Hungerstreik der kurdischen Gefangenen in der Türkei – wie sich Gefangene und Nicht-Gefangene solidarisieren

Wie wir angekündigt hatten, solidarisieren sich vom 01.02-03.02.19 mehrere Gefangene und Nicht-Gefangene mit den Hungerstreik der Gefangenen in der Türkei.

Als Soligruppe Berlin der GG/BO schlugen wir mehrere Aktionsformen vor den Anstaltstoren und für Menschen hinter Gittern vor. Diese wurden teilweise umgesetzt, nachfolgend listen wir auf, wie sich beteiligt wurde:

Protestschreiben

Viele Gefangene und Nicht-Gefangene fordern, dass das CPT Öcalan auf Imrali besucht. Dafür wurden Protestschreiben an den Europarat nach Straßburg versandt. Weil leider viele Gefangene Repressalien fürchten, können an dieser Stelle nicht alle benannt werden, welche sich an der Aktionsform beteiligten. Vor allem aber etliche Gefangene aus der JVA Chemnitz, Neumünster und Rosdorf haben zurückgemeldet, dass Protestschreiben an den Europarat geschickt wurden. Genannt werden wollen Peter Reitenbach (Gefangener JVA Neumünster) und Sven Herhold (JVA Rosdorf).

Solidarische Grüße an kurdische Gefangene in der Türkei und Deutschland und Beteiligung am solidarischen Hungerstreik

Die GG/BO-Soligruppe Jena organisierte anlässlich des Hungerstreiks eine Briefschreibwerkstatt für die Gefangenen des türkischen Regimes in Deutschland. Etwa zehn Menschen kamen zusammen und schickten Briefe an einige derer, die wegen angeblicher Mitgliedschaft oder Unterstützung der PKK, DHKP-C und TKP/ML in deutschen Gefängnissen sitzen.

Sandra, eine Gefangenen-Gewerkschafterin aus der JVA Chemnitz, hat ein Solidaritätsschreiben verfasst und angekündigt, dass sie sich am solidarischen Hungerstreik beteiligt:

Liebe kurdische Gefangene, liebe Gefangene aller Art!

Denn egal welcher Kultur oder Landessprache wir angehören, wir haben alle eins gemeinsam: „WIR SIND MENSCHEN, WERDEN ABER NICHT SO BEHANDELT!“ Von den tollen Rechtsstaaten, in denen wir eingesperrt sind, werden Menschenrechte mit Füßen getreten.

Als ich das Schreiben der GG/BO-Soligruppe Berlin erhalten habe, war ich mehr als nur sauer, traurig, alles an Gefühlen kam zusammen.

Ich selbst bin auch Gefangene und möchte Euch Mut zusprechen. Niemals aufzugeben!!! Kämpft und seid stark und ich weiß, das fällt arg oft nicht leicht. Aber wenn wir aufgeben, gewinnen die! Und das wollen wir nicht! Und dürfen wir nicht zulassen! Ich beteiligte mich am Hungerstreik als Zeichen der Solidarität.

Ich, Sandra W., fordere hiermit die türkischen Behörden auf, die totale Isolation gegen Öcalan sofort aufzuheben! Und die Haftbedingungen in Deutschland, Türkei, USA, in allen Ländern zu überdenken, zu lockern. Wir sind Menschen und haben Rechte, egal ob vor oder hinter den Mauern!

Freiheit für alle! Wegsperren, Schikanieren, Mangelnde bis keine Unterstützung ist keine Lösung!

JVA Chemnitz, 26.01.2019

Etwa 40 Gefangene aus der JVA Tegel haben sich zusammengeschlossen und eine solidarische Botschaft an die kurdischen Gefangenen in der Türkei, insbesondere Abdullah Öcalan, verfasst. Auch hier befürchten viele Gefangene Repressalien, weswegen an dieser Stelle nicht alle benannt werden können, welche sich an der Aktionsform beteiligten. Fünf Gefangene sind allerdings bereit, mit ihrem Namen an die Öffentlichkeit zu gehen:

Unsere schriftliche Kommunikation mit Gefangenen wird durch die Knäste immer wieder zu unterbinden versucht, weswegen wir davon ausgehen, dass uns in der nächsten Zeit noch weitere solidarische Grüße erreichen werden. Wir werden, sobald wir sie empfangen haben, berichten.

Solidarität mit dem Hungerstreik der kurdischen Gefangenen in der Türkei!

In türkischen Gefängnissen werden Gefangene tagtäglich in Isolationshaft gehalten, sie werden willkürlich in andere Haftanstalten verlegt und immer wieder brutal gefoltert. Zehntausende kurdische und türkische Gegner des türkischen Regimes sind in der Türkei in Haft, weil sie gegen den Diktator Erdogan protestiert haben. Der türkische Staat versucht durch Folter und Isolationshaft die Menschen in Haft zu brechen und ihnen ihre Widerstandskraft zu nehmen. Am härtesten trifft es den kurdischen Politiker und Philosophen Abdullah Öcalan. Er wird seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali in der Nähe von Istanbul gefangen gehalten. Seit 2011 wird seinen Anwälten der Zugang zu ihm verwehrt. Seit April 2015 sitzt Öcalan in Totalisolation. Niemand darf ihn besuchen, Briefverkehr wird ihm untersagt, er hat keinen Zugang zu Fernsehen, Zeitung und Telefon.

Am 7. November 2018 begann die kurdische Politikerin Leyla Güven einen unbefristeten Hungerstreik im Gefängnis der Stadt Diyarbakir. Ihre einzige Forderung ist die Aufhebung der Isolation Abdullah Öcalans. Ca. 200 Gefangene in der gesamten Türkei haben sich ihrem unbefristeten Hungerstreik mittlerweile angeschlossen. Der türkische Staat reagiert kompromisslos und verlegt Gefangene, durchsucht ständig ihre Zellen oder zwingt sie in Bunkerhaft. Auch in Deutschland haben sich in den vergangenen Wochen Hunderte Menschen an Soli-Hungerstreiks beteiligt. In Straßburg und Wales dauern unbefristete Hungerstreiks kurdischer Aktivist*innen an.

Auch, wenn die Verhältnisse in deutschen Knästen derzeitig noch nicht so repressiv sind wie in türkischen Knästen, kennen auch Gefangene in Deutschland die repressiven Mittel der Isolationshaft, Zellenrazzia, der psychischen Erniedrigung durch Bedienstete und der Unterbindung des Zugangs nach außen, zum Beispiel durch Anhalten der Post. Denn, egal um welches Land es geht: Knast hat immer die Funktion, Menschen zu unterdrücken, zu unterwerfen, sie mundtot zu machen und den Kontakt nach außen massiv einzuschränken bzw. gänzlich zu unterbinden. Dabei soll den Gefangenen weltweit vermittelt werden: ihr seid kein Teil dieser Gesellschaft, ihr seid die Ausgestoßenen und ihr dürft erst wieder Teil der Gesellschaft werden, wenn ihr euch absolut angepasst verhaltet. So wird auch für Öcalan so lange keine Freiheit in Sicht sein, wie er Gegner des derzeitigen Regimes in der Türkei ist und für eine bessere Welt kämpft.

Gefangene haben Gesetze gebrochen, sie haben die von oben auferlegten Regeln nicht befolgt und sind dementsprechend dem Staat ein Dorn im Auge: in Deutschland, der Türkei, in den USA, weltweit.

Wir, die Soligruppen der GG/BO, engagierte Gefangene und kurdische Strukturen wollen diesen Zustand des Wegsperrens und des Schweigen darüber aber nicht einfach hinnehmen. Wir wollen auf die derzeitige Proteste, die Situation in Knästen und deren Funktion aufmerksam machen – drinnen wie draußen.

Deshalb werden wir den Hungerstreik der Gefangenen in der Türkei solidarisch unterstützen – vor den Anstaltstoren und hinter Gittern. Wir rufen alle dazu auf, sich ebenfalls mit den hungerstreikenden Gefangenen in türkischen Knästen zu solidarisieren und aktiv zu werden!

Mögliche Aktionsformen:

  • die Öffentlichkeit über die Situation in türkischen Knästen informieren
  • Protestbriefe an Botschaften und Ämter schreibe
  • solidarische Grußworte an kurdische Gefangene in der Türkei schicken
  • Demonstrationen, Kundgebungen organisieren
  • kreative Aktionen gestalten.

Außerdem haben sich einzelne Gefangene dazu entschlossen, sich innerhalb des Zeitraums vom 01.02.19 – 03.02.19 am Hungerstreik der Kurd*innen solidarisch zu beteiligen.

Als Soligruppe Berlin der GG/BO werden wir Grußworte von Gefangenen an Kurd*innen sammeln und veröffentlichen, außerdem werden wir von der solidarischen Beteiligung am Hungerstreik der Gefangenen der BRD berichten.

Lasst uns zusammen kämpfen, drinnen wie draußen und solidarisch sein.

Freiheit für Öcalan, Freiheit für alle kurdischen Gefangenen, Freiheit für alle!

Von wem geht die Gewalt aus? Berichte aus der SothA der JVA Tegel

Während Gefangene hinter Gittern angeblich lernen sollen, ein Leben „ohne Straftaten zu führen“, dürfen sich Bedienstete nahezu alles erlauben – unter anderem offensichtlich auch Drohungen und Körperverletzungen an Gefangenen. Gefangene sollen dabei trotzdem die Füße stillhalten und übergriffiges Verhalten stillschweigend hinnehmen. Ein von diesem Verhalten betroffener Gefangener, wir nennen ihn folglich Kalito, aus der Sozialtherapeutischen Anstalt (SothA) der JVA Tegel, entschied sich dagegen und bat uns um die Veröffentlichung der zwei folgenden Kurzberichte:

Übergriffige Bedienstete

Keine Seltenheit in der JVA Tegel. Deswegen ist es noch einmal wichtiger, übergriffiges Verhalten zu benennen und zu reagieren. Das gestaltet sich durch die krassen Hierarchien im Knast für die Gefangenen allerdings leider oft sehr schwer bis unmöglich, wie auch die folgende Erfahrung von Kalito zeigt: dieser ging an einem Morgen in das Büro eines Beamten, um Nachfragen bezüglich seiner Arbeit als Hausarbeiter zu stellen. Die Antwort des Beamten empfand er als sehr autoritär. Ich erwiderte darauf, dass (…) er nicht mein Boss ist. Daraufhin sprang der Beamte auf und fuchtelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht rum und sagte ich soll mich verpissen und meine Fresse halten und ihn nicht sauer machen, sonst kriege ich eine von ihm.“

Kalito versuchte sich über dieses übergriffige Verhalten beschweren, ohne Erfolg. Nach etlichen Gesprächen mit dem Beamten und dem Psychologen der Anstalt kam dieser zu dem Entschluss, dass Kalito „doch über solche Bemerkungen einfach Lachen und solche Dinge nicht so groß machen“ soll.

Ibuprofen für alles

Außerdem hatte Kalito vor Kurzem eine Rippenprellung, welche ihm große Schmerzen verursachte. Während sich Menschen vor den Anstaltstoren ärztlich behandeln lassen würden, schlägt die JVA ein anderes „Heilmittel“ vor: Ibuprofen 400mg.  Egal welche körperlichen Beschwerden die Gefangenen erleiden müssen, „eine Handvoll Ibus ist alles, was wir bekommen. Egal ob Arm gebrochen, irgendwas geprellt oder einen Virus – für alle Krankheiten dieser Welt gibt es in der JVA Tegel nur ein Gegenmittel.“, so ein Gefangener der Teilanstalt II (TA II).

Kalitos Bericht reiht sich in dieses Phänomen ein.

Wenn die Ärzte keine Lust haben, schauen sie einfach weg und lassen die Gefangenen mit Schmerzen einfach allein. Ich erlebte es am eigenen Leib. Da ich eine Epilepsie habe, was auch in meiner Gefangenen-Akte steht, sind Anfälle möglich. An einen Abend bekam ich einen Anfall, die Beamten meinten, ‚lass ihn zappeln bis der Arzt kommt. Er wird Drogen genommen haben‘. Der Arzt kam nach 10 Minuten und merkte, dass ich immer weniger atmete. 40 Minuten später kam der Notarzt und musste mich wiederbeleben, da mein Herz aufgehört hatte zu schlagen. Ich wurde dann ins Krankenhaus mitgenommen.“

Durch den Anfall hatte Kalito noch tagelang Schmerzen in den Knochen und ging deswegen noch einmal zum Arzt. Überraschung: anstelle einer Nachfolgebehandlung gab es Ibuprofen 400mg und auf die Nachfrage von Kalito, weshalb die ärztliche Versorgung so miserabel sei, nur die Antwort des Arztes: „Reicht für euch Abschaum“. Zusätzlich zu den körperlichen Beschwerden sollen Beleidigungen und Diskriminierungen also ebenfalls schweigend hingenommen werden.

Wenn körperliche Beschwerden seitens der Gefangenen missachtet und nicht behandelt werden, gleicht das einer zusätzlichen Körperverletzung, weil die körperlichen Beschwerden immer gravierender und schwerer werden. „Die meisten kommen hier relativ gesund rein und gehen total krank und kaputt raus.“, so ein Gefangener aus der TA II.

Drohungen, übergriffiges Verhalten und Diskriminierungen, ausgehend von den Bediensteten, sind leider auch keine Einzelfälle in der JVA Tegel – wobei die Bediensteten auch keine Folgen für ihr Verhalten fürchten müssen. Durch die Knast Hierarchie sind sie eindeutig am längeren Hebel und können sich oft nahezu alles erlauben. „Draußen“ interessiert es ja eh niemanden, die Öffentlichkeit schreit bei Gewalt gegenüber Gefangenen selten auf.

Psychische und physische Gewalt stehen dementsprechend auf der Tagesordnung und die Bediensteten können sich ihrer Sache fast sicher sein, dass die Gefangenen über die Gewalt schweigen und sie widerstandslos hinnehmen.

Deswegen werden wir Berichte wie diese von Kalito immer wieder veröffentlichen. Um das Schweigen und die Isolation zu brechen, um Gefangenen Gehör zu verschaffen, um immer wieder die Frage zu stellen, wer in Knästen eigentlich kriminell und gewalttätig ist.

Ein besonderer Besuch in der JVA Tegel

Am 30. November 2018 besuchten wir Gefangene in der Sozialtherapeutischen Anstalt (SothA) in der JVA Tegel. Das Besondere daran: der Besuch fand nicht, wie gewöhnlich, im Besucherraum statt, sondern direkt in der SothA. Wir konnten uns zusammen mit den Gefangenen, welche wir besuchten, auf der Station und teilweise auf den Zellen frei bewegen (sofern im Knast bzw. überhaupt in dieser Gesellschaft von einer freien Bewegung, d.h. ohne Überwachung, Kontrolle und Repression, gesprochen werden kann) – Bedienstete waren zwar vor Ort, ließen uns aber weitestgehend in Ruhe.

Vor Ort tauschten wir uns über die aktuelle Situation in der JVA Tegel, vor allem der SothA, aus. Natürlich bleibt die Situation weitestgehend unverändert: korrupte Bedienstete, Teilanstalten, welche Abrisshäusern gleichen, eine mangelnde bis gar keine medizinische Versorgung, massive Repression bei kleinstem Widerstand, Psychiatrisierung der Gefangenen, Bedienstete, welche Gefangene drangsalieren, wenig bis garkeine Freizeitangebote/Ausgänge/Lockerungen, massives Wegsperren bis hin zur Isolationshaft und die ausschließliche Verabreichung von Ibuprofen bei allen möglichen körperlichen Beschwerden der Gefangenen stehen immer noch an der Tagesordnung. „Die Revolte in der SothA ist unter all diesen Missständen zu betrachten. Es ging nicht nur um die Handys, die uns weggenommen worden sind. Das hat das Fass nur zum Überlaufen gebracht.“

Die Liste, wogegen sich die Gefangenen wehren oder wehren wollen ist lang – ein neues Thema gab es allerdings doch. So beschwerten sich alle Gefangenen der SothA vor allem über den Teilanstaltsleiter Albrecht Zierep.

„Ein autoritärer Macker, der es nicht verpasst, uns jeden Tag aufs neue zu mobben, zu drangsalieren, uns die Haftzeit noch schlimmer zu machen, als sie eh schon ist. Kein Wort, was von uns kommt, nimmt er ernst, oder er verdreht unsere Aussagen so, wie es ihm passt. Mit all seinen Mitteln, die er als Teilanstaltsleiter so hat, führt das im Endeffekt meistens dazu, dass unsere Haftzeiten ewig andauern und einfach nicht enden. Ein Gefangener sollte vor Kurzem entlassen werden, das wäre sein 2/3 Termin gewesen. Alle fanden das in Ordnung : Psychologin, Ärzte, Bedienstete. Wer nicht? Albrecht! Der hat dem Gericht ein unglaublich schlechtes Urteil über den Gefangenen geschrieben – ohne Anhaltspunkte, die tatsächlich so passiert sind. In dem Bericht wurde gelogen und Aussagen vom Gefangenen so verdreht, dass Albrecht am Ende höhnisch lächeln konnte. Der Gefangene sitzt noch hier und kommt so schnell nicht raus. Für alle anderen sieht es ähnlich aus. 2/3 Haftentlassung bekommt durch Albrecht hier niemand. Und die ganze Zeit, die du dann hier absitzen musst, weiß der Typ dir noch grauenhafter zu machen, als sie eh schon ist.“

Am Tag unseres Besuchs haben wir Albrecht Zierep nicht gesehen, dafür aber viele andere Bedienstete. Wir als Soligruppe empfanden diese schon stark belastend. So empfingen wir viele missbilligende Blicke, von einigen Bediensteten wurden wir feindselig angestarrt. Das gute an unserer Situation: weil wir mit Gefangenen zusammen waren, welche gegenüber den Bediensteten öfter mal rebellieren, wurden wir weitestgehend in Ruhe gelassen und nur einmal angesprochen.

„Auf den Stress haben die jetzt gar kein Bock. Die wissen, wenn die jetzt zu uns kommen und uns anquatschen, dann wird das wieder eine fette Diskussion. Mit mir, mit den anderen Gefangenen. Weder die noch wir haben jetzt darauf Lust.“, so ein Gefangener.

Für uns lief es an dem Tag also ganz in Ordnung – obwohl wir die Bediensteten vor Ort mehr als unangenehm empfanden. Deswegen können wir nur erahnen, wir es unter der Schreckensherrschaft von Albrecht Zierep sein muss.

„Die Bediensteten, die ihr hier seht, die sind ja noch ok. Die haben keine Lust auf Stress oder Diskussionen, halten sich dann zurück. Keine Lösung für die Probleme, aber erträglicher als Zierep, der uns zusätzlich zur Haft noch mehr Probleme schafft.“, so ein Gefangener vor Ort.

Deswegen rufen wir noch einmal dazu auf, sich mit allen Gefangenen der JVA Tegel zu solidarisieren. Zeigt ihnen, dass sie nicht allein sind: schreibt ihnen Briefe, besucht sie hinter Gittern. Verantwortlichen für Repression und Knast kann ebenfalls begegnet werden.

Gefangene der JVA Bützow fordern Rücktritt des Abteilungsleiters für Justizvollzug

Gefangene der JVA Bützow haben einen Brief an Jörg Jesse, Abteilungsleiter des Justizministeriums in Mecklenburg-Vorpommern für Justizvollzug, Ambulante Straffälligenhilfe und Gnadenwesen, geschrieben, in dem sie ihn auffordern, von seinem Posten zurückzutreten.

Ausschnitt aus dem Brief der Gefangenen an Jörg Jesse

Jörg Jesse ist als Abteilungsleiter verantwortlich für die vielen Missstände in der JVA Bützow, u.a. auch für die seit dem 01.01.2017 massiv eingesunkene Gefangenenentlohnung. Deswegen haben die Gefangenen eine Verfassungsbeschwerde geschrieben – sollte der abschließende Beschluss des Gerichtes positiv ausfallen, werden sie Jörg Jesse des Betrugs bezichtigen.

Wir halten euch über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf dem Laufenden – bis dahin unterstützt die Gefangenen bei ihren Kämpfen. Schreibt ihnen und begegnet Jörg Jesse.

 

Wer ist hier kriminell?

Andreas Bach, aktiver Gewerkschaftler in der JVA Bützow und derzeitig von massiver Repression betroffen, soll, so laut Anstalt, sich nicht mehr an die Presse wenden, um „Informationen nach außen dringen zu lassen“. Von dieser „Anweisung“ hält er allerdings nichts – weswegen er im folgenden Bericht auf einen neuen Skandal aufmerksam macht. Nachrichten wie die folgende erreichen uns selten, zeigen aber noch einmal mehr denn je auf, wie korrupt Knäste in der BRD funktionieren und dass die Vorstellung, hinter Gittern säßen die „Kriminellen“ und „Bösen“ und draußen seien die „Guten“ und „Gesetzestreuen“, nicht aufgeht.

Man mag es kaum glauben, wenn Menschen draußen für Entsorgungsdienste und zur Beseitigung der Altlasten tief in die Tasche greifen müssen. Erst Recht, wenn dadurch die Trinkwasserqualität erhalten bleiben soll, die es ja zu schützen gilt.

In der JVA Bützow zumindest hat man den Umweltschutz wohl nicht so genau genommen und wenn Menschen draußen denken, dass hinter hohen Mauern einer JVA stets alles gerecht und auch rechtskonform verläuft, sollen sie nun eines Besseren belehrt werden.

In der JVA Bützow gab es in den Jahren 2011, 2012 mehrfach Anweisungen, Schutt und Altlasten sowie Zement und Farbreste in einem Ausbildungsbetrieb zu vergraben, indem man tiefe Löcher ausgehoben hatte und diese dort entsorgte. Dass diese kostengünstige Entsorgungsstrategie nun ausgerechnet von der JVA selbst vorgenommen worden ist, mag sich draußen vielleicht keiner vorstellen.

Des Weiteren liegt das Gelände der Justizvollzugsanstalt auf einem Wasserschutzgebiet. Der kleine Bützower See in der JVA Bützow verläuft zum großen Bützower See und dieser weiter in die Warnow. Motorisierte Bootsfahrten sind hier nicht gestattet, da Umwelt und Naturschutz Vorrang haben.

Vor einigen Jahren sind einige Hafthäuser und Haftbereiche neu errichtet worden. Vor dieser Errichtung musste jedoch einiges aus alten Zeiten abgerissen und entsorgt werden. Teilweise waren diese Schuttberge mit Altlasten wie Wellasbest belastet.

Um nun den kleinen Bützower See in der Haftanstalt zu verkleinern, wurde kein Kies oder genormte Erdmittel verwendet, sondern man hat hier die Schuttberge genutzt, die bei der in der JVA Bützow anfallenden Umgestaltung angefallen sind. So hat man dann Bauschutt alter Baracken und Wellasbestdächer klein geschrottet und damit die Verkleinerung des in der JVA gelegenen Sees aktiv voran getrieben.

Es werden also von dem kleinen Bützower See bei Starkregen Bestandteile in den großen abgeleitet und weiter in die Warnow gespühlt. Dabei ist nochmal wichtig zu betonen: das Gelände der JVA stellt, ebenso wie der große Bützower See, ein Wasserschutzgebiet dar!

Nun stellt sich aber auch noch die Frage, woher die JVA Bützow ihre Abrechnungen und Belege für eine fachgerechte Entsorgung hat und wo die Gelder geblieben sind, die nie dafür gebraucht wurden? Diese sind in kuriosen Rechnungsstellen und Firmengeflechten verschwunden und bis heute ist noch nicht ganz geklärt, wer diese Deckelung stillschweigend genutzt hat und wer davon profitiert. Klar ist aber, dass die Mitarbeiter*innen der JVA Bützow damit verwickelt sein müssen, denn solch eine Entsorgung kann nur mit ihnen selbst umgesetzt werden.

Im Übrigen steht jetzt an dem mit Bauschutt verkleinerten See in der JVA Bützow das Sicherungsverwahrtenhaus. Wer hat hier profitiert?

Mehrere Gefangene aus der JVA Bützow zu diesem Bericht: In meiner Haftzeit im Jahre 2012 wurde ich angehalten, für die Entsorgung von Schutt, Farbresten, Schrott und Altlasten im Ausbildungsbetrieb ZAB der JVA Bützow Löcher zu graben und diese Abfälle dort zu beseitigen (…). Unter den entsorgten Stoffen waren: Zement, Kalk, Bindemittel, Kleber, Lackfarben, alte Farbrollen, Latexgrund, Schrott und Plastik sowie alte Welldachbeläge.

Wir haben diesen Bericht nicht veröffentlicht, um rechtlich gegen korrupte Bedienstete vorzugehen oder einen juristischen Weg anzustoßen, sondern um aufzuzeigen, dass der Begriff der „Kriminalität“ unterschiedlich gewertet werden kann. Je nachdem, wer den Begriff nutzt und ihn auf andere Menschen stülpt, kann sich die Bedeutung ändern. Während der Staat diejenigen, welche hinter Gittern sitzen, als „kriminell“ bezeichnet, weil sie zum Beispiel Eigentum missachtet haben, sich genommen haben, was ihnen zusteht oder konsumiert haben, worauf sie Lust hatten, würden wir an dieser Stelle eher den Staat in Form der ausführenden Justizbeamten als kriminell bezeichnen, weil sie die Gesundheit von vielen Menschen und die Umwelt gefährden, für ihre Machenschaften Gefangene ausnutzen, sich daran noch finanziell bereichern und schlussendlich weiter Knäste bzw. in diesem Fall eine Sicherungsverwahrung bauen.

Mit diesem Bericht sollte hinterfragt werden, wer eigentlich im Knast sitzt und vor allem, wer und wieso nicht. Draußen verhalten sich nicht alle gesetzestreu, weggesperrt werden trotzdem nur bestimmte Menschen. 

Wer ist also kriminell? Für uns ganz klar der Staat und seine ausführende Gewalt.

Für die Abschaffung aller Knäste und die Freilassung aller Gefangenen.

Massive Repression nach unserem Besuch in der JVA Bützow

Leider erreichte uns die Nachricht, dass unser Treffen mit Andreas Bach in der JVA Bützow am 30.10.18 vonseiten der JVA nicht unbeantwortet blieb.

„Am heutigen Tage ist dann, nach dem Besuch der Soligruppe der Gefangenen-Gewerkschaft, bei mir Entsetzen eingetreten, da ich erfahren habe, dass man wegen der Berichterstattung* über die zutreffenden Zustände in der Justizvollzugsanstalt Bützow bei Herrn Z.U. [Name zur Anonymisierung geändert, Anmerkung Soligruppe] alle Ausgänge gestrichen hat. Zudem wurde es mir und Z.U ab sofort untersagt, Kontakt zu dem NDR zu unterhalten. (…) Die Anweisung führte die Hausleiterin Anyschewsky und stellvertretende Anstaltsleiterin Katja Ellenrieder auch so aus.“, so Andreas Bach, Gefangener aus der JVA Bützow.

Die genaue Anweisung lautet wie folgt: „Herr Bach und Herr Z.U. wird untersagt, sich weiterhin und in jeder Form mit dem NDR und anderen Medienhäusern in Verbindung zu setzen, Interviews zu geben, um zu verhindern, Informationen nach außen dringen zu lassen.“

Andreas setzt sich seit geraumer Zeit für die Gefangenen der JVA Bützow ein. Zusammen mit Z.U., ebenfalls Gefangener der JVA Bützow und dem NDR skandalisiert er die Verhältnisse hinter Gittern – der JVA offensichtlich ein Dorn im Auge. Deswegen wurden Z.U. nun alle Lockerungen aberkannt. Weiterhin ist, so Z.U. selbst, „mir nach einer Berichterstattung des NDR mein Haftraum unsachgemäß durchsucht worden, auch der von Herrn Andreas Bach. Ein solches Verhalten verurteile ich auf das Allerschärfste.“

Zellendurchsuchungen, Kontaktverbot zu Medien und Einschüchterung der Gefangenen? Nicht mit den Gefangenen der JVA Bützow. Z.U. hierzu ganz klar: „Diese rechtswidrige Anweisung werde ich natürlich nicht befolgen.“

Andreas Bach weißt in dem Zusammenhang auf die Aushebelung der Grundgesetze für Gefangene hin: „Es gibt sowas wie Meinungs- und Informationsfreiheit, Art. 5 Grundgesetz. Das gilt auch für uns hier, hinter Gittern. Das muss die JVA akzeptieren, wir werden nicht aufhören, an die Öffentlichkeit zu gehen.“

Dass die Anweisung der JVA direkt nach unserem Besuch erfolgte, bewerten wir nicht als Zufall – auch deswegen ist unsere Solidarität mehr denn je gefragt. So wie Andreas und Z.U. an die Öffentlichkeit gegangen sind ist es nun enorm wichtig, ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind. Schreibt deswegen  Andreas Bach an

Kühlungsborner Str. 29a I 18246 Bützow.

Falls ihr dem Gefangenen Z.U. schreiben wollt, kontaktiert gerne uns. Wir leiten den Brief dann weiter.

Kontaktiert außerdem die Verantwortlichen Bediensteten in der JVA und teilt ihnen mit, was ihr von Zellendurchsuchungen, Einschränkung der Medien- und Pressefreiheit und Knast haltet. Solidarität mit allen Gefangenen!

*Berichterstattung des NDR:

 

Stellvertretend für die Gefangenen: Justizministerien in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein aufgesucht

Wir, die Soligruppe Berlin der GG/BO und ehemalige Gefangene aus der JVA Neumünster, haben gestern die Justizministerien von Schleswig-Holstein (in Kiel) und Mecklenburg-Vorpommern (in Schwerin) aufgesucht, um den Verantwortlichen für die miserablen, menschenunwürdigen, diskriminierenden und repressiven Zustände in der JVA Neumünster und Bützow zu begegnen. Leider ohne Erfolg – die Zuständigen für den Justizvollzug, Sabine Sütterlin-Waack (Justizministerin Schleswig Holstein) und Jörg Jesse (Abteilung Justizvollzug Mecklenburg-Vorpommern), waren in beiden Ministerien, also an ihren Arbeitsplätzen, nicht auffindbar. Die Forderungen der Gefangenen haben wir trotzdem vor Ort hinterlassen.

Markus Richter und Fabian Waterstraat vor dem Justizministerium in Kiel.

Für den Besuch im Justizministerium in Kiel hatte Fabian Waterstraat (Ex-Gefangener Neumünster) zuvor noch eine Anfrage gestellt, welche das Ministerium wie folgt beantwortete:

die Versorgung und Betreuung der Gefangenen des Landes sind allen im Vollzug Tätigen ein besonderes Anliegen. Alle Bediensteten der Justizvollzugsanstalten gewährleisten dies, zudem sind im Landesstrafvollzugsgesetz Wege und Möglichkeiten für Inhaftierte festgelegt, Anliegen vorzubringen und für Abhilfe zu erwirken. Einzelfälle werden jeweils auf örtlicher Ebene bearbeitet, es bestehen Möglichkeiten der Beschwerde, Petition und von Rechtsmitteln. Die Gefangenen haben außerdem die Möglichkeit, Vertretungen zu wählen, die in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse Vorschläge und Anregungen an die Anstalt unterbreiten. (IVG, § 139 LstVollzG). Insofern wird ein Gespräch der Ministerin mit Ihrer Organisation, bei der es sich nicht um eine Gewerkschaft im Sinne des Art.9 des GG handelt, nicht für angezeigt gehalten.“

Fabian Waterstraat hierzu: „Das sehen die Gefangenen der JVA Neumünster allerdings anders. Sie können nicht bestätigen, dass es für die Gefangenen Wege und Möglichkeiten gibt, Anliegen vorzubringen oder Abhilfe zu erwirken.“ Markus Richter, ebenfalls ehemaliger Gefangener aus der JVA Neumünster, weiter: „Dass es angeblich Möglichkeiten der ‚Beschwerde, Petition und von Rechtsmitteln‘ gibt, ist ja wohl ein Witz. Und selbst wenn sich Gefangene im Knast beschweren, hört denen doch keiner zu. Eine Vertretung haben die Gefangenen aber deswegen tatsächlich gewählt: die GG/BO. Die meint das Justizministerium bei ihrer Antwort sicherlich nicht – sie ist aber für die Interessen der Gefangenen absolut wichtig!“

Die Gefangenen der JVA Neumünster wehren sich derzeitig gegen:

  • den massiven Einschluss von oft bis zu 23 Stunden, also der faktischen Isolationshaft,

  • die schlechte medizinische Versorgung bei körperlichen Beschwerden und gleichzeitige Psychiatrisierung der Gefangenen,

  • die massive Repression bei kleinstem Widerstand,

  • Repression und Drangsalierungen seitens der Bediensteten,

  • die langen Haftstrafen (keine Entlassung nach 2/3 der abgesessenen Strafhaft).

Wenn es um die Belange der JVA geht, ist eine zügige Kommunikation mit dem Justizministerium in Kiel möglich. Immer, wenn wir Namen von Bediensteten öffentlich benannten, welche Gefangene schikanieren, drangsalieren oder repressiv behandeln, meldete sich das Justizministerium umgehend bei uns mit der Drohung, die Nutzung von Klarnamen von Mitarbeiter*innen zu unterlassen, ansonsten würden sie rechtlich gegen uns vorgehen. Wenn wir aber mit dem Justizministerium über die Belange der Gefangenen sprechen wollen, ist eine Kontaktaufnahme unmöglich. Das wundert uns zwar nicht, „aber es macht uns noch wütender, als wir eh schon sind“, so Fabian.

In Bützow sieht die Lage hinter Gittern ähnlich aus. Hier wehren sich die Gefangenen gegen:

  • den viel zu geringen Lohn (ca. 1,24 Euro die Stunde),

  • die schlechte medizinische Versorgung,

  • den massiven Einschluss von oft bis zu 23 Stunden, also der faktischen Isolationshaft.

Sie fordern die Gewährung von Lockerungen, Freilassung der Gefangenen nach 2/3 der abgesessenen Strafhaft, Suchtberatung und Therapien, Freizeitangebote (es gibt gar keine mehr) und Entlassungsvorbereitung, das heißt für jeden Gefangenen, welcher entlassen wird, die sofortige Bereitstellung einer Mietwohnung und die sofortige finanzielle Übernahme des Jobcenters.

Andreas Bach, welchen wir gestern ebenfalls in der JVA Bützow besucht haben, hierzu: „Leider ist es hier völlig normal, dass Gefangene entlassen werden und sofort in die Obdachlosigkeit und finanzielle Not geraten, denn es gibt ja keine Entlassungsvorbereitung. Wohnungen werden nicht gesucht, das Jobcenter nicht kontaktiert. Zusätzlich pfändet die JVA die Konten aller Gefangenen, welche Gerichtsschulden haben, was hier etwa 70 % sind. Heißt du kommst hier raus mit etwa 20 Euro in der Tasche, wenn überhaupt, hast keine Wohnung und bekommst kein ALG II. Wenn du richtig Pech hast, bist du auch noch körperlich geschädigt, seit einem Monat haben wir hier drin nämlich gar keinen Arzt mehr. Wenn du körperliche Beschwerden hast, musst du einen Antrag auf einen Arztbesuch stellen – dass der Antrag und die Genehmigung ewig dauern, wenn sie überhaupt mal kommt, versteht sich von selbst.“

Andreas Bach engagiert sich innerhalb der GG/BO, setzt sich für die Gefangenen der JVA Bützow ein, hilft ihnen bei bürokratischen Problemen und ist der Anstalt dementsprechend ein Dorn im Auge. Nachdem er die Zustände zusammen mit dem NDR skandalisiert hatte und dementsprechend eine breite Öffentlichkeit über die Situation hinter Gittern informierte, wurde seine Zelle von der Anstalt durchsucht. Davon lässt sich Andreas aber nicht einschüchtern. „Wir werden hier drin weiter kämpfen – der Laden hier geht gar nicht, es muss ganz dringend etwas passieren.“

Wir werden uns jederzeit solidarisch mit den Gefangenen der JVA Neumünster und Bützow zeigen, ihre Kämpfe unterstützen und Verantwortliche für die Zustände benennen – solange, bis alle Knäste abgeschafft worden sind.

 

Zellenrazzia JVA Tegel – kein Einzelfall

Zellendurchsuchungen sind im Knast, vor allem in der JVA Tegel, Alltag der Gefangenen: um sie einzuschüchtern, zu schikanieren, drangsalieren oder um den Gefangenen das Leben hinter Gittern noch unerträglicher zu machen, als es eh schon ist. Dass diese Razzien völlig willkürlich und absurd sind, zeigt folgender kurzer Bericht, welchen wir auf Wunsch eines Gefangenen der JVA Tegel veröffentlichen:

Der Betroffene wurde beschuldigt, Drogen in seiner Zelle zu besitzen. Die JVA zeigte ihn an, woraufhin seine Zelle durchsucht worden ist. Gefunden wurde tatsächlich etwas – trotz dessen wurde der Gefangene nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft für unschuldig befunden. Grund? Der angebliche Drogenfund war lediglich Tortenguss.

Der Gefangene ist sich sicher, dass es sich um Schikane seitens der JVA handelt, denn obwohl keine Drogen gefunden worden sind, wurde gegen den Betroffenen ein offenes Verfahren eingeleitet und ihm deswegen schlussendlich keine Haftlockerung gewährt.

Ich kann mir vorstellen, dass das Motiv der JVA-Tegel darin besteht, dass ich mit dieser falschen Beschuldigung und Verleumdung ein offenes Verfahren haben soll und mir deswegen keine Haftlockerung gegeben wird und ich so die Endstrafe machen muss.“

Gefangene so lang wie möglich hinter Gittern halten als Motiv der Zellendurchsuchung? Leider kein Einzellfall. Gefangene sehen sich täglich damit konfrontiert, durchsucht werden zu können. Eine „Begründung“ wird sich die JVA dafür schon einfallen lassen.

Knast isoliert Menschen aus der Gesellschaft, soll zu einem angepassten Leben zwingen und nimmt jegliches Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Knast ist massive Repression, der JVA und damit dem Staat aber offensichtlich noch nicht genug: um Menschen noch mehr zu drangsalieren, zu unterdrücken und mundtot zu machen, lassen sich Bedienstete immer wieder Mittel einfallen, welche das Leben hinter Gittern noch einschneidender gestalten, als es eh schon ist. Zellendurchsuchungen sind eines von vielen repressiven Mitteln, welche im Knast angewandt werden.

Um den Betroffenen zu zeigen  das sie nicht allein sind, ist es wichtig, sich jederzeit solidarisch zu zeigen. Schreibt deswegen den Gefangenen der JVA Tegel. Schickt uns Solibriefe, wir werden sie weiterleiten.

Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation I c/o Haus der Demokratie und Menschenrechte I Greifswalderstraße 4 I 10405 Berlin

Oder schreibt an berlin@ggbo.de

Wie es zur Revolte in der SothA kam – Berichte von Gefangenen der JVA Tegel

Gefangene aus der JVA Tegel haben uns vor ein paar Tagen zugetragen, wie und warum es zu der Revolte in der SothA  (Sozialtherapeutische Anstalt) am 12.10.18 kam. Zwar ist die JVA Tegel schon seit Langem dafür bekannt, baulich und technisch einem Abrisshaus zu gleichen, den Gefangenen Grundgesetze und Menschenrechte zu verwehren, sie zu verwahren, isolieren und drangsalieren und jeden kleinen Widerstand mit massiver Repression zu beantworten, allerdings haben sich die Ereignisse in der letzten Zeit noch mehr! zugespitzt, sodass „die Gefangenen die Nase einfach voll haben“*.

In der SoThA (für Therapien ausgelegt!) stellen sich, so die Gefangenen, folgende Probleme dar:

Es gibt keine Therapeuten, lediglich Student*innen, welche „die Gefangenen als Studienobjekte betrachten und sie dementsprechend behandeln“. „Wir sind hier die Versuchskaninchen für irgendwelche Hausarbeiten oder Bachelorarbeiten der Studis.

Unter anderem in diesen Zusammenhang beklagen sich die Gefangenen über eine schlechte medizinische Versorgung. „Ich war gesund als ich hier angekommen bin und jetzt bin ich der Totalschaden.“ Konkret gemeint ist vor allem die falsche oder überdosierte Medikamentation. „Entweder bekommst du hier für jedes Problem Ibuprofen, unabhängig davon, was du hast, oder du bekommst krasse Psychopharmaka reingedrückt, die die Leute völlig bekloppt machen. Zusätzlich bekommen die Gefangenen hier völlig falsches Essen – es gibt zum Beispiel seit geraumer Zeit kein Diabetikeressen mehr. Das Resultat ist ja klar: körperlich wirklich schlimme Zustände.

Außerdem beklagen sich die Gefangenen darüber, dass die Ausbildungsplätze teilweise nur dafür geschaffen werden, damit die Auszubildenden der JVA Tegel einen Nutzen bringen. Die in der JVA angebotenen Ausbildungsplätze haben draußen also keine Zukunft. So stehen die Gefangenen bei der „Holz-Mechaniker-Ausbildung“ zum Beispiel „8 Stunden am Tag am Fließband und schieben Holz durch irgendwelche Maschinen – mehr nicht. Und mehr werden sie auch nicht mehr ‚lernen‘.“

Dass es in der JVA Tegel enorm an Personal mangelnd, weil sich einige dauerkrank melden, einige Stellen auch gar nicht mehr besetzt sind und „das Personal, welches vor Ort ist signalisiert, dass sie gar keinen Bock auf die Menschen dort und ihren Job haben“ ist zwar schon ewig bekannt, neu ist allerdings, dass aktuell Praktikant*innen eingesetzt werden, um die Lücken des Personalmangels zu füllen. Und vor allem dieser Umstand, in Verbindung mit den oben genannten Gründen, lässt die SothA Revolte wie folgt erklären:

Selbstverständlich werden hier unsere Zellen oft durchsucht und dafür gibt es fest geschriebene Vorgehensweisen. Diese werden den Praktikanten aber offensichtlich nicht mitgeteilt. Deswegen werden die Durchsuchungen entweder oberflächlich durchgeführt (vermutlich weil die Praktikanten, jedenfalls haben wir das Gefühl, Angst vor uns haben) oder die Praktikanten übertreiben es völlig, weil sie Angst vor Anschiss seitens der Leitung der JVA haben. So war es auch am besagten Tag in der SothA. Mehrere Praktikanten durchsuchten die Zellen völlig überzogen und fanden dabei mehrere Handys, welche dann entnommen worden sind. Das hat die Gefangenen natürlich richtig wütend gemacht. Vielleicht für die, die das draußen nicht verstehen: der Telefonanbieter hier drin (Telio) ist viel zu teuer, den kann sich keiner leisten. Vor allem wenn du dann Familie im Ausland hast, was hier bei einigen der Fall ist, schießen die Telefonpreise in die Höhe. Deswegen ist es für viele Gefangene super wichtig, ein Handy zu haben – um Kontakt nach draußen, zu ihren Freunden und Familien halten zu können. Naja, und kurz um: dass dieser Kontakt jetzt unterbunden wurde, weil irgendwelche Praktikanten Schiss vor der Leitung haben und deswegen die Zellen haargenau durchsuchen, dass hat das Fass zum überlaufen gebracht. Hier drin läuft alles scheiße. Wenn du dann nicht mal mit deinen Liebsten draußen reden kannst, hast du doch eigentlich nichts mehr. Wir haben die Zustände hier alle satt – der Kontaktabbruch nach draußen hat es dann eskalieren lassen.

Gefangene wehrten sich also, in Form einer Revolte, weil die Zustände schon lange nicht mehr hinnehmbar sind. Die Chance, dass Praktikant*innen vor Ort sind, „die offensichtlich keine Ahnung haben, wie der Laden läuft“, wurde von den Gefangenen genutzt. Wir als Soligruppe der GG/BO befürworten einen solchen Aufstand bzw. diese Methode des Kampfes und sind jederzeit bereit, die Gefangenen bei weiteren Aktionen zu unterstützen. Allerdings wurde uns auch zugetragen, dass das Personal einer solchen Revolte auch nicht ablehnend gegenüber steht. Sogar körperliche Angriffe würden vom Personal begrüßt werden.

Das oberste Ziel eines Beatmen ist es, sich von einem Gefangenen verprügeln zu lassen, denn dann können sie immer auf Trauma und Arbeitsunfähigkeit plädieren.

Offensichtlich können die Kämpfe der Gefangenen für die Freiheit und das würdevolle Leben und die Kämpfe der Bediensteten für Erwerbslosigkeit also zusammengeführt werden. Wir würden es ebenfalls gut finden, wenn Bedienstete nicht mehr im Knast arbeiten, in diesem Sinne:

lasst die Lohnarbeit sausen, bleibt zu Hause oder macht Urlaub, öffnet die Tore und lasst die Gefangenen frei!

*Die Zitate sind Wortlaute von Gefangenen aus der JVA Tegel/SothA, welche anonym bleiben wollen, weil sie sonst Repressalien fürchten.