Unser Besuch in der JVA Tegel

Gestern haben wir Gefangene der JVA Tegel, im Rahmen der „Aktionstage Gefängnis“ besucht, um gemeinsam mit ihnen über das Thema „Gefängnis und Gesundheit“ zu diskutieren. Vorab haben wir vom Anstaltsleiter Hr. Riemer und seinem Personal eine Führung durch, aus seiner Sicht, alle relevanten Räumlichkeiten im Bezug auf „Gesundheit im Gefängnis“ bekommen, in welcher er darstellte, wie die Gefangenen angeblich medizinisch versorgt werden.

Zur Führung lässt sich eigentlich nicht viel sagen. Insgesamt läuft nach Riemer alles tiptop in der JVA. Gefangene werden wohl medizinisch super versorgt, die JVA soll an Ärzten und Fachpersonal sehr gut aufgestellt sein, der Zahnarzt wäre grandios, auf Belange der Gefangenen wird wohl immer super reagiert und Probleme innerhalb der medizinischen Versorgung gibt es angeblich selten. Das Aktionsbündnis hat Hr. Riemer des Öfteren auf die ihnen bekannten Probleme zur medizinischen Versorgung in Knästen angesprochen, nach Riemer allerdings gibt es all diese Probleme nicht in der JVA Tegel. Und wenn, dann seien es immer „politische Fragen“, die er nicht beantworten könne. Kurz um also: nach Riemer läuft alles bestens in Tegel und wenn es Probleme gibt, sieht er sich nicht in der Verantwortung.

Wir haben den Rundgang mit Riemer nicht genutzt, um ihn mit unserer Darstellung zu konfrontieren – denn uns ist klar, dass er jegliche Kritik, jeglichen Vorwurf unsererseits zurückweisen wird. Ein wichtiges Anliegen hatten wir allerdings doch: wir fragten ihn, warum unsere Post bei den Gefangenen nicht mehr ankommt, bzw. warum uns keine Post von ihnen erreicht. Bei dieser Frage war Riemer ganz erschrocken. Seiner Aussage nach wüsste er nicht, was wir meinten. Post wäre wohl, sobald sie die Poststelle der JVA erreiche, innerhalb eines Tages bei den Gefangenen. Inhaltliche Kontrollen soll es wohl auch nicht geben, lediglich Sichtkontrollen wegen verbotener Gegenstände. Dass die Realität anders aussieht, wissen wir, allerdings war uns auch klar, dass es sinnfrei ist, an dieser Stelle gegen seine Aussage zu argumentieren. Obwohl die JVA Tegel medial mit Skandalen ständig im Fokus steht, es also auch kein Geheimnis ist, dass in diesem Knast einiges schief läuft, wies Riemer jegliche Kritik zurück oder verwies auf die Politik. So eben auch bei dem Schriftverkehr: der solle wohl auch super laufen, es gäbe keine Probleme.

Deswegen warteten wir lieber die Veranstaltung mit den Gefangenen ab, als uns an Riemers Aussagen aufzuhängen.

Innerhalb dieser wurde uns dann von den Gefangenen, wie erwartet, die medizinische Versorgung im Knast Tegel völlig gegensätzlich zu Riemers Aussagen dargestellt. Das verwundert natürlich niemanden: schon seit Jahren wissen wir, dass im Knast Tegel so einiges schief läuft. Mitunter ein Grund, warum sich die GG/BO im Mai 2014 dort gegründet hat aber auch ein Grund, warum wir seitdem immer wieder von etlichen Skandalen (auch medizinische/gesundheitliche) berichten mussten.

Unser Problem als Soligruppe war es in der letzten Zeit allerdings, dass wir von den Gefangenen aus Tegel nichts mehr gehört hatten – obwohl wir etliche Schreiben in den Knast schickten. Diese sind, so nach Aussagen der Gefangenen vor Ort, nicht angekommen. Auch die „outbreak“ (Gewerkschaftszeitung) soll ihnen nicht vorliegen – diese hatten wir ihnen Anfang des Jahres zugesendet. Für uns war die Veranstaltung deswegen eine erste Möglichkeit seit Langem, wieder Kontakt zu den Gefangenen aufzunehmen – was unserer Meinung nach gut funktioniert hat.

Etwa zwei Stunden haben wir uns die Belange der Gefangenen angehört und diskutiert – an dieser Stelle können wir noch nicht mehr dazu schreiben, weil wir den Gefangenen vor Ort versicherten, dass die Veranstaltung insofern „unter uns“ bleibt, als dass „nur“ zwei Bedienstete mit dabei waren, die zuhörten. Die Erzählungen von den Gefangenen werden wir deswegen erst einmal noch nicht veröffentlichen.

Wir freuen uns aber mitteilen zu können, dass wir durch die Veranstaltung wieder Kontakte knüpfen konnten und diese nutzen werden. Wir werden uns mit den Gefangenen in Verbindung setzen und halten euch auf dem Laufenden – und werden dann vermutlich bald berichten müssen, was in Tegel so alles (nicht) läuft.

„Aktionstage Gefängnis“

Im Rahmen der „Aktionstage Gefängnis“ hat Markus Richter (Bild zweite Person von links), ehemaliger Gefangener der JVA Neumünster und engagierter Gewerkschaftler, am 21.09.18 auf dem Podium darüber diskutiert, ob die medizinische Versorgung hinter Gittern ausreichend ist. Von ihm das klare Statement: nein, ist sie nicht! Gefangene werden bei Krankheiten nicht behandelt sondern mit irgendwelchen Medis, meist Schmerzmitteln, abgespeist, werden von Ärzten nicht ernst genommen und sowieso kann der*die Gefangene sich glücklich schätzen, wenn überhaupt mal ein Arzt vor Ort ist. Damit wollen sich die Gefangenen aber nicht zufrieden geben – und organisieren sich, u.a. deswegen, gewerkschaftlich.

Markus Richter ist entlassen und engagiert sich nun draußen weiterhin für die Gefangenen.
Diejenigen, welche in der JVA Tegel sitzen, werden wir  als Soligruppe heute besuchen. Jaaaaa, richtig gelesen: wir haben heute eine Veranstaltung IN der JVA Tegel!
Wir werden mit den Gefangenen darüber diskutieren, ob die medizinische Versorgung bei ihnen im Knast ausreichend ist – laut Thorsten Luxa Leiter, Justizvollzugsanstalt des Offenen Vollzugs Berlin (siehe Bild), läuft im Berliner Vollzug „alles super“…..
Wir haben anderes gehört und schauen uns das heute mal an…..

Bericht folgt.

Kurzmitteilung: X-PRESS bricht Kommunikation ab

Die Kommunikation mit X-PRESS ist nun ebenfalls abgebrochen.
Zur Erinnerung: X-PRESS beutet Gefangene aus der JVA Reinickendoprf aus.
Nachdem der Geschäftsführer uns versichert hatte, er würde sich mit den gefangenen Frauen und der JVA auseinandersetzen, haben wir nie wieder was von ihm gehört – Kontaktversuche unsererseits gab es einige.
Auch X-PRESS zieht sich also aus der Verantwortung. Wir sie aber nicht. Wir werden weiterhin für die Frauen kämpfen – gegen Knast, Patriarchat und Kapital.

Ausführliche Stellungnahme der Soligruppen der GG/BO zum geleakten Haftbefehl während der Ereignisse von Chemnitz

GG/BO Soligruppen Berlin, Jena, Köln, Leipzig: Am 28. August 2018 wurde der Haftbefehl gegen einen der mutmaßlichen Mörder von Daniel H. aus Chemnitz u.a. vom Pegida-Führer Lutz Bachmann veröffentlicht. Schon zwei Tage später stellte sich heraus, dass ein Beamter der JVA Dresden den Haftbefehl abfotografiert und weitergeschickt hatte – und zwar aus Überzeugung. Der Vorfall macht deutlich, wie tief verankert faschistische Einstellungen in der JVA-Beamtenschaft sind.

Zu den Motiven des Leaks meldete der MDR: „Der Justizbeamte meldete sich zu den Vorwürfen über seinen Anwalt zu Wort. Für sein Vorgehen nannte er verschiedenen Gründe. Zum einen wolle er die Öffentlichkeit über das informieren, was geschehen ist und die Spekulationen beenden. Den Medien wirft er vor, den ‚tatsächlichen Tatablauf in Frage zu stellen, zu manipulieren oder auf einen ihnen jeweils genehme Art und Weise zu verdrehen.‘ Er beobachte jeden Tag, dass die meisten Menschen über die Veränderungen im Land belogen würden oder die Wahrheit nicht wahrhaben wollten. Zudem wolle er nicht mehr Teil einer schweigenden Masse sein, ‚sondern dafür sorgen, dass die Wahrheit, und ausschließlich die Wahrheit ans Tageslicht kommt.‘ Den Konsequenzen seines Handels sei sich der Beamte bewusst und er hoffe darauf, ein faires und rechtsstaatliches Verfahren zu bekommen.“1

Er hat die Informationen also aus Überzeugung und in vollem Bewusstsein über die möglichen Konsequenzen an faschistische Führerfiguren wie Lutz Bachmann weitergeleitet. Aus dieser Tatsache wie auch aus der rechtspopulistischen Rhetorik, welche aus den Zitaten aus dem MDR-Beitrag deutlich wird, schließen wir, dass er selber faschistische Einstellungen teilt. Die GG/BO-Soligruppe Leipzig berichtete in ihrer PM sogar darüber, dass der JVA-Beamte vor der Veröffentlichung des Haftbefehls die Angelegenheit in einer Whatsapp-Gruppe mit 11 Kolleg*innen diskutiert hatte.2 Der MDR bestätigte daraufhin, dass nun Ermittlungen gegen 18 Beamte der JVA Dresden sowie 13 Disziplinarverfahren eingeleitet worden seien.3

Da der Strafvollzug ein extrem abgeschlossener Apparat ist und Vorgänge und Vorfälle im Strafvollzug in der Regel streng unter Verschluss gehalten werden, ist es nur schwer möglich, faschistischen Gesinnungsstrukturen unter JVA-Beamten nachzugehen. So berichtet der Arbeitskreis kritischer Strafvollzug Münster in einer Broschüre zum Thema Rechtsextremismus im Strafvollzug von 2001, dass die Anfragen und Recherchen in hohem Maße von den Justizbehörden verunmöglicht wurden.4

Trotz dessen gibt es aber immer wieder Berichte, welche nahe legen, dass faschistische Netzwerke in den Staatsapparaten, in diesem Fall in der Justiz und im Strafvollzug, bestehen. 2005 berichtete die TAZ von einem (ex-)NPD-Kader aus Berlin, der erfolglos versuchte, sich nach seiner Ausbildung zum Justizwachmeister in das Beamtenverhältnis einzuklagen.5 In Hessen gab es 2012 zwei Disziplinarverfahren gegen JVA-Beamte wegen rechtsradikaler Äußerungen.6 Im September 2016 untersuchten das niedersächische Justizministerium und die Staatsanwaltschaft Vorwürfe gegen mehrere Beamte der JVA Hannover, v.a. ausländische Gefangene misshandelt und rechtsextreme Einstellungen zur Schau getragen zu haben.7 Im März 2017 gab es eine kleine Anfrage im Baden-Württembergischen Landtag, deren Auslöser die angebliche Weitergabe von CDs mit rechtsextremen Inhalten von Beamten an Häftlinge war.8 Im März berichtete der damalige GG/BO-Sprecher in der JVA Torgau von Gewalt durch Beamte an ausländischen Gefangenen.9 Im selben Monat warfen zehn Abschiebehäftlinge Beamten der JVA Hannover vor, sie misshandelt und diskriminiert zu haben.10

Es ist weiterhin kein Geheimnis, dass inhaftierte Neonazis in vielen JVAs ihre Ideologie offen ausleben können: Nazi-Symbolik, Feiern zum „Führergeburtstag“ am 20. April, Musik von Landser und anderen Neonazi-Bands usw. Diese Dinge sind eigentlich verboten, teils verfassungsfeindlich, werden aber immer wieder toleriert – von JVA-Beamten. Nicht toleriert hingegen wird alles, was JVA-Beamte und Justizangestellte auch nur ansatzweise als „links orientiert“ verstehen. So wurde beispielsweise der Ratgeber „Wege durch den Knast“ in vielen JVA‘s (allen voran im Bundesland Bayern!) verboten, obwohl er lediglich anstrebt, „wieder aus dem rechtlosen Objektstatus der Gefangenen des Staates auszubrechen und handlungsfähig zu werden.“11

Faschistische Einstellungen unter JVA-Beamten und die Existenz faschistischer Netzwerke unter der Justizbeamtenschaft sind aus mehreren Gründen besorgniserregend. Zum einen befinden sich JVA-Beamte in einer krassen Machtposition gegenüber den Gefangenen, die ihnen oft hilflos ausgeliefert sind. Davon zeugen die oben erwähnten Anschuldigungen gegenüber JVA-Beamten, ausländische Gefangene misshandelt zu haben.

JVA-Beamte werden im Rahmen des laufenden Umbaus zu einem autoritären Regime außerdem eine wichtige Rolle spielen. Eine der Kräfte, die diesen Umbau anstrebt, ist die AfD. AfD-Führerfigur Björn Höcke bestimmt die Bewegung, die diesen Prozess antreiben soll, als „Volksopposition“, die wiederum aus drei Fronten bestehe: dem parlamentarischen Arm (AfD), der Straßenbewegung (Pegida) und drittens aus den „frustrierten Teilen des Staats- und Sicherheitsapparates“.12 Der geleakte Haftbefehl zeigt, dass diese Strategie aufgeht und lässt vermuten, wie sich die JVA-Beamtenschaft im Verlauf der angestrebten Systemtransformation hin zu einem autoritären Regime verhalten wird.

Diese Verhältnisse im Strafvollzug sind selbstverständlich nicht von denen außerhalb der Strafanstalten zu betrachten. „Herrschende“ und „Beherrschte“ gibt es überall in der Gesellschaft und die faschistische Bewegung ist generell im Aufwind – mit entsprechenden Ablegern innerhalb verschiedenster Staatsapparate. Der Zusammenhang der Faschisierung insbesondere von Gesellschaft und Gefängnis ist in diesem Fall ein doppelter: Zum einen ist das Gefängnis eine totale Institution des Staates und spiegelt als solche die Umstrukturierung von Staat und Gesellschaft wieder. Zum anderen muss gerade das Gefängnis auf ein autoritäres Regime vorbereitet werden, denn ein solches benötigt die entsprechenden Repressionsorgane und -einrichtungen, um sich gegenüber sozialen Unruhen und politischer Opposition abzusichern. Und dieses Regime wird sich nicht spontan aufstellen, sondern es entwickelt sich innerhalb der bestehenden Strukturen.

Wenn wir uns den (vor)letzten Regimewechsel in Deutschland und zwar die Machtübernahme der Nationalsozialisten anschauen, lässt sich feststellen, dass ein Großteil der Gefängnisbeamten von den untereren bis zu den oberen Rängen noch während der Weimarer Republik die damalige Gefängnisreform abgelehnt hatte und anschließend die Machtübernahme der NSDAP und deren Forderungen nach einem härteren Strafvollzug begrüßte. Sie waren zunächst keine NSDAP-Mitglieder. Viele waren nationalkonservativ (und manche sogar sozialdemokratisch!) eingestellt, sympathisierten aber mit den autoritären und repressiven Vorstellungen der NSDAP für den Strafvollzug und traten nach 1933 den nationalsozialistischen Organisationen bei. Nur wenige Beamte mussten folglich ausgetauscht werden, ansonsten hatte der Vollzugsapparat eine relativ nahtlose Kontinuität von der Weimarer Republik in das sogenannte „Dritte Reich.“13 Das Ergebnis: 1934 waren nach Massenverhaftungswellen bereits 100.000 Menschen in den NS-Gefängnissen eingesperrt und es wurden mit den neuen reichsweiten Gefängnisvorschriften die meisten progressiven Gefängnisreformen der Weimarer Zeit zurückgenommen und ein extrem harter Strafvollzug eingeführt, der v.a. in den frühen 30er Jahren einen zentralen Bestandteil der NS-Terrorherrschaft darstellte.

Wir beobachten derzeit ähnliche Tendenzen. Schon jetzt findet ein autoritärer Staatsumbau statt (Verschärfung von §§ 113 und 114 StGB, Schutzhaft und andere Neuerungen der neuen Polizeiaufgabengesetze etc.), schon jetzt ruft die AfD, immerhin drittstärkste politische Kraft, nach einem strengeren Strafvollzug und schon jetzt zeigt ein Teil der JVA-Beamten offen seine faschistische Einstellung. Wann wenn nicht jetzt ist Zeit für einen breiten Widerstand gegen diese Entwicklung?

In Zeiten wie diesen ist linksradikale Bewegung wichtiger denn je. Wir dürfen uns jetzt nicht vom Repressionsapparat bei unserer Arbeit und bei unseren Aktionen einschüchtern lassen, selbst wenn wir alle wissen, dass schon unsere kleinsten Handlungen kriminalisiert und dämonisiert werden. Das können wir nur schaffen, wenn wir uns untereinander jederzeit solidarisch verhalten. Innerhalb der Knäste haben die Gefangenen einen Anfang gemacht, haben ihre eigene Gewerkschaft aufgebaut, haben politische Forderungen gestellt, klagen sich durch die Gerichte und wehren sich in zahlreichen JVAs gegen die Maßnahmen der Anstalten. Auch wir draußen verfolgen die Entwicklungen, protestieren gegen Gesetzesverschärfungen und Knäste, unterstützen inhaftierte Freund*innen und kämpferische Gefangene und organisieren den Widerstand gegen die anhaltende Faschisierung von Staat und Gesellschaft. Schließen wir uns nun zusammen und kämpfen gemeinsam: Kein Knast ohne GG/BO und ihre Soligruppe! Zusammen gegen jede Form von Unterdrückung, Herrschaft und Repression!

Soligruppen Jena, Berlin, Leipzig und Köln der GG/BO

21. September 2018

Fußnoten

13 Wachsmann, Nikolaus: Gefangen unter Hitler. Justizterror und Strafvollzug im NS-Staat, München: Siedler Verlag, 2006, S. 65 ff.

 

Repression in der JVA Neumünster nimmt neue Dimensionen an

Die Nachrichten aus der JVA Neumünster werden von Tag zu Tag schockierender. Dieses Mal trifft die massive Repression Erwin Fichtl. Erwin hat zwei Kinder, zu denen er regelmäßig Kontakt haben möchte. Außerdem leidet er unter ADHS, weswegen er regelmäßig Medikamente braucht.

Um mit seinen Kindern Kontakt zu halten, hatte er sich ein Handy im Knast besorgt. Außerdem konsumiert er regelmäßig Marihuana, was ihm, so er selbst, wegen seiner Erkrankung gut tut.

Weil das Handy, sowie 0,4 Gramm Marihuana bei ihm in der Zelle gefunden worden sind, befindet er sich derzeitig seit 4 Wochen im Einschluss, davon war er eine Woche im sogenannten „Bunker“ (besonders gesicherter Haftraum), die Freistunde muss er seitdem auch alleine verbringen. Zusätzlich wurde ihm seine Arbeit weggenommen – um die massive Isolation zu gewährleisten.

Ich habe ADHS und mein Arzt hier hat in meiner Gefangenenakte geschrieben, dass wegen meiner Krankheit mein Einschluss aufgehoben werden muss (…) aber meiner Abteilungsleiterin Frau Ziegenhagen ist das egal“, so Erwin. „Beamte drohen mir, das Leben schwer zu machen“, so wird ihm zum Beispiel der Kontakt nach außen zunehmend erschwert: „meine Post wird von den Beamten ständig in den Müll geschmissen“ und bei Besuch muss „ich immer eine Leibesvisite über mich ergehen lassen“. Unter der Unterbindung der Kontakte nach draußen leidet nicht nur Erwin, sondern auch seine Angehörigen, wie zum Beispiel seine Mutter.

Ich bin zu 70 % behindert, mir fehlen zwei Finger und ich habe starke Schmerzen, meine Nerven in der rechten Hand sind kaputt und ich brauche Medikamente“. Wenn er in der Isolationshaft allerdings nach seinen Medikamenten fragt, antworten die Beamten zunächst mit Schikanen. Seine Bettwäsche und Privatkleidung wird des Öfteren einfach nicht gewaschen, Erwin muss dann tagelang in dreckiger Kleidung und Bettwäsche verbringen.

Ich bin nervlich und seelisch am Ende (…), ich habe Angst vor den Beamten, weil die mit mir machen was sie wollen und ich nichts machen kann.“

Erwin wird massiver Repression ausgesetzt, total isoliert und schikaniert. Aus der JVA Neumünster erreichen uns in letzter Zeit des Öfteren vergleichbare Nachrichten, allerdings ist zunehmend zu erkennen, dass die Repression neue Dimensionen annimmt: die kleinsten Widerstände oder Normbrüche werden mit totaler Isolation, Schikane und medizinischer Unterversorgung beantwortet.

Zustände, die für uns nicht hinnehmbar sind. Die Gefangenen werden sich dagegen wehren – wir werden sie unterstützen.

Zeigt Erwin, dass er nicht alleine ist und schreibt ihm:

Erwin Fichtl I Boostedterstr. 30 I 24534 Neumünster

Schreibt der JVA und dem Justizministerium und fordert die sofortige Beendigung der Repression gegen Erwin, Martin und Olaf!

Justizvollzugsanstalt I Postfach 1809 I 24508 Neumünster

Justizministerium des Landes Schleswig-Holstein I Lorentzendamm 35 I 24103 Kiel

Werdet kreativ – zuständigen Ministerien und Verwaltungen kann begegnet werden.

 

Wieder Nachrichten über Repression in der JVA Neumünster

Der engagierte Gewerkschaftler Olaf Lauenroth wird derzeitig durch die JVA Neumünster mit massiver Repression konfrontiert.

Ich hatte vor anderthalb Wochen (Mitte Juli 2018; Anmerk. Soligruppe) die JVA per schriftlichem Antrag darauf hingewiesen, dass diverse GG/BO Mitglieder auch in der JVA Neumünster einsitzen und darum gebeten, dass diesen es ermöglicht werden sollte, sich von Zeit zu Zeit zu versammeln, um die gemeinsamen Aktivitäten durchführen zu können“.

Auch wir haben Anfang des Jahres von der JVA die Zulassung von Gewerkschaftsversammlungen eingefordert, nachdem uns die JVA schriftlich mitgeteilt hatte, dass sie den Forderungen der Gefangenen, u.a. aufgrund von Personalmangel, nicht nachkommen können. Auf unseren Vorschlag, die Gefangenen dann selbstorganisiert und -bestimmt für ihre Rechte kämpfen zu lassen und deswegen Versammlungen zu ermöglichen, wurde nicht reagiert.

Anders bei Olaf: die JVA beantwortet seine Aktivitäten (innerhalb der GG/BO) mit massiver Repression.

So wurde ihm das passive Wahlrecht zur Wahl der Interessenvertretung der Gefangenen (IVG) entzogen, weil er angeblich „einen negativen Einfluss auf andere Gefangene ausübt“. So schreibt die JVA selbst:

Sie wurden Mitte November 2017 zum IVG-Vertreter des Hafthauses C-Süd gewählt. Das von Ihnen vorgelegte Protokoll der 1. Sitzung der IVG, spiegelte inhaltlich nicht die tatsächlichen Ergebnisse der 1. Sitzung wieder. Sie stellten darin Kompetenzen einzelner Mitarbeiter in Frage bzw. machten ‚Kampfansagen‘ und provozierten. (…) Diese Form von Protokollen hat mit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit nichts zu tun und übt auf ihre Mitgefangenen einen schädlichen Einfluss aus.“

Damit aber noch nicht genug. Um Olaf von anderen Gefangenen zu isolieren, verweigern sie ihn Arbeit, Ausbildung, Fortbildungen und Schulungen, mit der Begründung:

Bei ihnen liegt eine gutachterlich diagnostizierte Störung vom Typ eines Querulantenwahns sowie vom Verfolgungswahn vor, die (…) Ihre Integration in den Normalvollzug bisher nicht zuließ. So scheiterte aktuell ein Arbeitseinsatz in der Bücherei daran, dass sie trotz eingehender Belehrung den dortigen Computer missbräuchlich dazu nutzten, für andere Gefangene Beschwerden zu schreiben. (…) Sie haben Herrn Nonow (…) mitgeteilt, (…) dass Sie sich nicht an die vorher ausdrücklich mitgeteilten ‚Spielregeln‘ gehalten haben. Sie würden jedoch auch künftig in ähnlichen Situationen so handeln, da dieses ihr Naturell sei und sie keine Angst vor Restriktionen hätten bzw. diese in Kauf nehmen. Diese Uneinsichtigkeit, verbunden mit ihrer offenkundigen Aversion gegen die Vollzugsbehörde lässt konkret befürchten, dass Sie auch künftig die Arbeit der Interessenvertretung in ähnlicher Weise missbrauchen würden“.

Abschließend fordert die JVA ihn noch auf, seine „Persönlichkeitsproblematiken nachhaltig zu bearbeiten“.

Querulantenwahn“ als „Begründung“, Olaf zu isolieren und seine (gewerkschaftliche) Arbeit zu behindern? Offensichtlicher kann die JVA nicht eingestehen, dass sie mit der rebellierenden Gefangenen kurzen Prozess macht und sie von der Bildfläche anderer Gefangener verschwinden lassen will um einen kollektiven, widerständigen Zusammenschluss von Gefangenen zu verhindern.

Massive Repression, wenn Gefangene sich nicht einschüchtern lassen:

denn obwohl Olaf an einer Form von Arbeit teilnehmen will und sein zuständiger Arzt auch keine Einwände dagegen hat, wird ihm die Arbeit, aufgrund seiner angeblichen psychischen Störung, verweigert. Zusätzlich wird ihm die Aushändigung des Grundgesetzes verwehrt, ebenso wurden ihm Hebräisch-CD‘s weggenommen, die er für einen Fernkurs benötigte. Von seiner Frau bekommt er seit Monaten keine Post mehr, obwohl diese ihm mitteilte, dass sie etliche Schreiben und Pakete abgeschickt hatte. Weil er nicht arbeiten darf, bekam er außerdem Taschengeld – dieses wurde ihm ebenfalls gestrichen.

Für uns ist eindeutig: Gefangene, welche sich für ihre Rechte einsetzen, sich mit anderen Gefangenen zusammen schließen und versuchen, sich gegen die Verhältnisse zu wehren, werden isoliert, verwahrt und schlussendlich, um die Isolation und Verwahrung zu begründen, als psychisch krank deklariert.

Olaf ist seit Jahren aktiver Gewerkschaftler, er setzt sich für andere Gefangene ein und lässt sich von der JVA nicht einschüchtern. Der JVA ist er offensichtlich ein Dorn im Auge.

Wir werden Olaf in seinen Kämpfen unterstützen und fordern die JVA nochmals auf, stellvertretend für die GG/BO, Gewerkschaftsversammlungen in der JVA zuzulassen. Ebenfalls fordern wir:

  • sofortige (und rückwirkende) Aufhebung Olafs psychiatrischer Diagnose,

  • freie Arbeitsplatzwahl,

  • sofortige Aushändigung seiner privaten Gegenstände wie CD‘s,

  • Zugang zu von ihm geforderten juristischen Mittel,

  • sofortige Aushändigung des gesamten an ihn gerichteten Schriftverkehrs,

  • keine Unterbindung seiner Kämpfe!

Wir hier draußen werden auf jeden Fall nicht locker lassen und zeigen uns jederzeit solidarisch mit Olaf. Damit seine und unsere Forderungen Gehör finden, brauchen wir allerdings Unterstützung von vielen, deswegen:

Schreibt Olaf und sendet ihm solidarische Grüße!

Olaf Lauenroth I Boostedterstr. 30 I 24534 Neumünster

Schreibt der JVA und dem Justizministerium und fordert die sofortige Beendigung der Repression gegen Olaf!

Justizvollzugsanstalt I Postfach 1809 I 24508 Neumünster

Justizministerium des Landes Schleswig-Holstein I Lorentzendamm 35 I 24103 Kiel

Werdet kreativ – zuständigen Ministerien und Verwaltungen kann begegnet werden.

Bericht über unseren Besuch bei X-PRESS

Wir haben uns am 24.08.18 mit dem Unternehmen X-PRESS getroffen. Grund des Treffens war es, mit Unternehmen, welche im Knast (in dem Fall in der JVA Reinickendorf) produzieren lassen und damit maßgeblich an der Ausbeutung von Gefangenen beteiligt sind, in den Dialog zu treten.

Zunächst hatten wir X-PRESS gefragt, warum sie im Knast Reinickendorf produzieren lassen.

Weil die Qualität unglaublich gut ist und draußen fast keiner mehr Handarbeit macht. Sowas findest du nur im Knast. Wir bereichern uns aber nicht an ihrer Arbeit. Wir zahlen pro Stück – und dafür genau den selben Preis, wie wir draußen für industriell hergestellte Produkte zahlen würden., war die Antwort.

Während der Bevölkerung von der Politik und den JVA‘s also immer weis gemacht werden soll, Gefangenen-Arbeit sei „Therapie“ und nicht mit den Arbeitsverhältnissen und Ansprüchen draußen zu vergleichen, betont X-PRESS sogar, dass die Produkte der Gefangenen anspruchsvoller und qualitativ hochwertiger sind als die Produkte draußen. X-PRESS braucht nach eigener Aussage die Gefangenen Arbeit, weil draußen nur noch industriell hergestellt wird und die von den Frauen aus der JVA handgefertigten Produkte eine höhere Qualität aufzeigen.

Die gefangenen Frauen fordern Mindestlohn – sollte allerdings nicht mehr gezahlt werden als dieser, wenn die Produkte, wie X-PRESS selbst sagt, so hochwertig sind und draußen kaum produziert werden? Stattdessen müssen die Gefangenen mit einem Hungerlohn auskommen.

X-PRESS bereichert sich also eindeutig an der Arbeit von Gefangenen – handgefertigte Produkte wären außerhalb der Knastmauern, nach eigener Aussage von X-PRESS, aufgrund der Seltenheit sehr viel teurer als der Preis, den das Unternehmen an die JVA pro produziertes Stück zahlt.

Um einsehen zu können, wie viel das Unternehmen tatsächlich pro produziertes Stück an die JVA zahlt, will uns X-PRESS demnächst die Verträge mit der JVA zusenden und mit den Frauen aus der JVA Reinickendorf und der JVA selbst in Kontakt treten:

Wenn die Frauen eins zu eins das bekommen würden, was wir der JVA zahlen, würden wir das auch sehr gut und richtig finden.“, so X-PRESS weiter.

Deswegen will X-PRESS bei der JVA wohl einfordern, „dass den Frauen genau das ausgezahlt wird, was wir der JVA zahlen“.

Demzufolge behält die JVA Reinickendorf sehr viel Geld von dem, was das Unternehmen für die Produktion zahlt, ein. Wundern tut uns das nicht, denn zwischen Unternehmen und den Gefangenen steht immer die JVA, welche den Arbeitsgeber der Gefangenen darstellt.

Wir warten ab, ob X-PRESS all die angekündigten Handlungsschritte tatsächlich unternimmt. Ein Gespräch oder gar eine Verhandlung mit den Frauen aus der JVA Reinickendorf wäre für die GG/BO ein Teilerfolg, wir als Soligruppe werden das Unternehmen aber deswegen nicht aus der Verantwortung für die Ausbeutung an Gefangenen ziehen und lediglich „nur“ die JVA verantwortlich machen.

Selbst wenn X-PRESS mit den Gefangenen und der JVA Kontakt aufnimmt und von der JVA eine anständige Bezahlung der Frauen einfordert, sind wir uns sicher, dass die JVA der Forderung des Unternehmens nicht nachkommen wird. Welchen Sinn würde es ergeben, wenn sich Knast nicht an der Arbeit der Gefangenen bereichert? Knast ist nicht umsonst betriebs- und wirtschaftlich organisiert: auf Kosten der Gefangenen soll eine Profitmaximierung stattfinden, für die Anstalt selbst, für Unternehmen, für den Staat. Wenn Knast nicht mehr wirtschaftlich ergiebig wäre, würde eine große Funktion verloren gehen. Die Konsequenzen daraus könnten aber massiv sein: zum Beispiel eine sehr viel kleinere Anzahl an Gefangenen.

Deswegen bleiben wir als Soligruppe der GG/BO in unseren Forderungen standhaft: sofortiger Produktions-Stopp in allen Knästen! Vielleicht wären wir dann einen Schritt näher an der Freiheit für alle Gefangenen.