Im Folgenden einige kämpferische Worte eines Gefangenen aus Neumünster für das kommende Jahr. Geht heute und auch an jedem anderen Tag vor die Knäste, seit laut und macht ordentlich Krach, um euch solidarisch mit den Gefangenen zu zeigen. Bundesweit und international gibt es mehrere Aufrufe, Silvester vorm Knast zu verbringen. Für Berlin ist der Treffpunkt Dorfplatz – Friedrichshain um 22:30 Uhr – und dann gehts ab zum Knast Lichtenberg!
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Ergänzung zum Hungerstreik der kurdischen Gefangenen in der Türkei – wie sich Gefangene solidarisieren
Wie wir bereits vermutet hatten, haben uns in der letzten Zeit weitere Briefe von Gefangenen erreicht, welche sich im Aktionszeitraum vom 01.02-03.02.19 mit dem Hungerstreik der Gefangenen in der Türkei solidarisierten. Dass wir die Post erst so spät empfangen liegt vor allem daran, dass die Knäste immer wieder versuchen, unsere schriftliche Kommunikation mit den Gefangenen zu unterbinden.
Im Zeitraum vom 03.02.-25.02.19 erreichten uns noch einmal viele Protestschreiben aus der JVA Chemnitz, München und Neumünster an den Europarat in Straßburg, in welchen die Gefangenen fordern, dass das CPT Öcalan auf Imrali besucht. Insgesamt haben wir (bis jetzt) 60 Protestschreiben erhalten. Aufgrund der Repressalien, welche die Gefangenen zu befürchten haben, wenn sie sich mit den streikenden Gefangenen in der Türkei solidarisieren, wollen viele nicht namentlich genannt werden. Fabian Waterstraat aus der JVA Neumünster teilte uns allerdings mit, dass wir seinen Namen und seine Positionierungen jederzeit der Öffentlichkeit zugänglich machen können – er hat ebenfalls Protestschreiben versandt, innerhalb seines Knastes andere Gefangene dazu aufgerufen, sich an solidarischen Aktionen zu beteiligen und wünscht den Gefangenen in der Türkei viel Kraft!
Wir werden berichten, wenn uns weitere Briefe von Gefangenen erreichen.
Hungerstreik der kurdischen Gefangenen in der Türkei – wie sich Gefangene und Nicht-Gefangene solidarisieren
Wie wir angekündigt hatten, solidarisieren sich vom 01.02-03.02.19 mehrere Gefangene und Nicht-Gefangene mit den Hungerstreik der Gefangenen in der Türkei.
Als Soligruppe Berlin der GG/BO schlugen wir mehrere Aktionsformen vor den Anstaltstoren und für Menschen hinter Gittern vor. Diese wurden teilweise umgesetzt, nachfolgend listen wir auf, wie sich beteiligt wurde:
Protestschreiben
Viele Gefangene und Nicht-Gefangene fordern, dass das CPT Öcalan auf Imrali besucht. Dafür wurden Protestschreiben an den Europarat nach Straßburg versandt. Weil leider viele Gefangene Repressalien fürchten, können an dieser Stelle nicht alle benannt werden, welche sich an der Aktionsform beteiligten. Vor allem aber etliche Gefangene aus der JVA Chemnitz, Neumünster und Rosdorf haben zurückgemeldet, dass Protestschreiben an den Europarat geschickt wurden. Genannt werden wollen Peter Reitenbach (Gefangener JVA Neumünster) und Sven Herhold (JVA Rosdorf).
Solidarische Grüße an kurdische Gefangene in der Türkei und Deutschland und Beteiligung am solidarischen Hungerstreik
Die GG/BO-Soligruppe Jena organisierte anlässlich des Hungerstreiks eine Briefschreibwerkstatt für die Gefangenen des türkischen Regimes in Deutschland. Etwa zehn Menschen kamen zusammen und schickten Briefe an einige derer, die wegen angeblicher Mitgliedschaft oder Unterstützung der PKK, DHKP-C und TKP/ML in deutschen Gefängnissen sitzen.
Sandra, eine Gefangenen-Gewerkschafterin aus der JVA Chemnitz, hat ein Solidaritätsschreiben verfasst und angekündigt, dass sie sich am solidarischen Hungerstreik beteiligt:
Liebe kurdische Gefangene, liebe Gefangene aller Art!
Denn egal welcher Kultur oder Landessprache wir angehören, wir haben alle eins gemeinsam: „WIR SIND MENSCHEN, WERDEN ABER NICHT SO BEHANDELT!“ Von den tollen Rechtsstaaten, in denen wir eingesperrt sind, werden Menschenrechte mit Füßen getreten.
Als ich das Schreiben der GG/BO-Soligruppe Berlin erhalten habe, war ich mehr als nur sauer, traurig, alles an Gefühlen kam zusammen.
Ich selbst bin auch Gefangene und möchte Euch Mut zusprechen. Niemals aufzugeben!!! Kämpft und seid stark und ich weiß, das fällt arg oft nicht leicht. Aber wenn wir aufgeben, gewinnen die! Und das wollen wir nicht! Und dürfen wir nicht zulassen! Ich beteiligte mich am Hungerstreik als Zeichen der Solidarität.
Ich, Sandra W., fordere hiermit die türkischen Behörden auf, die totale Isolation gegen Öcalan sofort aufzuheben! Und die Haftbedingungen in Deutschland, Türkei, USA, in allen Ländern zu überdenken, zu lockern. Wir sind Menschen und haben Rechte, egal ob vor oder hinter den Mauern!
Freiheit für alle! Wegsperren, Schikanieren, Mangelnde bis keine Unterstützung ist keine Lösung!
JVA Chemnitz, 26.01.2019
Etwa 40 Gefangene aus der JVA Tegel haben sich zusammengeschlossen und eine solidarische Botschaft an die kurdischen Gefangenen in der Türkei, insbesondere Abdullah Öcalan, verfasst. Auch hier befürchten viele Gefangene Repressalien, weswegen an dieser Stelle nicht alle benannt werden können, welche sich an der Aktionsform beteiligten. Fünf Gefangene sind allerdings bereit, mit ihrem Namen an die Öffentlichkeit zu gehen:
Unsere schriftliche Kommunikation mit Gefangenen wird durch die Knäste immer wieder zu unterbinden versucht, weswegen wir davon ausgehen, dass uns in der nächsten Zeit noch weitere solidarische Grüße erreichen werden. Wir werden, sobald wir sie empfangen haben, berichten.
Solidarität mit dem Hungerstreik der kurdischen Gefangenen in der Türkei!
In türkischen Gefängnissen werden Gefangene tagtäglich in Isolationshaft gehalten, sie werden willkürlich in andere Haftanstalten verlegt und immer wieder brutal gefoltert. Zehntausende kurdische und türkische Gegner des türkischen Regimes sind in der Türkei in Haft, weil sie gegen den Diktator Erdogan protestiert haben. Der türkische Staat versucht durch Folter und Isolationshaft die Menschen in Haft zu brechen und ihnen ihre Widerstandskraft zu nehmen. Am härtesten trifft es den kurdischen Politiker und Philosophen Abdullah Öcalan. Er wird seit 1999 auf der Gefängnisinsel Imrali in der Nähe von Istanbul gefangen gehalten. Seit 2011 wird seinen Anwälten der Zugang zu ihm verwehrt. Seit April 2015 sitzt Öcalan in Totalisolation. Niemand darf ihn besuchen, Briefverkehr wird ihm untersagt, er hat keinen Zugang zu Fernsehen, Zeitung und Telefon.
Am 7. November 2018 begann die kurdische Politikerin Leyla Güven einen unbefristeten Hungerstreik im Gefängnis der Stadt Diyarbakir. Ihre einzige Forderung ist die Aufhebung der Isolation Abdullah Öcalans. Ca. 200 Gefangene in der gesamten Türkei haben sich ihrem unbefristeten Hungerstreik mittlerweile angeschlossen. Der türkische Staat reagiert kompromisslos und verlegt Gefangene, durchsucht ständig ihre Zellen oder zwingt sie in Bunkerhaft. Auch in Deutschland haben sich in den vergangenen Wochen Hunderte Menschen an Soli-Hungerstreiks beteiligt. In Straßburg und Wales dauern unbefristete Hungerstreiks kurdischer Aktivist*innen an.
Auch, wenn die Verhältnisse in deutschen Knästen derzeitig noch nicht so repressiv sind wie in türkischen Knästen, kennen auch Gefangene in Deutschland die repressiven Mittel der Isolationshaft, Zellenrazzia, der psychischen Erniedrigung durch Bedienstete und der Unterbindung des Zugangs nach außen, zum Beispiel durch Anhalten der Post. Denn, egal um welches Land es geht: Knast hat immer die Funktion, Menschen zu unterdrücken, zu unterwerfen, sie mundtot zu machen und den Kontakt nach außen massiv einzuschränken bzw. gänzlich zu unterbinden. Dabei soll den Gefangenen weltweit vermittelt werden: ihr seid kein Teil dieser Gesellschaft, ihr seid die Ausgestoßenen und ihr dürft erst wieder Teil der Gesellschaft werden, wenn ihr euch absolut angepasst verhaltet. So wird auch für Öcalan so lange keine Freiheit in Sicht sein, wie er Gegner des derzeitigen Regimes in der Türkei ist und für eine bessere Welt kämpft.
Gefangene haben Gesetze gebrochen, sie haben die von oben auferlegten Regeln nicht befolgt und sind dementsprechend dem Staat ein Dorn im Auge: in Deutschland, der Türkei, in den USA, weltweit.
Wir, die Soligruppen der GG/BO, engagierte Gefangene und kurdische Strukturen wollen diesen Zustand des Wegsperrens und des Schweigen darüber aber nicht einfach hinnehmen. Wir wollen auf die derzeitige Proteste, die Situation in Knästen und deren Funktion aufmerksam machen – drinnen wie draußen.
Deshalb werden wir den Hungerstreik der Gefangenen in der Türkei solidarisch unterstützen – vor den Anstaltstoren und hinter Gittern. Wir rufen alle dazu auf, sich ebenfalls mit den hungerstreikenden Gefangenen in türkischen Knästen zu solidarisieren und aktiv zu werden!
Mögliche Aktionsformen:
- die Öffentlichkeit über die Situation in türkischen Knästen informieren
- Protestbriefe an Botschaften und Ämter schreibe
- solidarische Grußworte an kurdische Gefangene in der Türkei schicken
- Demonstrationen, Kundgebungen organisieren
- kreative Aktionen gestalten.
Außerdem haben sich einzelne Gefangene dazu entschlossen, sich innerhalb des Zeitraums vom 01.02.19 – 03.02.19 am Hungerstreik der Kurd*innen solidarisch zu beteiligen.
Als Soligruppe Berlin der GG/BO werden wir Grußworte von Gefangenen an Kurd*innen sammeln und veröffentlichen, außerdem werden wir von der solidarischen Beteiligung am Hungerstreik der Gefangenen der BRD berichten.
Lasst uns zusammen kämpfen, drinnen wie draußen und solidarisch sein.
Freiheit für Öcalan, Freiheit für alle kurdischen Gefangenen, Freiheit für alle!
Folge3 „Operation Fénix“ im Frühling 2015
„Zeigen wir, dass das Miteinander mehr ist als die Gesetze. Zeigen wir, dass die Solidarität in unseren Herzen lebt…“ (Martin Ignacak)
Wie schon in der zweiten Folge geschrieben, begann die „Operation Fénix“ am frühen Morgen des 28. April 2015 mit Razzien in der gesamten Tschechischen Republik. Unsere Genoss*innen berichteten:
„Entweder dachte sich die Polizei irgendwelche ‚Fakten‘ aus oder sie vertuschte wichtige reale Fakten, damit sie die Erlaubnis zu den Hausdurchsuchen und den Haftbefehlen bekommen konnte.“
Die tschechischen „(Links)Extremist*innen“ wurden in diesen Tag wiedergeboren: es wurde über die Razzien „gegen Extremisten“ geschrieben und gesprochen und dieser Begriff wurde im Lauf der „Operation Fénix“ immer wieder benutzt. Dazu merkte Lukas Borl, ein Betroffener der Razzien, an:
„Der Staat hat Angst, dass Menschen durch die anarchistischen Ideen inspiriert werden könnten, deswegen verwendet er die Begriffe wie ‚Extremisten‘, damit er die emanzipatorische Idee des Anarchismus brechen kann. Der Staat will, dass die Anarchist*innen für die ganze Gesellschaft eine Gefahr darstellen. Wir sind gefährlich für den Staat, aber nicht für die, welche vom Staat gezwungen werden, sich zu beugen und sich einem unwürdigen Überleben im Kapitalismus anzupassen.“
Die Nachrichten vom 28. April 2015 informierten außerdem über ein gefundenes „explosives System“ in einer Wohnung in Brno, weswegen dann eine ganze Platte „in der Nähe von einer Kita“ evakuiert wurde. Diese Evakuierung gab der „Operation Fénix“ einen besonderen „Glanz der Gefahr“.
Durch die Operation wurden auch die tschechische „Terrorist*innen“ geboren. Im Mai 2015 wurde klar, dass zwei staatliche Agenten die anarchopazifistische Gruppe (VAP – Voice of Anarchopacifism) infiltrierten, an Treffen teilnahmen und versuchten, die Gruppe zur Militanz zu bewegen, damit es einen Grund für die Repression gegen eine ganze Bewegung geben konnte.
Martin Ignacak schrieb im Brief aus dem Knast: „Sie wollten den Terrorfall haben, so machten sie ihn.“
Der Rechtsanwalt von Martin ergänzte: „Wenn mein Klient die polizeilichen Agenten nicht getroffen hätte, wäre er nie in diese Probleme gekommen.“
Trotz polizeilichem Informationsembargo informierten die Medien noch lange nach dem 28.April 2015 über das „Hauptziel der Fénixaktion“: es sollte nicht nur um die Vernichtung eines Angriffes gehen, sondern vor allem die Entdeckung und Vernichtung einer aufständischen-anarchistischen Plattform (Gruppe Sit revolucnich bunek, kurz SRB, deutsch: die Vernetzung der revolutionären Zellen) wurden zum erklärten Ziel. Die Sabotagen und Brandanschläge gegen Polizei und Kapitalist*innen liefen aber im Frühling 2015 weiter, sogar mit erhöhter Frequenz.
Besonderes bitter und grausam war vor allem die Rolle der Medien bei der Belästigung der Verwandten unserer Genoss*innen. In einem Gespräch erzählte die Schwester von Martin Ignačák, wie sie erfuhr, dass ihr Bruder in den U-Knast kam und über ihre ersten Reaktionen:
„Ich vernahm es erst, als mich eine Journalistin kontaktierte, die mir sagte, dass mein Bruder „ein Terrorist“ sei. In dem Moment war ich bei der Arbeit. Ich werde diesen Tag nie vergessen. Ich musste nach Hause gehen, die Verzweiflung holte mich ein. Ich wollte es zuerst meiner Mutter sagen. Es ist unmöglich zu beschreiben, welche Panik bei ihr diese Nachricht auslöste…“
Am Ende des Frühlings 2015 wurden drei Menschen für die Vorbereitung des Terrorangriffes beschuldigt: Petr Sova, Martin Ignacak und Alexandra Scambova. Katarina Zezulova und Radka Pavlovska wurden dafür beschuldigt, von dem Plan angeblich gewusst, ihn aber bei der Polizei nicht gemeldet zu haben. Ales Koci wurde für nicht erlaubten Besitz von Waffen beschuldigt. Wie schon in Folge 2 geschrieben, saßen Martin, Petr und Ales im U-Knast.
Wichtig ist zu bemerken, dass, kurz bevor die Operation Fénix startete aber auch noch danach, die Bewegung viele Erfolge verzeichnen konnte. So wurde zum Beispiel das von Räumung bedrohte Hausbesetzer*innen Projekt „Autonomes Soziales Zentrum Klinika“ bekannt und erfuhr die Unterstützung der breiten Öffentlichkeit.
Auch die solidarischen Netze „Mostecka solidarni sit“ aus der Stadt Most und „Prazska solidarni sit (SOL!S)“ aus Prag wurden teilweise in ihren Arbeitskämpfen erfolgreich und Anfang 2015 bekannt für ihre radikale Kampagne gegen Ausbeutung.
Im Mai 2015 kam es auch zu einer Welle der Solidarität mit den angegriffenen Genoss*innen und es wurde ein solidarisches Antirepressionskollektiv, „AntiFenix“, gegründet. Der Infokanal Antifenixblog läuft seit dem 07. Mai 2015 und veröffentlicht immer noch aktuelle Informationen über die „Operation Fénix“.
„Sie wollen uns zum Schweigen bringen, sie werden uns nicht zum Schweigen bringen. Sie wollen uns brechen, sie werden uns nicht brechen. Unsere Körper können sie verhaften, aber unsere Träume, Gedanke und den Geist nicht.“ (Martin Ignacak in einem Brief aus dem Knast)
Video der spontanen solidarischen Aktion am Knast
Folge 2: Fénix fängt an.
„Wir können alles machen.“ (eine Ermittlerin zu Martin Ignacak)
Heute geht es um die erste Welle der Operation Fenix, welche am 28. April 2015 begann. Am frühen Morgen führte die Polizei in mehreren Wohnungen in der Tschechischen Republik und im sozialen Zentrum Ateneo (in der Stadt Most) Razzien durch. Die Polizei verhaftete elf Personen, viele andere wurden zum Verhör gezogen. Überall wurde mögliches Beweismaterial gesucht und mitgenommen. Unter anderem beschlagnahmten sie viele elektronische Geräte inklusive eines Hauptservers, über den viele antiautoritäre Webseiten gehostet wurden.
Lukas Borl, ein Anarchist, welcher auch am diesen Tag im sozialen Zentrum verhaftet und verhört wurde, beschrieb den Einsatz im Ateneo:
„Der Polizeieinsatz im sozialen Zentrum Ateneo in Most passierte am 28.4.2015. Nur ich wurde verhaftet und der Straftaten ‚Gründung, Unterstützung und Propagierung der Bewegung‘ verdächtigt, welche angeblich auf die Unterdrückung der Menschenrechte und Freiheit des Menschen abzielt. Die Polizei begründete das Durchsuchen des Zentrums und mein Verhaften mit dem Verdacht der Zugehörigkeit zu SRB (Netzwerk Revolutionärer Zellen). Weil allerdings die Beweise fehlten, wurde ich am folgenden Tag entlassen. Die Polizei entzog uns vor allem Handys, Klamotten, Sportgeräte, Computer, Publikationen und alles andere, was den betrieblichen und fortbildendem Zwecke des sozialen Zentrums Ateneo dient. Die Wegnahme der Sachen komplizierte weitere Tätigkeiten, trotzdem läuft Ateneo weiter. Wir werden natürlich alle diese Sachen zurückhaben wollen. Manche von den sind auch gar nicht meine, sondern das gesamte Zentrum teilt sie. Der Einsatz schadete also einer breite Gruppe von Menschen: Kinder, welche hier ihre Freizeit verbringen, Menschen aus der Nachbarschaft, die hier lernen, bis hin zu den kulturellen und aktivistischen Kollektiven.“
Eine andere betroffene Person erzählte über dem ersten Tag der „Operation Fénix“:
„Etwa zehn in Zivil gekleidete Polizisten schleppten mich von der Wohnung meiner Freunde zu meinem Haus weg. Ich wurde gefesselt, mein Haus war von weiteren vierundzwanzig Einsatzpolizisten mit Maschinenpistolen umgeben. Sie durchsuchten mein gesamtes Haus und klauten mir viele wichtige Sachen (…). Am folgenden Tag, nach der Nacht in der Zelle im Knast, versuchten sie mich zum Aussagen zu zwingen. Essen bekam ich nicht. Ich wurde ohne Anklage entlassen. Sie schmissen mich auf die Straße, 250 km weit weg von meinem Zuhause, ohne Handy.“
Viele Genoss*innen waren zur DNA-Abnahme und zur Abnahme von Fingerabdrücken gegen ihren Willen gezwungen worden. Am Ende des Tages klagte die Polizei sechs Menschen tateinheitlich wegen der Vorbereitung eines terroristischen Anschlags gegen einen Panzerzug, welcher militärische Ausrüstung transportierte, an. Drei Menschen von ihnen kamen in den U-Knast: Petr Sova, Martin Ignacak und Ales.
Von der Polizei wurde ein Informationsembargo verhängt, „trotz dessen“ startete die sensationswillige Jagd der Medien noch am gleichen Tag. Erste Informationen zu dem Tag zeigte der öffentlich-rechtliche Fernsehsender Ceska Televize (CT).
Später schrieb Martin Ignacak aus dem Knast über die mediale Rolle innerhalb der „Operation Fénix“:
„ Die Desinformationen und die Nachredekampagne sind eine imposante Veranschaulichung der ‚Unabhängigkeit‘ der Medien. Präsentation von Teilinformationen, das ganz grundlose Ängstigen der Öffentlichkeit – typisches Beispiel der Zusammenarbeit von repressiven Institutionen und den ‚unabhängigen‘ Medien. Auch durch die Medien wurden wir diskreditiert, von Anfang an verurteilt. Aber nicht nur wir: auch unsere Verwandten und Familien.“
Die Repression, der Medienhype und die Ermittlungen dauerten lange an. In den kommenden Folgen wird es deswegen um die nachhaltige, dauerhafte Repression rund um die „Operation Fénix“ gehen.
Folge 1: „Keine Repression kann die Sehnsucht nach Freiheit stoppen!“
Unsere erste Folge zu unserer Serie „Repression in der Tschechischen Republik“
Prag, Tschechische Republik
Polizeiliche Repression und die Verfolgung der kritischen, antiautoritären und subversiven Bewegung waren in der Tschechischen Republik unter unterschiedlichen Regimen immer stark präsent und haben eine lange, blutige Geschichte. Auch nach der tschechischen Wende am Ende des Jahres 1989, die sogenannte „Samtene Revolution“, verfolgte das neue liberal-demokratische Regime die linksradikale und anarchistische Opposition. Trotzdem erlebten wir in den letzten Jahren eine ganz neue Welle der Staatsgewalt unter dem Namen „Operation Fénix“ in bisher noch nie gesehener und gehörter Form und Größe. In den Worten von Lukas Borl, eine von den Fénix betroffenen Personen:
„Diese gegen die anarchistische Bewegung gezielte Kampagne wurde zum bestimmten Kipppunkt. Ein Wechsel von der dauerhaften milden Repression, zur starken Repression.“
Was passiert genau bei der „Operation Fénix“? Zwei staatliche Agenten, sogenannte „Agent Provocateur“, infiltrierten eine anarchistische Gruppe, erlangten Vertrauen und initiierten später die Planung eines Brandanschlags auf einen militärischen Panzerzug. Der Anschlag wurde nie realisiert, lediglich geplant. Sie bewegten die Gruppe also zur Militanz, zeichneten dabei jedes Treffen und jede Aktivität auf, sammelten „Beweise“ und als sie genug Material hatten, folgten massive Festnahmen und Terroranklagen wurden vorgelegt.
Die Polizei verhörte und zermürbte viele Menschen in den ersten Tagen der Repression. Diese hielt allerdings länger an, als gedacht. Vier Genossen saßen lange im U-Knast, einer von ihnen 17 Monate. Manche von unseren Genossin*innen verloren Jobs und/oder ihr Zuhause. Ihre Gesundheit wurde (im Knast) gefährdet und beschädigt. Die Freundeskreise und Familien der Betroffenen wurden massiv vom Staat belästigt, schikaniert und abgeschreckt. Viele Menschen wurden wiederholt verhört, unter Druck gesetzt, von der Polizei verfolgt und erpresst. Wohnungen wurden ohne Erlaubnis durchgesucht. Die gesamte repressive Welle durchzog sich drei Jahre lang. Am Ende wurden alle Angeklagte freigesprochen.
Vom Anfang an arbeiteten die Medien Hand in Hand mit dem Staat: bei der Konstruktion des „linkes Terrors“, bei der Dämonisierung und bei dem Kriminalisierung der anarchistischen Bewegung und unserer Genoss*innen. Die Konsument*innen der tschechischen Nachrichten wurden mit beängstigenden Titeln bombardiert und mit „den sensationellen, skandalösen Entdeckungen“ der „Operation Fénix“ jahrelang gefüttert.
In dieser Zeit versuchte der Staat den antiautoritären Widerstand zu spalten, den Wurm der Paranoia zu verbreiten und mit endlosen Monsterprozessen und mit langen Verhaftungen die aktiven Menschen zu brechen und andere abzuschrecken. Martin Ignacak schrieb im Brief nach einem Jahr im U -Knast über Fénix:
„Die ganze ‚Fénix Operation‘ finde ich wie ausgeschnitten aus den Zeiten, als die StB (Geheimer Dienst des ehemaliges kommunistisches Staates – Anm. Übers*.) und andere totalitäre Institutionen, welche mit konstruierten Prozessen die Dissentbewegung diskreditieren, zerkleinerten und zum Schweigen bringen sollten, wüteten – heute steht die von unten organisierte Bewegung ähnlichen unfairen (mistigen) Taktiken entgegen.“
Trotz dass alle angeklagten Genoss*innen freigesprochen wurden, sehen wir nach drei Jahren der Strafvervolgungen und der Gerichtsprozesse kein Ende der massiven Repression: in der „Operation Fénix“ stehen in diesen Tagen wieder vier von unseren Genossen gegen neue Anklagen mit möglichen Haftstrafen von bis zu 10 Jahren.
Wir solidarisieren uns mit den Genoss*innen,welchen die Fénix Repression traff, trifft und treffen wird und werden deswegen in den folgenden Tagen den Zeitablauf der Fénix Operation im Detail erläutern.
„Anarchistischer Widerstand lebt, der Kampf geht weiter!“
Ankündigung der Serie „Repression in der Tschechischen Republik“
Gestern begann in den USA der Gefangenenstreik gegen die Knastsklaverei. Wir haben, zusammen mit den Soligruppen Jena, Leipzig und Köln zur internationalen Solidarität mit den streikenden Gefangenen aufgerufen und demonstrierten vor dem Leipziger US-Konsulat. Unsere Solidarität gilt aber nicht nur an einem Tag und einem Ort. Vielmehr ist es wichtig, sich dauerhaft und weltweit mit Gefangenen und ihren Kämpfen zu solidarisieren. Gleichzeitig darf nicht vergessen werden, dass Knast am Ende einer langen Repressionskette steht. Als Soligruppe der GG/BO begreifen wir Knast also als ein Teil der Repression, weswegen wir uns mit dieser ebenfalls auseinandersetzen müssen.
Vor Kurzem haben wir Kontakt mit tschechischen Anarchist*innen aufnehmen können. Diese leiden in der Tschechischen Republik unter einer ganz neuen Form von Repression, welche den Namen „Operation Fénix“ trägt.
In den nächsten Tagen werden wir, in Form einer Serie, berichten, um was es bei dieser Operation geht und welche Menschen in welcher Form darunter leiden mussten und müssen.
Ziel der Serie ist es zunächst, die Stille über diese Operation zu brechen. Es ist wichtig, sich auch über die eigenen Grenzen hinaus zu informieren, welche Menschen und Gruppen von Staaten verfolgt und der Repression ausgesetzt werden. Wir dürfen uns nicht durch irgendeine Grenzziehung spalten und isolieren lassen. Internationale Solidarität heißt, über die Grenzen hinaus zusammen zu halten, zu kämpfen und sich gegen Herrschaft in jeglicher Form zu wehren. Dafür braucht es zunächst die Information, in welcher Form und wo Repression auftritt.
Mit der Informationvermittlung und -beschaffung fängt der Kampf gegen Repression aber erst an. Sobald die letzte Episode dieser Serie von uns publiziert worden ist, werden wir konkrete Handlungsschritte unternehmen, praktisch werden und mit den Anarchist*innen in Tschechien in Verbindung bleiben. Unsere Solidarität wird nicht mit dem Ende einer Publikation enden. Wir hoffen, eure auch nicht.
Anmerkung: Die Texte, die wir in den nächsten Tagen veröffentlichen werden, kommen direkt aus Prag/Tschechische Republik. Sie wurden ins deutsche übersetzt, es kann also manchmal zu Verständnisproblemen kommen. Namen und Eigennamen haben in verschiedenen Sprachen oft unterschiedliche Schreibweisen.
Falls ihr Nachfragen habt oder euch mit den Anarchist*innen solidarisieren wollt, schreibt an berlin@ggbo.de.
Natürlich gibt es auch schon einige Gruppen, welche die Geschichte um „Operation Fénix“ veröffentlicht haben. Anbei ein paar Links:
https://antifenix.noblogs.org/info-auf-deutsch/
Solidarität mit dem Gefangenenstreik in den USA und mit den kämpfenden Gefangenen der GG/BO!
Heute beginnt der Streik der Gefangenen in den USA. Deswegen werden wir ab 17 Uhr vor vor dem US-Konsulat in Leipzig demonstrieren – gegen die Knastsklaverei, und in Solidarität mit dem Gefangenenstreik!
Auch in Deutschland gilt die Zwangsarbeit in Verbindung mit einem Hungerlohn, die GG/BO fordert schon seit ihrer Gründung die Abschaffung des Zwangs und den Mindestlohn. Aber im Knast läuft nicht nur alles rund um die Arbeit schief.
Im folgenden ein Erfahrungsbericht von Martin Marggraf, aktiver Gewerkschaftler in der JVA Neumünster, über die Gründe seiner Arbeitsverweigerung:
„Ich verbüße momentan eine Haftstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung auf Station C1 in der JVA Neumünster. Am 21.12.2017 erhielt ich einen Vollzugs- und Eingliederungsplan. In diesem wird von einer voraussichtlichen Entlassung zum 2/3 Termin am 09.09.2018 ausgegangen. Natürlich bei aktiver Mitwirkung meinerseits – d.h. Teilnahme an der Gewaltstraftätertherapie und Bearbeitung der Alkoholproblematik (danke, lieber Gutachter!).
Zur Vorbereitung von Lockerungen wurden Ausführungen gewährt. Ich hatte dann 2 Ausführungen, am 7.3. und am 2.5., die beanstandungsfrei verliefen. Am 7.3. erhielt ich von der Suchtberatung eine Bescheinigung über meine erfolgreiche Teilnahme, in der steht, dass ich bis auf wenige Ausnahmen kein Problem mit dem Suchtstoff Alkohol habe und dass die Gespräche eingestellt werden können.
Zwischenzeitlich hatte ich auch mit der Anti-Gewalt-Therapie (AGT) begonnen. Da am 21.3. mein Vollzugsplan fortgeschrieben werden sollte, ich ihn aber im April noch nicht hatte, bat ich per Antrag um zeitnahe Fortschreibung, da davon Lockerungen abhängig sind. Der Abteilungsleiter versicherte mir, ich würde ihn bald bekommen und ich könnte schon Begleitausgänge mit einem Beamten wahrnehmen. Den Vollzugsplan habe ich übrigens bis heute (16.8.) nicht und auch keinen einzigen Begleitausgang – 6 Termine in Folge wurden abgesagt. Entweder war aufgrund von plötzlichen Arztfahrten kein Personal da, oder es hat sich ganz zufällig ein Beamter krank gemeldet.
Einmal wurde sogar behauptet, ich hätte keinen AGT Termin beantragt, daraufhin wurde dies als Therapieabbruch behandelt und mir wurden Ausgänge komplett verweigert.
Zum Glück konnte ich das klären, der Antrag ist wohl verloren gegangen….
AGT habe ich am 9.8. erfolgreich abgeschlossen. Somit liegen alle Voraussetzungen für alleinige Ausgänge oder offenen Vollzug vor. Auf die Idee kommen die aber gar nicht. Klarer Verstoß gegen §9 Abs. 3 LStVollzG SH – Lockerungen zur Erreichung des Vollzugszieles. Ich werde entlassen ohne Wohnung, mit kaputten Schuhen und einer handvoll Klamotten, die mir kaum noch passen. So sieht hier Resozialisierung aus – danke für nichts!
Das waren leider nicht die einzigen Missstände. Seit April werden mir auf den Lohnscheinen plötzlich sogenannte ‚Ersatzruhetage‘ abgezogen, die dann mal eben 40-50 Euro weniger Nettolohn pro Monat bedeuten.
Heute bat ich im Büro darum, ein Schreiben per Fax zu schicken, da es sich um eine Fristsache handelte – Post hätte zu lange gedauert. Der Beamte sagte, er fragt gleich den Abteilungsleiter, kam dann nach einigen Minuten mit meinem Schreiben in der Hand zu mir und teilte mit, der Abteilungsleiter hätte ‚nein‘ gesagt. Ich warf das Schreiben in den Müll und sagte, ‚dann hab ich halt Pech gehabt‘. Etwas später ging ich dann ins Büro und sagte, dass ich nach all dem, was hier in der letzten Zeit abgelaufen ist nicht mehr bereit bin, der Anstalt meine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen – also Kündigung meines Hausarbeiter Jobs. Der Beamte nahm dies zur Kenntnis und sagte, er würde es weiterleiten. Ich ging dann im Freizeitraum mit anderen Gefangenen Karten spielen.
Nach ca. 5 Minuten kam der Beamte herein mit den Worten : ‚Stellen Sie keine Fragen aber ich soll sie einschließen und sie können sich als abgelöst betrachten‘. Daraufhin bat ich mündlich um richterliche Entscheidung nach §109. Der Beamte erwiderte ‚Dann machen sie das, aber ich soll sie trotzdem einschließen‘.
Gesagt, getan, ich wurde eingeschlossen. Ohne Angabe von Gründen. Eine knappe Stunde später war Abendkostausgabe. Die Tür ging auf, eine andere Beamtin begrüßte mich, ich nahm das Essen entgegen und fragte, was denn nun mit der richterlichen Entscheidung sei. Sie wusste angeblich von nichts und sagte, sie klärt das. Tür wieder zu. 5 Minuten später schließt der Abteilungsleiter die Tür auf und fragt ‚Was gibt’s denn für Probleme?‘Ich fragte, warum ich eingeschlossen wurde. Er behauptete lachend ‚Nein, das hat der Kollege falsch verstanden, alles gut.‘…
Man mag davon halten was man will, ich glaube ihm jedenfalls nicht und werde weiterhin die Arbeit verweigern, aber trotzdem immer ruhig und höflich sein. Im Idealfall bin ich ja eh in 2 Wochen draußen. “
Zeigt eure Solidarität mit allen streikenden Gefangenen weltweit, indem ihr Anstalten, Ministerien, Konsulaten und Senaten Protestschreiben schickt.
Schreibt den Gefangenen eure solidarischen Grüße.
Kontaktiert die Soligruppen der Gefangenen-Gewerkschaft und alle anderen Soligruppen, welche Gefangene unterstützen. Bringt euch in die Kämpfe ein, teilt eure Hafterfahrungen oder die Erfahrungen Angehöriger mit.
Support prisoners and prison fights. Worldwide.