Zellenrazzia JVA Tegel – kein Einzelfall

Zellendurchsuchungen sind im Knast, vor allem in der JVA Tegel, Alltag der Gefangenen: um sie einzuschüchtern, zu schikanieren, drangsalieren oder um den Gefangenen das Leben hinter Gittern noch unerträglicher zu machen, als es eh schon ist. Dass diese Razzien völlig willkürlich und absurd sind, zeigt folgender kurzer Bericht, welchen wir auf Wunsch eines Gefangenen der JVA Tegel veröffentlichen:

Der Betroffene wurde beschuldigt, Drogen in seiner Zelle zu besitzen. Die JVA zeigte ihn an, woraufhin seine Zelle durchsucht worden ist. Gefunden wurde tatsächlich etwas – trotz dessen wurde der Gefangene nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft für unschuldig befunden. Grund? Der angebliche Drogenfund war lediglich Tortenguss.

Der Gefangene ist sich sicher, dass es sich um Schikane seitens der JVA handelt, denn obwohl keine Drogen gefunden worden sind, wurde gegen den Betroffenen ein offenes Verfahren eingeleitet und ihm deswegen schlussendlich keine Haftlockerung gewährt.

Ich kann mir vorstellen, dass das Motiv der JVA-Tegel darin besteht, dass ich mit dieser falschen Beschuldigung und Verleumdung ein offenes Verfahren haben soll und mir deswegen keine Haftlockerung gegeben wird und ich so die Endstrafe machen muss.“

Gefangene so lang wie möglich hinter Gittern halten als Motiv der Zellendurchsuchung? Leider kein Einzellfall. Gefangene sehen sich täglich damit konfrontiert, durchsucht werden zu können. Eine „Begründung“ wird sich die JVA dafür schon einfallen lassen.

Knast isoliert Menschen aus der Gesellschaft, soll zu einem angepassten Leben zwingen und nimmt jegliches Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Knast ist massive Repression, der JVA und damit dem Staat aber offensichtlich noch nicht genug: um Menschen noch mehr zu drangsalieren, zu unterdrücken und mundtot zu machen, lassen sich Bedienstete immer wieder Mittel einfallen, welche das Leben hinter Gittern noch einschneidender gestalten, als es eh schon ist. Zellendurchsuchungen sind eines von vielen repressiven Mitteln, welche im Knast angewandt werden.

Um den Betroffenen zu zeigen  das sie nicht allein sind, ist es wichtig, sich jederzeit solidarisch zu zeigen. Schreibt deswegen den Gefangenen der JVA Tegel. Schickt uns Solibriefe, wir werden sie weiterleiten.

Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation I c/o Haus der Demokratie und Menschenrechte I Greifswalderstraße 4 I 10405 Berlin

Oder schreibt an berlin@ggbo.de

Wie es zur Revolte in der SothA kam – Berichte von Gefangenen der JVA Tegel

Gefangene aus der JVA Tegel haben uns vor ein paar Tagen zugetragen, wie und warum es zu der Revolte in der SothA  (Sozialtherapeutische Anstalt) am 12.10.18 kam. Zwar ist die JVA Tegel schon seit Langem dafür bekannt, baulich und technisch einem Abrisshaus zu gleichen, den Gefangenen Grundgesetze und Menschenrechte zu verwehren, sie zu verwahren, isolieren und drangsalieren und jeden kleinen Widerstand mit massiver Repression zu beantworten, allerdings haben sich die Ereignisse in der letzten Zeit noch mehr! zugespitzt, sodass „die Gefangenen die Nase einfach voll haben“*.

In der SoThA (für Therapien ausgelegt!) stellen sich, so die Gefangenen, folgende Probleme dar:

Es gibt keine Therapeuten, lediglich Student*innen, welche „die Gefangenen als Studienobjekte betrachten und sie dementsprechend behandeln“. „Wir sind hier die Versuchskaninchen für irgendwelche Hausarbeiten oder Bachelorarbeiten der Studis.

Unter anderem in diesen Zusammenhang beklagen sich die Gefangenen über eine schlechte medizinische Versorgung. „Ich war gesund als ich hier angekommen bin und jetzt bin ich der Totalschaden.“ Konkret gemeint ist vor allem die falsche oder überdosierte Medikamentation. „Entweder bekommst du hier für jedes Problem Ibuprofen, unabhängig davon, was du hast, oder du bekommst krasse Psychopharmaka reingedrückt, die die Leute völlig bekloppt machen. Zusätzlich bekommen die Gefangenen hier völlig falsches Essen – es gibt zum Beispiel seit geraumer Zeit kein Diabetikeressen mehr. Das Resultat ist ja klar: körperlich wirklich schlimme Zustände.

Außerdem beklagen sich die Gefangenen darüber, dass die Ausbildungsplätze teilweise nur dafür geschaffen werden, damit die Auszubildenden der JVA Tegel einen Nutzen bringen. Die in der JVA angebotenen Ausbildungsplätze haben draußen also keine Zukunft. So stehen die Gefangenen bei der „Holz-Mechaniker-Ausbildung“ zum Beispiel „8 Stunden am Tag am Fließband und schieben Holz durch irgendwelche Maschinen – mehr nicht. Und mehr werden sie auch nicht mehr ‚lernen‘.“

Dass es in der JVA Tegel enorm an Personal mangelnd, weil sich einige dauerkrank melden, einige Stellen auch gar nicht mehr besetzt sind und „das Personal, welches vor Ort ist signalisiert, dass sie gar keinen Bock auf die Menschen dort und ihren Job haben“ ist zwar schon ewig bekannt, neu ist allerdings, dass aktuell Praktikant*innen eingesetzt werden, um die Lücken des Personalmangels zu füllen. Und vor allem dieser Umstand, in Verbindung mit den oben genannten Gründen, lässt die SothA Revolte wie folgt erklären:

Selbstverständlich werden hier unsere Zellen oft durchsucht und dafür gibt es fest geschriebene Vorgehensweisen. Diese werden den Praktikanten aber offensichtlich nicht mitgeteilt. Deswegen werden die Durchsuchungen entweder oberflächlich durchgeführt (vermutlich weil die Praktikanten, jedenfalls haben wir das Gefühl, Angst vor uns haben) oder die Praktikanten übertreiben es völlig, weil sie Angst vor Anschiss seitens der Leitung der JVA haben. So war es auch am besagten Tag in der SothA. Mehrere Praktikanten durchsuchten die Zellen völlig überzogen und fanden dabei mehrere Handys, welche dann entnommen worden sind. Das hat die Gefangenen natürlich richtig wütend gemacht. Vielleicht für die, die das draußen nicht verstehen: der Telefonanbieter hier drin (Telio) ist viel zu teuer, den kann sich keiner leisten. Vor allem wenn du dann Familie im Ausland hast, was hier bei einigen der Fall ist, schießen die Telefonpreise in die Höhe. Deswegen ist es für viele Gefangene super wichtig, ein Handy zu haben – um Kontakt nach draußen, zu ihren Freunden und Familien halten zu können. Naja, und kurz um: dass dieser Kontakt jetzt unterbunden wurde, weil irgendwelche Praktikanten Schiss vor der Leitung haben und deswegen die Zellen haargenau durchsuchen, dass hat das Fass zum überlaufen gebracht. Hier drin läuft alles scheiße. Wenn du dann nicht mal mit deinen Liebsten draußen reden kannst, hast du doch eigentlich nichts mehr. Wir haben die Zustände hier alle satt – der Kontaktabbruch nach draußen hat es dann eskalieren lassen.

Gefangene wehrten sich also, in Form einer Revolte, weil die Zustände schon lange nicht mehr hinnehmbar sind. Die Chance, dass Praktikant*innen vor Ort sind, „die offensichtlich keine Ahnung haben, wie der Laden läuft“, wurde von den Gefangenen genutzt. Wir als Soligruppe der GG/BO befürworten einen solchen Aufstand bzw. diese Methode des Kampfes und sind jederzeit bereit, die Gefangenen bei weiteren Aktionen zu unterstützen. Allerdings wurde uns auch zugetragen, dass das Personal einer solchen Revolte auch nicht ablehnend gegenüber steht. Sogar körperliche Angriffe würden vom Personal begrüßt werden.

Das oberste Ziel eines Beatmen ist es, sich von einem Gefangenen verprügeln zu lassen, denn dann können sie immer auf Trauma und Arbeitsunfähigkeit plädieren.

Offensichtlich können die Kämpfe der Gefangenen für die Freiheit und das würdevolle Leben und die Kämpfe der Bediensteten für Erwerbslosigkeit also zusammengeführt werden. Wir würden es ebenfalls gut finden, wenn Bedienstete nicht mehr im Knast arbeiten, in diesem Sinne:

lasst die Lohnarbeit sausen, bleibt zu Hause oder macht Urlaub, öffnet die Tore und lasst die Gefangenen frei!

*Die Zitate sind Wortlaute von Gefangenen aus der JVA Tegel/SothA, welche anonym bleiben wollen, weil sie sonst Repressalien fürchten.

Revolte in der JVA Tegel

Ein Gefangener aus der JVA Tegel schrieb uns am 12.10.18:

Heute kurz vor 12 Uhr gab es einen ernsten Zwischenfall in der SothA (Sozialtherapeutische Anstalt der JVA Tegel) : Auf der Station 2 wurden mehrere Glasscheiben durch Insassen zerstört, an Türen und Fenstern. Außerdem wurde ein Müllbehälter in Brand gesetzt.  In das Stationsbüro der Station 2 wurde mittels Glasbruch eingedrungen, einer Bediensteten die Jacke entfernt und diese dann zerstört. Dies sind Reaktionen auf die eh schon schlechten Vollzugsbedingungen, nicht so sehr wegen der Unterbringung sondern wegen Ausübung des Psychoterrors hinsichtlich vollzuglicher Weiterentwicklung, die eben gar nicht oder stark schleppend stattfindet. Es wurde eine Kollektivstrafe für die gesamte Station 2 ausgesprochen: Stationsschluss fürs ganze Wochenende. Bedienstete aus anderen Teilanstalten wurden angefordert…

Einen solchen Aufstand gab es selten – spätestens jetzt ist Solidarität und Unterstützung nötig!

Schreibt an berlin@ggbo.de oder postalisch an:

GG/BO I c/o Haus der Demokratie und Menschenrechte I Greifwalderstraße 4 I 10405 Berlin

Wir werden den Gefangenen eure Briefe übermitteln.

 

 

 
 

Unser Besuch in der JVA Tegel

Gestern haben wir Gefangene der JVA Tegel, im Rahmen der „Aktionstage Gefängnis“ besucht, um gemeinsam mit ihnen über das Thema „Gefängnis und Gesundheit“ zu diskutieren. Vorab haben wir vom Anstaltsleiter Hr. Riemer und seinem Personal eine Führung durch, aus seiner Sicht, alle relevanten Räumlichkeiten im Bezug auf „Gesundheit im Gefängnis“ bekommen, in welcher er darstellte, wie die Gefangenen angeblich medizinisch versorgt werden.

Zur Führung lässt sich eigentlich nicht viel sagen. Insgesamt läuft nach Riemer alles tiptop in der JVA. Gefangene werden wohl medizinisch super versorgt, die JVA soll an Ärzten und Fachpersonal sehr gut aufgestellt sein, der Zahnarzt wäre grandios, auf Belange der Gefangenen wird wohl immer super reagiert und Probleme innerhalb der medizinischen Versorgung gibt es angeblich selten. Das Aktionsbündnis hat Hr. Riemer des Öfteren auf die ihnen bekannten Probleme zur medizinischen Versorgung in Knästen angesprochen, nach Riemer allerdings gibt es all diese Probleme nicht in der JVA Tegel. Und wenn, dann seien es immer „politische Fragen“, die er nicht beantworten könne. Kurz um also: nach Riemer läuft alles bestens in Tegel und wenn es Probleme gibt, sieht er sich nicht in der Verantwortung.

Wir haben den Rundgang mit Riemer nicht genutzt, um ihn mit unserer Darstellung zu konfrontieren – denn uns ist klar, dass er jegliche Kritik, jeglichen Vorwurf unsererseits zurückweisen wird. Ein wichtiges Anliegen hatten wir allerdings doch: wir fragten ihn, warum unsere Post bei den Gefangenen nicht mehr ankommt, bzw. warum uns keine Post von ihnen erreicht. Bei dieser Frage war Riemer ganz erschrocken. Seiner Aussage nach wüsste er nicht, was wir meinten. Post wäre wohl, sobald sie die Poststelle der JVA erreiche, innerhalb eines Tages bei den Gefangenen. Inhaltliche Kontrollen soll es wohl auch nicht geben, lediglich Sichtkontrollen wegen verbotener Gegenstände. Dass die Realität anders aussieht, wissen wir, allerdings war uns auch klar, dass es sinnfrei ist, an dieser Stelle gegen seine Aussage zu argumentieren. Obwohl die JVA Tegel medial mit Skandalen ständig im Fokus steht, es also auch kein Geheimnis ist, dass in diesem Knast einiges schief läuft, wies Riemer jegliche Kritik zurück oder verwies auf die Politik. So eben auch bei dem Schriftverkehr: der solle wohl auch super laufen, es gäbe keine Probleme.

Deswegen warteten wir lieber die Veranstaltung mit den Gefangenen ab, als uns an Riemers Aussagen aufzuhängen.

Innerhalb dieser wurde uns dann von den Gefangenen, wie erwartet, die medizinische Versorgung im Knast Tegel völlig gegensätzlich zu Riemers Aussagen dargestellt. Das verwundert natürlich niemanden: schon seit Jahren wissen wir, dass im Knast Tegel so einiges schief läuft. Mitunter ein Grund, warum sich die GG/BO im Mai 2014 dort gegründet hat aber auch ein Grund, warum wir seitdem immer wieder von etlichen Skandalen (auch medizinische/gesundheitliche) berichten mussten.

Unser Problem als Soligruppe war es in der letzten Zeit allerdings, dass wir von den Gefangenen aus Tegel nichts mehr gehört hatten – obwohl wir etliche Schreiben in den Knast schickten. Diese sind, so nach Aussagen der Gefangenen vor Ort, nicht angekommen. Auch die „outbreak“ (Gewerkschaftszeitung) soll ihnen nicht vorliegen – diese hatten wir ihnen Anfang des Jahres zugesendet. Für uns war die Veranstaltung deswegen eine erste Möglichkeit seit Langem, wieder Kontakt zu den Gefangenen aufzunehmen – was unserer Meinung nach gut funktioniert hat.

Etwa zwei Stunden haben wir uns die Belange der Gefangenen angehört und diskutiert – an dieser Stelle können wir noch nicht mehr dazu schreiben, weil wir den Gefangenen vor Ort versicherten, dass die Veranstaltung insofern „unter uns“ bleibt, als dass „nur“ zwei Bedienstete mit dabei waren, die zuhörten. Die Erzählungen von den Gefangenen werden wir deswegen erst einmal noch nicht veröffentlichen.

Wir freuen uns aber mitteilen zu können, dass wir durch die Veranstaltung wieder Kontakte knüpfen konnten und diese nutzen werden. Wir werden uns mit den Gefangenen in Verbindung setzen und halten euch auf dem Laufenden – und werden dann vermutlich bald berichten müssen, was in Tegel so alles (nicht) läuft.

„Aktionstage Gefängnis“

Im Rahmen der „Aktionstage Gefängnis“ hat Markus Richter (Bild zweite Person von links), ehemaliger Gefangener der JVA Neumünster und engagierter Gewerkschaftler, am 21.09.18 auf dem Podium darüber diskutiert, ob die medizinische Versorgung hinter Gittern ausreichend ist. Von ihm das klare Statement: nein, ist sie nicht! Gefangene werden bei Krankheiten nicht behandelt sondern mit irgendwelchen Medis, meist Schmerzmitteln, abgespeist, werden von Ärzten nicht ernst genommen und sowieso kann der*die Gefangene sich glücklich schätzen, wenn überhaupt mal ein Arzt vor Ort ist. Damit wollen sich die Gefangenen aber nicht zufrieden geben – und organisieren sich, u.a. deswegen, gewerkschaftlich.

Markus Richter ist entlassen und engagiert sich nun draußen weiterhin für die Gefangenen.
Diejenigen, welche in der JVA Tegel sitzen, werden wir  als Soligruppe heute besuchen. Jaaaaa, richtig gelesen: wir haben heute eine Veranstaltung IN der JVA Tegel!
Wir werden mit den Gefangenen darüber diskutieren, ob die medizinische Versorgung bei ihnen im Knast ausreichend ist – laut Thorsten Luxa Leiter, Justizvollzugsanstalt des Offenen Vollzugs Berlin (siehe Bild), läuft im Berliner Vollzug „alles super“…..
Wir haben anderes gehört und schauen uns das heute mal an…..

Bericht folgt.

Richtigstellung über den Besuch bei der Senatsverwaltung für Justiz

Wir haben am 28.08.18, zusammen mit der Soligruppe für Nero und Isa, der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz, insbesondere Hr. Richard, Leiter des Referats III A, verantwortlich für die Aufsicht über die Justizvollzuganstalten, einen Besuch abgestattet.

Dieser Besuch wurde von der kommerziellen Presse aufgenommen, allerdings sehen wir uns gezwungen, diese Berichterstattung erheblich zu „korrigieren“. Was an dem Tag passiert ist, haben wir noch an selbigem veröffentlicht.

Die kommerzielle Presse berichtet im Nachhinein, wir wären bei der Senatsverwaltung „eingedrungen, hätten diese „gestürmt oder wären dort „einmarschiert. Hr. Richard hätten wir bei dem Besuch angeblich „gedroht.

Unser Besuch lief allerdings erheblich anders ab:

Wir sind im Schritttempo in das Gebäude gegangen, haben beim Pförtner gefragt, in welchem Büro Hr. Richard sitzt. Dieser gab uns die Nummer des Büros, wir gingen, weiterhin im Schrittempo, die Treppen zu dem genannten Raum hinauf. Als wir die Tür öffnen wollten merkten wir allerdings, dass sie verschlossen war und klopften. Hr. Richard öffnete uns und wir führten ein Gespräch im Flur. Weil dieses nicht zielführend war (wir berichteten), verteilten wir anschließend noch im gesamten Haus, auch in seinem Büro, Flyer von der Soligruppe für Nero und Isa und von uns. Den Inhalt unserer Flyer haben wir ebenfalls schon veröffentlicht.

In der Medienberichterstattung heißt es weiterhin, dass nun wegen Hausfriedensbruch ermittelt werden müsste und dass es sich bei der Aktion um „Linksterrorismus“ und „Linksextremismus“ handele. Unabhängig davon, dass wir letzte beiden Begriffe ablehnen, müssen wir uns doch wirklich fragen, wie ein Besuch, welcher beim Pförtner und durch das Klopfen an der Tür von Hr. Richard angekündigt wurde, als Hausfriedensbruch gewertet werden kann und inwiefern die Aktion als „terroristisch“ und „extremistisch“ zu bewerten ist.

Noch einen Tag zuvor marschierten in Chemnitz 8000 Faschist*innen durch die Stadt, hatten kaum polizeiliche Begleitung und griffen Menschen, von ihnen gelesen als „Ausländer“ oder „Antifas“, an. Es wurden offensichtlich Hitlergrüße gezeigt, die Gewaltbereitschaft war unglaublich hoch. Der Polizei war auch schon zuvor bekannt, dass gewaltbereite, aggressive Faschist*innen die Stadt besuchen würden. Trotz dessen wurde die Demonstration genehmigt, von „Terrorismus“ war, auch im Nachhinein, nicht die Rede. Die offensichtlichen Straftaten werden nicht verfolgt. Während also Faschist*innen völlig ungehindert durch die Städte marschieren, Menschen verletzen und diskriminieren, ist unser Besuch bei der Senatsverwaltung ein Akt des „Terrorismus“?

Dieses Agieren seitens der Politik wundert uns natürlich nicht. Faschistische Strukturen können ungehindert agieren, während linke und linksradikale Strukturen und Aktionen kriminalisiert werden. Obwohl die Aktion bei der Senatsverwaltung für Justiz von der Soligruppe für Nero und Isa und von uns, der Soligruppe der GG/BO, getragen wurde, wird in der kommerziellen Berichterstattung nur die Soligruppe für Nero und Isa erwähnt. Diese Soligruppe wird in der Berichterstattung auch gleich mit der Rigaerstraße 94 in Verbindung gebracht – ohne, dass es dafür Anhaltspunkte gäbe (wir erinnern uns nicht, dass vor Ort unsere Personalien aufgenommen worden sind). Es geht also nicht darum, zu erklären, weswegen wir und die Soligruppe für Nero und Isa an dem Tag die Senatsverwaltung besucht haben, sondern lediglich um eine Kriminalisierung und Dämonisierung der Menschen aus der Rigaerstraße 94.

Die gesamte Medienberichterstattung ist also eine Farce: zwei Gruppen haben an dem Tag die Senatsverwaltung besucht, um Missstände aufzuzeigen, um die Gesichter der Menschen, welche für Knast und die Bedingungen hinter Gittern verantwortlich sind, zu sehen, sie direkt anzusprechen und um Forderungen zu stellen. In der kommerziellen Presse wird dies nun als Akt der Gewalt, des Terrorismus und Extremismus gewertet, während aggressive, tatsächlich gewaltbereite Faschist*innen ungehindert durch Deutschland ziehen und Menschen jagen und angreifen können.

Diese Form von Berichterstattung wundert uns natürlich ebenfalls nicht, vor allem aufgrund der aktuellen politischen Entwicklung. Es ist auch nicht unser Anliegen, auf jede einzelne Verzerrung und Falschdarstellung der Geschehnisse am 28.08.18 detailliert einzugehen. Unglaublich wütend macht uns aber schlussendlich doch die Aussage von Hr. Behrendt, Justizsenator von Berlin:

„Wenn die Leute aus der Rigaer Straße ein Problem mit dem Strafvollzug haben, bin ich der Ansprechpartner“.

Wir haben des Öfteren versucht, den Justizsenator auf die Probleme im Berliner Vollzug anzusprechen. Jegliche Gespräche oder Kontaktaufnahmen hat er immer verweigert. Darüber haben wir ebenfalls schon berichtet. Nun anzugeben, er wäre „Ansprechpartner“ für den Strafvollzug, ist eine dreiste Lüge. Hr. Richard aus der Verantwortung zu ziehen, obwohl er für die Aufsicht der Justizvollzuganstalten zuständig ist, wäre uns ebenfalls zuwider.

Für uns wurde durch diese Berichterstattung noch einmal deutlich: Wenn es um Gefangene geht, schweigt die Öffentlichkeit. Unsere Forderungen und die Forderungen der Gefangenen fanden medial überhaupt keine Resonanz, obwohl wir Hr. Richard vor Ort klar kommuniziert haben, dass wir an dem Tag auch stellvertretend für die Forderungen der Gefangenen aus der JVA Tegel und JVA Reinickendorf vor Ort sind. Es ging der Presse also nicht darum, die tatsächlichen Gründe des Besuchs darzustellen, sondern lediglich um die Kriminalisierung der Menschen aus der Rigaerstraße 94. Diese hat sich zu dem Besuch nicht bekannt, rückte aber trotzdem in den Fokus der Berichterstattung.

Uns ist bewusst, dass eine Kriminalisierung von linken und linksradikalen Strukturen auch immer mit Repression einhergeht. Natürlich erwarten wir genau das von einem Staat, welcher Faschist*innen gewähren lässt und den kleinsten Widerstand von links massiv angreift.

Wir stellen uns dementsprechend auf Repression ein und werden uns jederzeit solidarisch zeigen.

Besuch bei der Senatsverwaltung für Justiz

Wir haben heute Vormittag, zusammen mit der Soligruppe für Nero und Isa, der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz, insbesondere Hr. Richard, Leiter des Referats III A, verantwortlich für die Aufsicht über die Justizvollzuganstalten, einen Besuch abgestattet.

Wir fanden Hr. Richard zunächst eingeschlossen in seinem Büro vor. Wir konnten die Tür nicht öffnen, mussten klopfen. Als er die Tür öffnete, uns aber offensichtlich nicht in seinem Büro sehen wollte, fragten wir ihn im Flur, ob er Nero kennt. Darauf gab es seinerseits keine Reaktion. Er wirkte verwirrt und verstand anscheinend nicht, was überhaupt los ist. Die Soligruppe von Nero konfrontierte ihn dann mit den Problemen, welche Nero in seiner Haft in der JVA Tegel erfahren muss. Anschließend haben wir, die Soligruppe Berlin der GG/BO, die Forderungen der GG/BO und unsere eigenen geltend gemacht. Dazu hatten wir auch einen Text geschrieben, welchen wir vor Ort als Flyer nutzten und welcher in Etwa wiedergibt, mit welchen Belangen wir Hr. Richard konfrontierten:

Seit es die Gefangenen-Gewerkschaft gibt, müssen wir als Unterstützer*innen immer wieder schockierende Nachrichten aus der JVA Tegel veröffentlichen: korrupte Schließer*innen, massive Repression bei kleinstem Widerstand, marode Teilanstalten. Vor allem aus der TA II erreichten uns im März 2017 alarmierende Zustände: viel zu kleine Hafträume, hohe Lärmbelästigung, fehlender Brand- und Arbeitsschutz, viel zu wenig Aufschluss und Ausgänge, fehlende therapeutische Angebote, Verringerung der Besuchszeiten, zu wenig Telefonanlagen und teilweise defekte Wechselsprechanlagen, mangelnde medizinische Versorgung, defekte Duschen und Küchen, Personalmangel, keine Entlassungsvorbereitungen, Suizide und Suizidversuche usw.

Gefangene aus der JVA Tegel teilten uns mit, dass sich bis heute daran nichts geändert hat.

Die Zustände, vor allem in der TA II, gleichen denen im Mittelalter“, so ein Gefangener aus der JVA Tegel. „Das ist hier reine Verwahrung. Nichts mit Resozialisierung“.

Und auch die Frauen aus der JVA Reinickendorf haben keine Lust mehr, den Ist-Zustand hinzunehmen. Sie prangern vor allem die Ausbeutung durch Knast an:

Wir verdienen 1-2 Euro die Stunde, zahlen nicht in die Rentenversicherung ein, arbeiten aber genau so hart, wenn nicht sogar härter, wie die Menschen draußen. Darauf haben wir keine Lust mehr. Hier lassen etliche große Unternehmen produzieren, aber auch ganz viele kleine Start-Up‘s. Warum können sie uns nicht endlich anständig bezahlen? Stattdessen werden wir ausgebeutet, es wird auf Pensum und Qualität getrimmt. Die Frauen können langsam alle nicht mehr, wir sind durch, keine schafft dieses Pensum…“

Die GG/BO fordert deswegen für die JVA Tegel und die JVA Reinickendorf:

  • sofortige Schließung der TA II und Freilassung aller Kurz- und Ersatzfreiheitsstrafler*innen,

  • Ausbau des offenen Vollzugs und konsequente Entlassung nach 2/3 der abgesessenen Strafhaft,

  • menschenwürdige Haftbedingungen, nach Anforderungen eines modernen Strafvollzugs,

  • Mindestlohn für alle arbeitenden Gefangenen, Einbezug in die Rentenversicherung für alle Gefangenen, Tarifverhandlungen zwischen den Unternehmen und den arbeitenden Gefangenen,

  • und die volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern.

Wir, die Soligruppe Berlin der GG/BO, fordern weiterhin:

  • Schließung aller Knäste, Freilassung aller Gefangenen,

  • sofortiger Produktions-Stopp in den JVA‘s. Keine Bereicherung mehr durch Ausbeutung an Gefangenen!“

Hr. Richard hat uns dann sehr schnell erklärt, dass „das hier keine Grundlage für eine Debatte“ sei.

Wir empfanden es als überflüssig ihn zu fragen, welche Grundlagen denn geschaffen werden müssten. Die Antwort kennen wir auch schon von seinem Kollegen Hr. Dr. Behrendt: keine. Deswegen haben wir anschließend im gesamten Haus die oben genannten Flyer verteilt. Als wir in sein Büro Flyer warfen, fragte er uns ernsthaft, ob wir kein Gewissen hätten.

Die Frage werfen wir gerne zurück. Du hast die Aufsicht über die Justizvollzugsanstalten, du bist mitverantwortlich für das, was in den Knästen in Berlin passiert und nicht passiert. Und dein Gewissen ist in Ordnung?

Während du Menschen wegsperrst, verwahren lässt, isolierst, zum angepassten Leben zwingst, massiv ausbeutest und dauernder Repression aussetzt, haben wir ein bisschen Papier gegen die Zustände, für die du mitverantwortlich bist,in deinem Büro und im Haus verteilt. Und du erlaubst es dir wirklich, uns diese Frage zu stellen?

Uns ist die Vorstellung zuwider, dass wir mit der Frage konfrontiert werden, du aber nicht. Vielen anderen wahrscheinlich auch. Deswegen fordern wir alle auf, Zuständige für Knast, Repression und Ausbeutung zu besuchen.

Es ist wichtig, den Menschen zu begegnen, welche für jegliche Form von Unterdrückung mitverantwortlich sind. Hr. Richard ist nur einer von vielen.

 

 

News aus Tegel

Aus der JVA Tegel erreichten uns mal wieder mehrere skandalöse Nachrichten.
Zum Einen scheinen der offene Vollzug in Düppel, die JVA Tegel und die Justizbehörden gemeinsam Faxen zu machen. Dazu hat unser Sprecher in Tegel, Mehmet Aykol, eine Pressemitteilung verfasst (Bild anklicken).

In den Knast zu kommen ist also garnicht schwer: hilf deinen Freunden in der Not, und schon wirft die Justiz ein Auge auf dich.
„Wir finden es sehr interessant, wie schnell sich ein Mensch in der BRD strafbar machen kann aber somit ist es auch nicht mehr verwunderlich, weshalb die Anzahl der Gefangenen in Deutschland konstant so hoch ist. Wir fragen uns, ob die Justiz wirklich nichts besseres zu tun hat?“, so Martina Franke, Sprecherin der Soligruppe Berlin der GG/BO.

Zum Anderen erfahren mal wieder engagierte Gewerkschaftler in der JVA Tegel Repression auf hohem Niveau. Ein Gefangener wurde aus seinem üblichen Haus (Teilanstalt V) in die Skandalteilanstalt II verlegt, weil er der JVA anscheinend zu viel rebelliert. So teilte ihm die Anstalt mündlich mit, dass er ihnen zu viel gegen Bedienstete klagt und sich zu aktiv innerhalb der Gewerkschaft engagiert.

„Diesen Angriff gegen unser Mitglied betrachten wir als einen Angriff auf die GG/BO selbst. Wir fordern den Justizsenator Dr. Dirk Behrendt dazu auf, diesem Missstand unverzüglich ein Ende zu setzen. Schluss mit der Diskriminierung der GG/BO in der JVA Tegel.“, so Mehmet Aykol.

Kurzmeldung: Zustände in der JVA Tegel

Aus der JVA Tegel mal wieder erschreckende Nachrichten: In der letzten Zeit bekommen wir immer mehr Briefe von Gefangenen, welche für ihre Tat als „schuldunfähig“ gelten. Nach § 61 – 72 gehören diese Menschen also nicht in den Knast!
Uns ist natürlich bewusst, dass der Maßregelvollzug nicht besser als Knast ist, sondern sogar oft noch menschenunwürdiger, mit viel mehr Zwängen und totalitärer. Trotzdem beweisen uns in letzter Zeit die vielen (wirren) Briefe aus der JVA Tegel, dass die Gefangenen diesen Knast endlich verlassen müssen, bevor sie noch weiter psychisch kaputt gemacht werden. Oder wie viele Suizide will sich Dr. Dirk Behrendt in der JVA Tegel noch leisten? Es sind schon viel zu viele!

Lasst die Gefangenen frei, lasst sie leben und schafft die Knäste endlich ab!

Mehr Sicherheit in der JVA Tegel?

Was für eine Farce! Während Behrendt nun ad hoc mehr Sicherheit durch einen 8-Punkte-Sicherheitsplan gewährleisten will, haben anscheinend alle vergessen, was Strafvollzug laut geltendem Recht eigentlich tun soll: resozialisieren.

Seit Jahren müssen Gefangene aus der JVA Tegel für Resozialisierung kämpfen und im drastischsten Fall dafür sogar Meuterei Vorwürfe einkassieren. Personal, Behandlungs- und Vollzugspläne fehlen, einzelne Teilanstalten haben schon lange nichts mehr mit einer menschenwürdigen Unterbringung zu tun und wenn sich Gefangene für ihre Rechte einsetzen, hagelt es Repression – aber darüber schweigt die Justiz, allen voran Behrendt. Wir haben in der Vergangenheit des Öfteren versucht, die breite Öffentlichkeit über die miserablen Zustände in der JVA Tegel zu informieren – juristisch wie aber auch praktisch gesehen ist nichts passiert. Pressemitteilungen wurden versandt, Interviews gegeben, Videos veröffentlicht: an der Realität, den Lebens-, Arbeitsbedingungen und Resozialisierungschancen der Gefangenen hat das bis jetzt leider nichts geändert.Stattdessen wird sich nun auf den Punkt „Sicherheit“ gestürzt.

Leider wundert uns das nicht einmal. Dass die Forderungen der Gefangenen nach Resozialisierung bei Behrendt kein Gehör finden macht uns aber weiterhin wütend – und noch wütender macht es uns, dass das Thema „Sicherheit“ sofort in den Angriff genommen wird, wenn die breite Öffentlichkeit danach schreit. Wenn es darum geht, die Bevölkerung draußen zu „beruhigen“, wird schnell gehandelt. Wenn es um die Gefangenen geht, wird geschwiegen.

Wir fordern Behrendt deswegen noch einmal dazu auf, die Forderungen der Gefangenen aus der JVA Tegel endlich wahrzunehmen und umzusetzen:

Sofortige Schließung der Teilanstalt II, weil dieses Haus nichts mit einer menschenwürdigen Unterbringung zu tun hat!

In der JVA Tegel sind regelmäßige Vollzugsplankonferenzen nötig, um resozialisierungsfreundliche Vollzugs- und Behandlungspläne schreiben zu können. Derzeitig finden diese entweder gar nicht oder nur unregelmäßig statt (obwohl vom Gesetz her vorgesehen). In diesem Zusammenhang müssen Gefangene gelockert und in den offenen Vollzug verlegt werden. Der Verwahrvollzug gehört umgehend abgeschafft!

Allen Gefangenen, welche in Haftanstalten in Brandenburg verlegt werden wollen, soll diese Möglichkeit umgehend eingeräumt werden.

Wir, die Soligruppe Berlin, fordern außerdem die Schließung der JVA Tegel, die Schließung aller Knäste. Wenn wir für eine befreite Gesellschaft ohne Unterdrückung, Ausbeutung und Repression kämpfen wollen, müssen wir uns auch gegen den Knast als totalen und absoluten Unterdrückungs-, Ausbeutungs-, und Repressionapparat wehren.
Solidarität mit dem geflohenen Gefangenen. Solidarität mit Allen!