigen Bediensteten, mit der Konsequenz des körperlichen Angriffs, folgten. Der folgende Bericht reiht sich in das Phänomen „hetzerische Bedienstete“ ein. Dieses Mal trifft es den Gefangenen aber noch härter: nachdem ein Bediensteter mal wieder gegen ihn hetzte, es dadurch zu einem körperlichen Angriff unter den Gefangenen kam und sich der betroffene Gefangene dagegen wehren wollte, folgte nochmals massive Repression.

Ich habe euch einmal mitgeteilt, dass ich wegen eines Angestellten namens Weiss von Mitgefangenen zusammen geschlagen wurde, weil dieser bei den Gefangenen behauptet hat, ich würde andere Gefangene bei ihm ‚verpetzen‘ und dafür Sorge tragen, dass diese wiederum mit Repressionen bedroht werden. Solch ein Vorfall hat sich wieder ergeben und ich wurde leider schon wieder Opfer eines Bediensteten. Somit ergab sich dann auch wieder das Problem von Schikanieren und Denunzieren von Bediensteten. Gegen diese Form der Behandlung habe ich mich zur Wehr gesetzt und denen mitgeteilt, dass es Grundrechte gibt, die auch hier drinnen zählen. Das scheint die JVA-Neumünster aber offensichtlich anders zu sehen. Weil ich für meine Grundrechte eingestanden bin und diese mit meinen Worten verteidigt habe, hat man mir ein D-Verfahren [Anmerkung Soligruppe: Ankündigung einer Disziplinarmaßnahme = neben dem Freiheitsentzug weitere Bestrafung im Knast, wird willkürlich vollzogen bzw. wenn Gefangene sich nicht so verhalten, wie es sich Knast wünscht] als Dank gegeben. Ich habe dann eine Woche Einschluss erhalten. Begründung für den Einschluss: ich habe angeblich die Sicherheit und Ordnung der JVA gestört. Die Abteilungsleiterin holte mich dann ihr ihr Büro und schrie mich dort an, was ich mir eigentlich einfallen lassen würde, ihre Mitarbeiter so zu behandeln. Ich merkte an, dass ich von diesen Mitarbeitern der Abteilungsleiterin Hirsch wie ein Stück Scheiße behandelt werde und mir meine Grundrechte auf Art. 1 und 5 abgesprochen werden. Als mich Frau Hirsch dann ebenfalls nicht besser behandelte als ihre Mitarbeiter, bin ich, ohne etwas zu sagen, aufgestanden und habe ihr Büro verlassen. Weil ich das Büro verlassen habe, habe ich für mein Verhalten wieder Einschluss erhalten. Ich habe echt die Nase voll! Jeden verdammten Tag werde ich hier fertig gemacht. Die Repression macht mich seelisch kaputt (…) Die Knastbullen teilen einem mit, dass sie dir das Leben hier drin zur Hölle machen. (…) Eines habe ich ganz sicher feststellen müssen: wenn du dich hier im Knast für andere Menschen einsetzt und denen hilfst, dann macht dich das faschistische Knastsystem fertig.“

Wir veröffentlichen diesen Bericht, weil die massive Repression in der JVA Neumünster offensichtlich kein Ende nimmt und die Anstalt alles daran setzt, Gefangene voneinander zu spalten, sie zu drangsalieren, sie, wie der betroffene Gefangene schreibt, „kaputt zu machen“. In einer Welt, in der die herrschende Minderheit die Mehrheit der Gesellschaft unterdrückt, wird natürlich auch alles daran gesetzt, die Kontrolle über die Beherrschten zu behalten. Aber es macht uns wütend, dass die Gefangenen offensichtlich massiver Repression ausgesetzt sind und dabei immer mehr leiden, während sich die Öffentlichkeit zurückzieht, sich für Gefangene nicht interessiert und die Bediensteten deswegen machen können, was sie wollen. Knast als Strafe ist schon einschneidend und repressiv genug – für betroffene Gefangene folgen aber auch noch körperliche Angriffe durch Hetze von Bediensteten und nachträgliche Repression, wenn Gefangene sich über die verantwortlichen Bediensteten beschweren wollen. Als Soligruppe wollen wir uns gegen Knäste wehren, haben aber offensichtlich das Problem, dass erst einmal ein Kampf gegen anstaltsinterne Repression geführt werden muss. Solange diese durch das Schweigen der Öffentlichkeit legitimiert wird, kann ein Kampf gegen Knäste nicht erfolgreich sein.

Wir fordern deswegen die breite Öffentlichkeit auf, Widerstand zu leisten. Begegnet zuständigen Bediensteten, Behörden und Ministerien, rebelliert gegen Unterdrückung, Unterwerfung, Repression und Ausbeutung und damit auch gegen Knäste. Zeigt den Gefangenen, das sie nicht vergessen sind, dass wir ihre Zuweisung am Rande der Gesellschaft nicht hinnehmen und bei Repression an ihrer Seite stehen.

„Ich bekomme da immer Anfälle bei soviel geballter Unlogik“ – kurzer Bericht von Nero aus der JVA Tegel

Knast veranschaulicht durch die krassen Hierarchien am besten das Prinzip der Herrschenden und Beherrschten: diejenigen, welche sich in der Machtposition befinden, üben die totale Kontrolle über diejenigen aus, welche ihre Selbstbestimmung und Macht durch die Inhaftierung fast gänzlich abgeben mussten. Die Herrschenden argumentieren dabei ganz gerne mit irgendwelchen Regeln, Gesetzen oder im Knast mit Hausordnungen, an die sich angeblich alle halten müssten, ansonsten müsse eben bestraft werden.

Wenn Gefangene die Regeln des Knastes missachten, bedeutet das fast immer sofortige Strafe. Aber was ist, wenn die Gesetzeshüter*innen die Regeln des Knastes nicht haargenau befolgen? Wenn zum Beispiel eine Kontrolle der Gefangenen nicht super gründlich von den Bediensteten durchgeführt wird? Sobald die Anstalt vermutet, dass die Knastordnung, also das monotone, zwanghafte, nicht selbstbestimmte und durch und durch kontrollierte Leben der Gefangenen gestört werden und dadurch die Herrschaftsposition der Gesetzeshüter*innen gefährdet sein könnte, wird ebenfalls sofort gehandelt: mit der Bestrafung der Gefangenen. Klingt unlogisch, bei einer genauen Betrachtung ergibt es aber Sinn.

Während die Gesetzeshüter*innen im Knast definitiv am längeren Hebel sitzen und ihre Herrschaftsposition beibehalten wollen, sollen Gefangene auch definitiv die Beherrschten bleiben. Sobald dieses Verhältnis zwischen Bediensteten und Gefangenen bedroht sein könnte, zum Beispiel durch einen Zusammenschluss der Gefangenen oder die Störung der Knastordnung (egal ob Gefangene*r oder Bedienstete*r diese Ordnung gestört hat), wollen die Herrschenden ganz schnell wieder zeigen, wer die Machtposition inne hat. Deswegen bestrafen sich Bedienstete nicht untereinander. Für sie ist es wichtig, eine geschlossene Masse zu demonstrieren, während es genauso wichtig für sie ist, dass die Gefangenen eben keine geschlossene Masse bilden (die sich zum Beispiel für ihre Rechte einsetzt). Also wird der*die Gefangene für jede Kleinigkeit, auch oft unabhängig von irgendwelchen Regeln und völlig willkürlich und nach Lust und Laune der Bediensteten bestraft: um Gefangene voneinander zu isolieren, sie zu vereinzeln, mundtot zu machen.

Auf den konkreten Einzellfall, also wer in der Situation die Verantwortung für die Störung der Knastordnung trägt, kommt es dann oft nicht an. Der uns zugekommene Bericht von Nero, Gefangener der JVA Tegel in der TA II, verdeutlicht dieses Prinzip der Herrschenden, welche ihre Macht nicht aufgeben wollen und Beherrschten, welche in der niedrigen Position bleiben sollen:

Nero hat eine Einzelzelle. Wenn im Knast „Zählung“ ist, werden Gefangene meist eingeschlossen. Schließer*innen zählen dann die Anzahl der Gefangenen in den einzelnen Trakten/Fluren bzw. ob sich die Gefangenen auch auf ihren Zellen befinden. Dieses Ritual ist von Knast zu Knast unterschiedlich – kann einmal bis zehnmal am Tag vorkommen, je nach Bürokratie und Lust und Laune der Schließer*innen.

„Ein Mitgefangener und ich sitzen in meiner Zelle, als der Beamte uns plötzlich beide einschließt. Es ist gerade Zählung. Wir denken uns nichts dabei und freuen uns über die gemeinsame Zeit. 20 Minuten später schaut ein Schließer vorbei und fragt ob ich allein bin. Ich gehe davon aus, dass er meinen Freund neben mir sieht und antworte nicht. Er schließt wieder die Tür. (…)“

Der Mitgefangene hätte sich laut Knastregeln in Neros Zelle bemerkbar machen müssen. Sobald die Schließer*innen zu der Zelle des Gefangenen gegangen wären, der sich gerade bei Nero befand, hätten sie erkannt, dass dieser nicht auf seiner Zelle ist. In Folge dessen hätten die Schließer*innen, aufgrund eines „fehlenden“ Gefangenen, vermutlich einen Anstaltsalarm ausgelöst.

Deswegen „(…) beschließen wir auf die Fahne zu gehen [Anmerkung Soligruppe: Drücken des Notsignals in der Zelle] um einen Anstaltsalarm zu entgehen. Ich werde gefragt, ob ich das lustig fände. Ich bejahe. Dann lief alles seinen gewohnten Gang. Anhörung, falsch wiedergegebenes Protokoll und Disziverkündung [Anmerkung Soligruppe: Ankündigung einer Disziplinarmaßnahme = neben dem Freiheitsentzug weitere Bestrafung im Knast, wird willkürlich vollzogen bzw. wenn Gefangene sich nicht so verhalten, wie es sich Knast wünscht]. Im Nachhinein erfahren wir, dass der verantwortliche Schließer behauptet hat, dass sich einer von uns unterm Bett versteckt hätte. Nicht nur das wir aufgrund seines Fehlers bestraft werden, er lügt auch noch. Aber was ist auch von diesen Versagern zu erwarten?! Was ich auch nicht verstehe, weshalb wir beide bestraft werden. Immerhin habe ich mich zur Zählung auf meinem Haftraum aufgehalten. Angeblich habe ich gegen die Hausordnung verstoßen. Bin gespannt, welchen Paragraphen sie sich da aus dem Ärmel ziehen. Soviel zu meinen Haftumständen.“

Natürlich scheint der beschriebene Vorfall keine große Sache zu sein, aber er reiht sich ein in einen Knastalltag, in dem Gefangene machen können, was sie wollen – sobald die Bediensteten ansatzweise ihre Position gefährdet sehen, werden Gefangene kollektiv bestraft, um jeglichen Widerstand, jegliche unangepasste Verhaltensweise und vor allem jeglichen Zusammenhalt der Gefangenen zu brechen.

Deswegen ist es noch einmal wichtiger, sich nicht spalten zu lassen, sich hinter Gittern zusammen zu schließen, Netzwerke zu bilden, gemeinsam zu kämpfen. Lasst uns der herrschenden Ordnung etwas entgegensetzen und Machtpositionen verschieben – drinnen wie draußen, zusammen gegen Knäste.

Aufruf an alle Lohnarbeiter*innen

Knast-Aufträge sabotieren!

Vor Kurzem lernten wir Alex kennen. Er arbeitet für ein Unternehmen, welches einen Auftrag für die JVA Plötzensee annehmen wollte. Alex war damit nicht einverstanden und wehrte sich gegen den Auftrag – mit Erfolg. Sein Unternehmen wird nun nicht für den Knast Plötzensee arbeiten und (durch Alex) wahrscheinlich auch in Zukunft keine Aufträge von Knästen annehmen. Die Art und Weise, wie Alex es erreichte, dass sein Unternehmen den Auftrag abgelehnte, hat uns als Soligruppe motiviert, lohnarbeitende Menschen zur Sabotage von Knast-Aufträgen aufzurufen.

Aber fangen wir von vorne an:

In Berliner Knästen sind Mitarbeiter*innen, welche sich technisch wie baulich mit den Anstalten beschäftigen, beim „Landesbetrieb für Gebäudebewirtschaftung“ angestellt. Für die Energieversorgung in den JVA‘s sind die „Berliner Stadtwerke“ zuständig. Für die Gebäude in den JVA‘s ist das Berliner Immobilienmanagement GmbH (kurz „BIM“) verantwortlich, wobei das Berliner Energiemanagement GmbH (kurz „BEM„) als Tochterunternehmen der „BIM“ für die Dampfversorgung zuständig ist.

In der JVA Plötzensee war die „Ingenieurgemeinschaft Weißensee“ für die Dampfversorgungsanlage zuständig, wobei sich die JVA beschwerte, dass diese nicht richtig funktioniere. Deswegen sollte die Anlage repariert werden. Weil die „Ingenieurgemeinschaft Weißensee“ aber nicht mehr für die JVA Plötzensee arbeiten wollte, wurde die „MUTZ GmbH“ angefragt – für dieses Unternehmen arbeitet Alex. Die „MUTZ Ingenieurgesellschaft mbH“ sollte nun also das Problem beheben, welches die „Ingenieurgemeinschaft Weißensee“ laut der JVA verursacht hatte. Vor allem Alex sollte herausfinden, was die Ursache für die Probleme der Dampferzeuger sind, welche nicht mehr richtig arbeiteten und ständig Fehler verursachten.

„Ich sollte herausfinden, weshalb die Dampferzeugung so schlecht funktioniert. Als ich von dem Auftrag hörte, war ich zunächst total überfordert. Ich wusste, dass ich keine Lust habe, für einen Knast zu arbeiten, weil ich dadurch das Knastsystem ja nur noch effizienter machen würde. Ich selbst bezeichne mich als Gegner des derzeitigen Repressionsregimes. Knast ist ein Teil davon. Ich wollte diesen Auftrag also auf keinen Fall ausführen und überlegte mir dann, wie ich das verhindern kann.“

Alex kontaktierte uns. Wir sprachen über die Möglichkeiten des Widerstands – er entschied sich dafür, mit seinen Mitarbeiter*innen, einschließlich des Chefs, reden zu wollen, mit der Hoffnung, sie überzeugen zu können.

„Mit meiner Argumentation habe ich ganz simpel angefangen. Erstmal habe ich erklärt, warum die Ersatzfreiheitsstrafe ein Unding ist. In der JVA Plötzensee sind ja viele Gefangene, welche eine solche Strafe absitzen müssen. Also Gefangene, welche ihre Geldstrafe nicht zahlen konnten und deswegen eine bestimmte Zeit ins Gefängnis müssen. Ich habe klar gemacht, dass es nicht sein kann, dass Menschen in den Knast einwandern, nur weil sie kein Geld haben. Da haben mir alle Mitarbeiter*innen, auch mein Chef, zugestimmt. Dann dachte ich, dass ich einen Schritt weitergehen kann und habe erklärt, warum ich generell gegen Knäste bzw. für eine Welt ohne Knäste bin. Das war schon schwieriger, weil dabei ja meine Ablehnung zum Kapitalismus und zum Staat miteinbezogen werden musste. Das hat dann auch eine ganz schön heftige Diskussion unter einigen Mitarbeiter*innen ausgelöst. Wir haben darüber diskutiert, inwiefern Knast mit Kapital und Staat zusammenhängt, wieso mensch generell gegen Kapital und Staat sein sollte und warum der Kampf gegen Knäste in dem Zusammenhang so wichtig ist. Wir haben viel darüber gesprochen, dass es oft nicht ‚kriminelle Menschen‘ sind, die in Knästen sitzen, sondern Menschen, welche kriminalisiert werden. Die JVA Plötzensee war mit den vielen Gefangenen, welche nur einsitzen, weil sie die Geldstrafe nicht zahlen konnten, ein gutes Beispiel. Anhand dessen wurde eine allgemeine Debatte über die sogenannte Klassenjustiz ausgelöst. Wir haben viel darüber gesprochen, dass immer die Menschen, die keine (finanziellen) Mittel haben, weggesperrt und damit kriminalisiert werden – also vor allem arme Menschen für ihre Armut bestraft werden. Wir haben auch über die wirtschaftliche Sinnlosigkeit gesprochen, also dass Menschen eigentlich eine Geldstrafe zahlen sollten, nun aber dem Staat durch ihre Knastzeit Geld kosten. Die Argumentationen gegen Knäste waren also vielfältig. Von Bestrafung der Armen (Klassenjustiz) , über wirtschaftliche Faktoren bis hin zu gesamten Systemanalysen und der damit verbundenen Kritik haben wir alles diskutiert. Wir haben auch über die Transformative Justice, also einer Alternative zu Knästen, gesprochen. In dem Zusammenhang wurden unsere Diskussionen oft philosophisch, allerdings haben wir viele Möglichkeiten gefunden, wie auf Konflikte reagiert werden kann – ohne Knast. Nach vielen langen Diskussionen waren sich mehrere Mitarbeiter*innen einig: Knast ist scheiße, das wollen wir durch unsere Arbeit nicht unterstützen. Hätten wir den Auftrag angenommen, hätten wir das Knastsystem noch effizienter gemacht, bzw. mindestens zur Aufrechterhaltung des Knastsystems beigetragen. Das wollte nach den vielen Diskussionen schlussendlich niemand mehr. Einige Mitarbeiter*innen sagten letzten Endes sogar, dass die wahren Verbrecher*innen die Bosse von Großunternehmen, der Staat und die ausführenden Organe, wie die Polizei, sind. Diese Erkenntnis hat der Leiter der Wäscherei in der JVA Plötzensee symbolisch auch noch einmal bestätigt. Einmal mussten wir ihn in seinem Büro, welches sich auf dem Gelände der JVA befindet, besuchen. Generell war er ein totaler Klugscheißer. Als ich dann aber auch sein Büro betrat und eine Karte vom preußischen Königreich und ein Bild von preußischen Königen direkt über seinem Schreibtisch hängen sah, bekräftigte mich das in meiner Analyse von vor ein paar Tagen, dass vor allem Bosse von Unternehmen und ausführende Organe vom Staat (was er ja durch seine Arbeit im Knast und als Leiter der Wäscherei beides ist) die waren Verbrecher*innen sind. Natürlich kann ich nicht sagen, dass die gesamte Belegschaft nun eine Anti-Knast Haltung hat. Aber einige haben wirklich, aufgrund der geführten Diskussionen, viel nachgedacht und sind schlussendlich zum Ergebnis gekommen, dass wir mit unserem Auftrag zur Erhaltung des Knastsystems beitragen und damit mitverantwortlich sind, wenn mal wieder Menschen weggesperrt werden, die (finanziell) an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden und werden. Hinzu kam, dass ich persönlich nicht erkannte, weswegen die Dampfanlage und die Dampfqualität so schlecht ist – allerdings war es ja meine Aufgabe, dass Problem zu erkennen. Ich redete also mit meinen Kolleg*innen und meinem Chef – und dieser lehnte dann den Auftrag ab.“

Es gibt viele Möglichkeiten, sich gegen Knäste zu wehren. Als Soligruppe der GG/BO unterstützen wir den Kampf von innen heraus. Gefangene wehren sich kollektiv gegen Arbeits- und Lebensbedingungen hinter Gittern, als Unterstützer*innen versuchen wir, für diese Kämpfe eine Öffentlichkeit zu schaffen. Aber auch Menschen „draußen“, welche nicht organisiert mit Gefangenen zusammen kämpfen, können sich täglich gegen Knäste wehren. Ex- und interne Aufträge für oder von Knästen können sabotiert oder gestört werden, die Funktion von Knästen kann in der breiten Gesellschaft diskutiert werden, lohnarbeitende Menschen können Aufträge, welche zur Aufrechterhaltung des aktuellen Status quo beitragen, verweigern usw.

Alex hat eine Möglichkeit aufgezeigt, wie wir gemeinsam unser Selbstbewusstsein gegen Knäste stärken, wie wir andere motivieren können, sich gegen Knäste zu wehren und so Schritt für Schritt eine breite Basis aufbauen können, die gemeinsam für eine bessere Welt ohne Knäste kämpft.

Mit dem Lebens-, Wohn- und Arbeitsumfeld in Kontakt treten, Diskussionen anregen und Standpunkte klar zu benennen hat in diesem Fall Wirkung gezeigt. Das ist natürlich keine Garantie für jede Diskussion. Aber es zeigt auf, dass es mehr als nötig ist, in die Gesellschaft zu treten und unsere Haltungen verständlich zu kommunizieren.

Wir rufen alle lohnarbeitenden Menschen, welche für Knäste arbeiten sollen, dazu auf, Aufträge zu verhindern! Diskutiert in eurer Belegschaft, stellt euch quer! Lasst uns zusammen mit verschiedenen Mitteln gegen Knäste kämpfen – fangen wir in unseren alltäglichen Leben damit an!

 

Von wem geht die Gewalt aus? Berichte aus der SothA der JVA Tegel

Während Gefangene hinter Gittern angeblich lernen sollen, ein Leben „ohne Straftaten zu führen“, dürfen sich Bedienstete nahezu alles erlauben – unter anderem offensichtlich auch Drohungen und Körperverletzungen an Gefangenen. Gefangene sollen dabei trotzdem die Füße stillhalten und übergriffiges Verhalten stillschweigend hinnehmen. Ein von diesem Verhalten betroffener Gefangener, wir nennen ihn folglich Kalito, aus der Sozialtherapeutischen Anstalt (SothA) der JVA Tegel, entschied sich dagegen und bat uns um die Veröffentlichung der zwei folgenden Kurzberichte:

Übergriffige Bedienstete

Keine Seltenheit in der JVA Tegel. Deswegen ist es noch einmal wichtiger, übergriffiges Verhalten zu benennen und zu reagieren. Das gestaltet sich durch die krassen Hierarchien im Knast für die Gefangenen allerdings leider oft sehr schwer bis unmöglich, wie auch die folgende Erfahrung von Kalito zeigt: dieser ging an einem Morgen in das Büro eines Beamten, um Nachfragen bezüglich seiner Arbeit als Hausarbeiter zu stellen. Die Antwort des Beamten empfand er als sehr autoritär. Ich erwiderte darauf, dass (…) er nicht mein Boss ist. Daraufhin sprang der Beamte auf und fuchtelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht rum und sagte ich soll mich verpissen und meine Fresse halten und ihn nicht sauer machen, sonst kriege ich eine von ihm.“

Kalito versuchte sich über dieses übergriffige Verhalten beschweren, ohne Erfolg. Nach etlichen Gesprächen mit dem Beamten und dem Psychologen der Anstalt kam dieser zu dem Entschluss, dass Kalito „doch über solche Bemerkungen einfach Lachen und solche Dinge nicht so groß machen“ soll.

Ibuprofen für alles

Außerdem hatte Kalito vor Kurzem eine Rippenprellung, welche ihm große Schmerzen verursachte. Während sich Menschen vor den Anstaltstoren ärztlich behandeln lassen würden, schlägt die JVA ein anderes „Heilmittel“ vor: Ibuprofen 400mg.  Egal welche körperlichen Beschwerden die Gefangenen erleiden müssen, „eine Handvoll Ibus ist alles, was wir bekommen. Egal ob Arm gebrochen, irgendwas geprellt oder einen Virus – für alle Krankheiten dieser Welt gibt es in der JVA Tegel nur ein Gegenmittel.“, so ein Gefangener der Teilanstalt II (TA II).

Kalitos Bericht reiht sich in dieses Phänomen ein.

Wenn die Ärzte keine Lust haben, schauen sie einfach weg und lassen die Gefangenen mit Schmerzen einfach allein. Ich erlebte es am eigenen Leib. Da ich eine Epilepsie habe, was auch in meiner Gefangenen-Akte steht, sind Anfälle möglich. An einen Abend bekam ich einen Anfall, die Beamten meinten, ‚lass ihn zappeln bis der Arzt kommt. Er wird Drogen genommen haben‘. Der Arzt kam nach 10 Minuten und merkte, dass ich immer weniger atmete. 40 Minuten später kam der Notarzt und musste mich wiederbeleben, da mein Herz aufgehört hatte zu schlagen. Ich wurde dann ins Krankenhaus mitgenommen.“

Durch den Anfall hatte Kalito noch tagelang Schmerzen in den Knochen und ging deswegen noch einmal zum Arzt. Überraschung: anstelle einer Nachfolgebehandlung gab es Ibuprofen 400mg und auf die Nachfrage von Kalito, weshalb die ärztliche Versorgung so miserabel sei, nur die Antwort des Arztes: „Reicht für euch Abschaum“. Zusätzlich zu den körperlichen Beschwerden sollen Beleidigungen und Diskriminierungen also ebenfalls schweigend hingenommen werden.

Wenn körperliche Beschwerden seitens der Gefangenen missachtet und nicht behandelt werden, gleicht das einer zusätzlichen Körperverletzung, weil die körperlichen Beschwerden immer gravierender und schwerer werden. „Die meisten kommen hier relativ gesund rein und gehen total krank und kaputt raus.“, so ein Gefangener aus der TA II.

Drohungen, übergriffiges Verhalten und Diskriminierungen, ausgehend von den Bediensteten, sind leider auch keine Einzelfälle in der JVA Tegel – wobei die Bediensteten auch keine Folgen für ihr Verhalten fürchten müssen. Durch die Knast Hierarchie sind sie eindeutig am längeren Hebel und können sich oft nahezu alles erlauben. „Draußen“ interessiert es ja eh niemanden, die Öffentlichkeit schreit bei Gewalt gegenüber Gefangenen selten auf.

Psychische und physische Gewalt stehen dementsprechend auf der Tagesordnung und die Bediensteten können sich ihrer Sache fast sicher sein, dass die Gefangenen über die Gewalt schweigen und sie widerstandslos hinnehmen.

Deswegen werden wir Berichte wie diese von Kalito immer wieder veröffentlichen. Um das Schweigen und die Isolation zu brechen, um Gefangenen Gehör zu verschaffen, um immer wieder die Frage zu stellen, wer in Knästen eigentlich kriminell und gewalttätig ist.

Ein besonderer Besuch in der JVA Tegel

Am 30. November 2018 besuchten wir Gefangene in der Sozialtherapeutischen Anstalt (SothA) in der JVA Tegel. Das Besondere daran: der Besuch fand nicht, wie gewöhnlich, im Besucherraum statt, sondern direkt in der SothA. Wir konnten uns zusammen mit den Gefangenen, welche wir besuchten, auf der Station und teilweise auf den Zellen frei bewegen (sofern im Knast bzw. überhaupt in dieser Gesellschaft von einer freien Bewegung, d.h. ohne Überwachung, Kontrolle und Repression, gesprochen werden kann) – Bedienstete waren zwar vor Ort, ließen uns aber weitestgehend in Ruhe.

Vor Ort tauschten wir uns über die aktuelle Situation in der JVA Tegel, vor allem der SothA, aus. Natürlich bleibt die Situation weitestgehend unverändert: korrupte Bedienstete, Teilanstalten, welche Abrisshäusern gleichen, eine mangelnde bis gar keine medizinische Versorgung, massive Repression bei kleinstem Widerstand, Psychiatrisierung der Gefangenen, Bedienstete, welche Gefangene drangsalieren, wenig bis garkeine Freizeitangebote/Ausgänge/Lockerungen, massives Wegsperren bis hin zur Isolationshaft und die ausschließliche Verabreichung von Ibuprofen bei allen möglichen körperlichen Beschwerden der Gefangenen stehen immer noch an der Tagesordnung. „Die Revolte in der SothA ist unter all diesen Missständen zu betrachten. Es ging nicht nur um die Handys, die uns weggenommen worden sind. Das hat das Fass nur zum Überlaufen gebracht.“

Die Liste, wogegen sich die Gefangenen wehren oder wehren wollen ist lang – ein neues Thema gab es allerdings doch. So beschwerten sich alle Gefangenen der SothA vor allem über den Teilanstaltsleiter Albrecht Zierep.

„Ein autoritärer Macker, der es nicht verpasst, uns jeden Tag aufs neue zu mobben, zu drangsalieren, uns die Haftzeit noch schlimmer zu machen, als sie eh schon ist. Kein Wort, was von uns kommt, nimmt er ernst, oder er verdreht unsere Aussagen so, wie es ihm passt. Mit all seinen Mitteln, die er als Teilanstaltsleiter so hat, führt das im Endeffekt meistens dazu, dass unsere Haftzeiten ewig andauern und einfach nicht enden. Ein Gefangener sollte vor Kurzem entlassen werden, das wäre sein 2/3 Termin gewesen. Alle fanden das in Ordnung : Psychologin, Ärzte, Bedienstete. Wer nicht? Albrecht! Der hat dem Gericht ein unglaublich schlechtes Urteil über den Gefangenen geschrieben – ohne Anhaltspunkte, die tatsächlich so passiert sind. In dem Bericht wurde gelogen und Aussagen vom Gefangenen so verdreht, dass Albrecht am Ende höhnisch lächeln konnte. Der Gefangene sitzt noch hier und kommt so schnell nicht raus. Für alle anderen sieht es ähnlich aus. 2/3 Haftentlassung bekommt durch Albrecht hier niemand. Und die ganze Zeit, die du dann hier absitzen musst, weiß der Typ dir noch grauenhafter zu machen, als sie eh schon ist.“

Am Tag unseres Besuchs haben wir Albrecht Zierep nicht gesehen, dafür aber viele andere Bedienstete. Wir als Soligruppe empfanden diese schon stark belastend. So empfingen wir viele missbilligende Blicke, von einigen Bediensteten wurden wir feindselig angestarrt. Das gute an unserer Situation: weil wir mit Gefangenen zusammen waren, welche gegenüber den Bediensteten öfter mal rebellieren, wurden wir weitestgehend in Ruhe gelassen und nur einmal angesprochen.

„Auf den Stress haben die jetzt gar kein Bock. Die wissen, wenn die jetzt zu uns kommen und uns anquatschen, dann wird das wieder eine fette Diskussion. Mit mir, mit den anderen Gefangenen. Weder die noch wir haben jetzt darauf Lust.“, so ein Gefangener.

Für uns lief es an dem Tag also ganz in Ordnung – obwohl wir die Bediensteten vor Ort mehr als unangenehm empfanden. Deswegen können wir nur erahnen, wir es unter der Schreckensherrschaft von Albrecht Zierep sein muss.

„Die Bediensteten, die ihr hier seht, die sind ja noch ok. Die haben keine Lust auf Stress oder Diskussionen, halten sich dann zurück. Keine Lösung für die Probleme, aber erträglicher als Zierep, der uns zusätzlich zur Haft noch mehr Probleme schafft.“, so ein Gefangener vor Ort.

Deswegen rufen wir noch einmal dazu auf, sich mit allen Gefangenen der JVA Tegel zu solidarisieren. Zeigt ihnen, dass sie nicht allein sind: schreibt ihnen Briefe, besucht sie hinter Gittern. Verantwortlichen für Repression und Knast kann ebenfalls begegnet werden.