Dieses Interview wird tschechische Gefangene erreichen. Es soll sie motivieren, sich zusammen zu schließen, für ihre Rechte und gegen jede Repression zu kämpfen und aktuelle Herrschaftsverhältnisse verändern zu wollen. (siehe auch: Perspektiven)
1) Die GG/BO ist wahrscheinlich für die Menschen in den Knästen auf dem Gebiet der „Tschechischen Republik“ ein unbekannter Begriff. Könnt ihr etwas über die Geschichte und die Tätigkeiten eurer Organisation sagen?
Die GG/BO wurde im Mai 2014 in der JVA Tegel (Berlin) gegründet. Wichtig ist an dieser Stelle schon zu sagen, dass die GG/BO ausschließlich eine Organisation innerhalb der Knäste ist. Sie ist arbeitet also selbstbestimmt, – organisiert und emanzipiert. Wir hier draußen sind Soligruppen, wir sind also lediglich Unterstützer*innen und Sprachrohr für die GG/BO. Die klare Unterscheidung ist uns sehr wichtig, weil die GG/BO nicht „unsere Organisation“ ist, sondern ein selbstständiges, von innen heraus organisiertes Kollektiv. Wir unterstützen die Arbeit und versuchen, dass die Kämpfe der Gefangenen in der Öffentlichkeit Gehör finden, führen aber auch eigene Kämpfe und begreifen uns nicht als Mitglieder der GG/BO.
Gegründet hat sich die Gewerkschaft zum einen, weil Gefangene nur 1-2 Euro die Stunde im Knast für ihre Arbeit verdienen, nicht im Sozialversicherungssystem eingebunden und teilweise zur Arbeit verpflichtet sind. Die GG/BO soll den Gefangenen eine Lobby bieten, um für ihre Rechte einzustehen. Das heißt Mindestlohn, Einbezug in das Sozialversicherungssystem und Arbeit auf Freiwilligkeit sind die Hauptforderungen der GG/BO. Zum anderen war die Gewerkschaft aber von Anfang an auch als Mittel gedacht, die krasse Spaltung im Knast zu überwinden. Unabhängig von Ethnie, Geschlecht, Nation, Herkunft, Kapital usw. kann jede*r mitmachen. Gefangene sind im Knast sehr oft untereinander isoliert, gespalten, zerstritten. Die GG/BO soll mit ihren Hauptforderungen die Basis darstellen, auf welcher zusammen gekämpft wird und auf welcher sich die Gefangenen nicht vereinzeln lassen. Das klappt ganz gut. Das ist auch ein Grund, warum wir als Soligruppen die Gefangenen-Gewerkschaft unterstützen.
2) Gibt es konkrete Erfolge, welche die GG/BO erreicht hat?
Es gibt viele kleine Erfolge, die zu verzeichnen sind. Beispiele: In einigen Bundesländern wurde die Arbeitspflicht abgeschafft, in der JVA Zeithain wurden die Telefonpreise gesenkt, in der JVA Chemnitz wurden Gewerkschaftsversammlungen erlaubt, in der JVA Neumünster wurden die Lebensmittelpreise gesenkt, das Thema „Rentenversicherung für Inhaftierte“ ist jetzt wieder auf der Tagesordnung der Justizministerkonferenz. Wir sind der Meinung, dass es zu all diesen Teilerfolgen nicht gekommen wäre, würden die Gefangenen nicht kollektiv für ihre Rechte einstehen. Tatsächlich begreifen wir es deswegen als „größten“ Erfolg, dass Gefangene endlich eine Lobby haben, zusammen für ihre Rechte kämpfen, sich nicht vereinzeln lassen. Das ist unserer Meinung nach die Basis für alle weiterführenden Kämpfe.
3) Ich vermute, dass die Kämpfe der Gefangenen oft mit Repression vonseiten der JVA‘s und anderen staatlichen Institutionen beantwortet werden. Welche Repressionen müsst ihr gegenüberstehen?
Seit es die GG/BO gibt versuchen die Anstalten und auch die Ministerien die Arbeit und Organisierung der Gefangenen zu unterbinden. Deswegen wurde „Repression“ auch schnell für uns und die GG/BO ein Thema. Meistens verhalten sich die Anstalten, sobald sie merken, dass sich Gefangene organisieren, ziemlich gleich:
Zuerst wird der Schriftverkehr unterbunden, unsere Post an die Gefangenen kommt also nicht an, oder wir erhalten von den Gefangenen keine Briefe mehr. Irgendwann kommt der Punkt, an dem Gefangene Disziplinarmaßnahmen bekommen. Der Fernseher wird ihnen entzogen, sie dürfen nicht mehr einkaufen, mit anderen zusammen auf den Hof usw.
Die krasseste Repression haben wir bis jetzt in der JVA Tegel erlebt: Gefangene wurden, nachdem sie eine Petition gegen einen Bediensteten aufgesetzt hatten, der Meuterei bezichtigt und zwangsverlegt. Allerdings darf mensch auch nicht vergessen, dass Knast ja an und für sich schon ein riesen Repressionsapparat ist bzw. der Weg dorthin durch die Repression geebnet worden ist. Wenn wir hier draußen von Repression sprechen oder sie erleben, ist im Knast die Repression auf jeden Fall stärker, gebündelter, krasser. Somit haben wir nicht nur gegen die Repression gegen die GG/BO zu kämpfen: oft beginnen sich auch Gefangene zu organisieren (innerhalb der GG/BO), weil sie etwas gegen die anstaltsinterne Repression machen wollen. Es stehen also nicht „nur“ Arbeitskämpfe auf der Agenda der GG/BO. Die Kämpfe gegen Unterdrückung und Repression haben in den letzten Jahren stark zugenommen – wir unterstützen sie auf jeden Fall, mithilfe von Öffentlichkeitsarbeit, juristischer Hilfe, praktischen Aktionen usw.
4) Hat die Repression einenwichtigen Einfluss darauf, wie viele Menschen sich im Knast bei der GG/BO organisieren? Es ist ja leicht vorstellbar, dass die Repressionen für manche Gefangene einen abschreckenden Effekt haben könnte. Sieht es auch praktisch so aus?
Einige Gefangene schreckt es schon ab, manche werden durch die Repression aber auch, unserer Meinung nach, standhafter in ihrer Meinung. Wichtig ist auf jeden Fall, den Gefangenen von hier draußen aus zu zeigen, dass sie nicht alleine sind und dass wir an ihrer Seite stehen. Wenn Gefangene an Repression leiden, versuchen wir sie, wie gesagt, auf vielen Ebenen zu unterstützen. Unserer Erfahrung nach merken dass die Gefangenen auch – was sie oft stärker macht und sie ermutigt, weiter zu kämpfen. Aber ja, es gibt auch viele Gefangene, welche die Repression einschüchtert. Die JVA Tegel ist so ein Beispiel: die Gefangenen wurden durch die Repression ziemlich entmutigt, weswegen dort derzeitig die GG/BO sehr schlecht aufgestellt ist.
5) Es gibt auch andere Organisationen (weltweit), welche sich sich für Gefangene einsetzen bzw. von Gefangenen getragen werden, , z.B. FAU, ABC, IWW, Rote Hilfe. Welche Verhältnisse hat die GG/BO zu diesen Gruppen?
Zu allen von dir genannten Organisationen haben wir hier draußen guten Kontakt. Das ist uns natürlich auch wichtig, um eben nicht isoliert zu kämpfen. Sich zusammen zu schließen und gemeinsam Forderungen zu stellen ist ja ein Grund, warum wir die GG/BO unterstützen. Da wäre es natürlich absurd, wenn wir unsere Kämpfe völlig isoliert von anderen Kämpfen und Organisationen führen würden. Vor allem der internationale Austausch ist uns sehr wichtig, denn wenn wir uns nicht spalten lassen wollen, ist ein weltweiter Zusammenhalt unabdingbar. Solidarität darf keine Grenzen haben, ansonsten besteht die Gefahr, Kämpfe vereinzelt zu führen.
Dass die GG/BO selbst zu den genannten Gruppen Kontakt hat, glauben wir aber kaum. Die Gründe dafür sind für uns aber nachvollziehbar: Knast ist ein ganz eigener Raum, isoliert von der Gesellschaft und mit ganz eignen Lebensrealitäten. Dass sich Gefangene für ihre Rechte einsetzen und ihre Kämpfe draußen (in der BRD) Gehör finden, ist ein Erfolg, den vor allem der GG/BO und den Soligruppen zuzuschreiben ist. Das ist aber auch ein harter Kampf, der so schon sehr anstrengend (vor allem für die Gefangenen) ist. Dass sie jetzt auch noch internationale Kämpfe (hinter Knastmauern!) führen, wäre super toll, derzeitig aber nicht realistisch. Wir arbeiten aber daran. Deswegen haben wir auch zur internationalen Solidarität mit dem Gefangenenstreik in den USA aufgerufen und die Gefangenen darüber informiert. Ein paar Gefangene, welche Lust haben, sich an internationalen Aktionen und Events zu beteiligen, gibt es dann auch immer. Martin Marggraf aus der JVA Neumünster hat zum Beispiel ein Grußwort geschrieben, warum auch er sich im Arbeitsstreik befindet, welches wir bei unserer Kundgebung vorm US-Konsulat verteilt haben.
6) Organisiert euch nur lokal oder wollt ihr euch auch mit den Gefangenen* in anderen Teilen der Welt zu vernetzen?
Wollen wir! Auch ein Grund, warum wir unsere Kontakte nach Tschechien ausgebaut haben. Aber, wie oben schon erwähnt: von unserer Seite aus ist großes Interesse da, innerhalb der GG/BO ist die internationale Solidarität noch kein großes Thema. Aber auch wir müssen zugeben, dass der Kontakt zu Gefangenen innerhalb er BRD für uns als Soligruppe immer Vorrang hat. Wenn die Kapazitäten da sind, agieren wir auch gerne international. Hauptsache, die direkte Arbeit mit den Gefangenen hier leidet nicht darunter….
7) Falls die Gefangenen in der Tschechischen Republik eure Tätigkeiten interessant finden würden, wie könnten sie mit euch zusammen arbeiten?
Als erstes bräuchten wir Infos, wie die Lage in tschechischen Knästen aussieht. Wir brauchen also erst einmal direkten Kontakt zu tschechischen Gefangenen. Sobald wir Infos und Kontakte haben, könnten wir handeln, vermutlich auch ähnlich wie hier, denn die Tschechische Republik ist ja von der BRD nicht weit entfernt. Allerdings müssen wir dazu sagen, dass wir uns als Soligruppen bewusst die Bundesländer in der BRD aufgeteilt haben: Strafvollzug in Deutschland ist super kompliziert und jedes Bundesland hat da eigene Regeln und Gesetze. Deswegen haben sich die Soligruppen lokalisiert. Wenn wir also mit tschechischen Gefangenen arbeiten würden, müssten wir uns selbst erst einmal juristisch wie politisch über die Lage in Tschechien breefen. Besser wäre es deswegen, wenn es in der Tschechischen Republik draußen Unterstützer*innen geben würde, die die Gefangenen supporten. Aber das scheint sich ja auch gerade entwickeln zu wollen…
8) Für die Menschen welche momentan nicht im Knast sind: Wie können sie sich mit euch verbinden setzen und hilfreich sein?
Gerne könnt ihr uns jederzeit unter berlin@ggbo.de kontaktieren. Wir sind über jede Unterstützung dankbar und freuen uns immer, wenn sich neue (Soli)Gruppen etablieren. Wenn ihr also Interesse an der Arbeit habt, einfach anschreiben – alles weitere dann in direkter Kommunikation.
9) Gibt es noch etwas, was ihr den Menschen in den Knästen der Tschechischen Republik sagen wollt?
Bildet Gefangenen Kollektive, kämpft für eure Rechte, lasst euch vom Staatsapparat nicht fertig machen, haltet zusammen, lasst euch nicht isolieren oder spalten!
Ihr seit nicht allein – und wenn ihr wollt, kämpfen wir gerne mit euch für die Freiheit aller Gefangenen und die Abschaffung der Knäste.