Martin Marggraf macht Sommerferien – ausgebüxt aus dem Knast

Vor Kurzem haben wir erfahren, dass Martin Marggraf, Gefangener aus Neumünster, nicht mehr im Knast sitzt. Allerdings nicht, weil er entlassen wurde, sondern weil er abgehauen ist. Die Zustände in der JVA Neumünster waren für ihn nicht mehr aushaltbar. Zur Erinnerung: Martin war ein Gefangener, der die Zustände hinter Gittern nicht einfach hingenommen hat, sondern sich wehrte. So verweigerte er zum Beispiel im Oktober 2018 die Arbeit, weil ihm Lockerungen verwehrt wurden. Dieser Streik führte aber nicht dazu, dass auf seine Forderungen eingegangen wurde, im Gegenteil: Martin wurde durch die JVA psychiatrisiert und für alkoholsüchtig erklärt, wodurch u.a. eine vorzeitige Entlassung (Verkürzung auf 2/3 der abgesessenen Strafhaft) verhindert wurde. Am 12.06 erfuhren wir nun, dass Martin der JVA den Rücken gekehrt hat.  

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Bundesweiter Angriff auf die Gefangenen-Gewerkschaft – Solidarität jetzt!

Gefangene, welche sich im Knast gegen die Zustände wehren, werden immer wieder mit Repression durch die JVA‘s und Behörden konfrontiert. Seit Gründung der GG/BO im Mai 2014 ist Repression für uns als Soligruppen deswegen ein Dauerthema. Mal fällt diese mehr, mal weniger heftig aus. Manchmal, in seltenen Fällen, bleibt sie auch komplett aus. Auf die Aktivitäten der Gefangenen reagieren die Knäste immer ein wenig unterschiedlich. Wenn wir allerdings derzeitige Entwicklungen beobachten, sehen wir uns mit einer neuen Situation konfrontiert: bundesweite Angriffe auf GG/BOStrukturen durch die Knäste und Behörden. 

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JVA Neumünster beschwert sich bei „Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit“ über GG/BO

Vor etwa einem Monat konnten wir in unserem Briefkasten ein Schreiben der „Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit“ finden, in welchem uns mitgeteilt wird, dass die JVA Neumünster mit unseren Veröffentlichungen über ihre Bediensteten ein Problem hätte.

„Bei uns ist eine Beschwerde zu einem möglichen datenschutzrechtlichen Verstoß in ihrem Verantwortungsbereich eingegangen. Diese haben wir dem Schreiben als Anlage beigefügt.“

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Fabian Waterstraat wieder hinter Gittern

Fabian Waterstraat war bis Juni 2018 in der JVA Neumünster inhaftiert. Er setzte sich nicht nur innerhalb der Gefangenen-Gewerkschaft für die Rechte der Inhaftierten ein, sondern machte auch seine Anti-Knast Haltung hinter Gittern stark.

„Als ihr mir damals den Anti-Knast Flyer geschickt habt, hab ich den durch den kleinen Türschlitz am Boden aller Zellen in meinem Trakt geschoben. Der kam bei den Gefangenen gut an! Bei den Wärtern natürlich nicht….“

Als Fabian im Juni 2018 entlassen worden ist, begann er sofort, sich auch außerhalb der Knastmauern für die Gefangenen in Neumünster einzusetzen. Aber nicht nur innerhalb der GG/BO und deren Unterstützer*innenstrukturen war Fabian aktiv – er setzte sich u.a. außerdem auch stark gegen Gentrifizierung, rechtspopulistische Bewegungen oder für das Bleiberecht ein. Seine politischen Ideen, Werte und Meinungen, die er vertritt, zeigte er immer wieder deutlich – auf der Straße, bei Protesten, vor Ämtern und Behörden und auch in seinem alltäglichen Handeln. Gegen Herrschaft und Kapital zu kämpfen bedeutet zum einen eine theoretische Auseinandersetzung mit selbigen – zum anderen bedeutet es auch, kapitalistische und herrschaftsrelevante Werte und Regeln in der eigenen Praxis grundlegend abzulehnen und im alltäglichen Handeln widerständig zu sein. So wurde Fabian wieder festgenommen, weil er sich beim Ladendiebstahl erwischen lassen hat – wobei schon zuvor ein Haftbefehl gegen ihn, wegen eines Cannabis-Transports von den Niederlanden nach Deutschland, erlassen worden ist.

Fabian muss nun also wieder hinter Gittern sitzen. Es zeigt sich wiederhohlend: wer widerständig denkt und handelt, wer sich den vorherrschenden Gesetzen, Regeln und Grenzen der Staaten widersetzt, ist den Herrschenden ein Dorn im Auge und wird folglich weggesperrt.

Fabian lässt sich davon aber nicht einschüchtern. „Mir geht es soweit ganz gut. Ich lasse mich vom Staat nicht unterkriegen und kämpfe von nun von hier aus weiter. Eine Bewährungsstrafe kann ich wahrscheinlich nicht erwarten. Ich war noch nicht lange draußen und vorbestraft bin ich mehr als genug. Die zu erwartende Strafe ist jedoch nicht hoch. Mein Anwalt und ich rechnen mit 1-2 Jahren. Ich würde nicht länger als Dezember 2019 sitzen (vorzeitig). In dieser Zeit kann man ja noch einige Kämpfe bestreiten.“

Fabian will also nun wieder von innen heraus aktiv werden. Wir rufen ausdrücklich dazu auf, sich solidarisch mit Fabian und allen Gefangenen zu zeigen. Schreibt ihm, unterstützt die Kämpfe in Neumünster, zeigt den Gefangenen, dass sie hinter Gittern nicht vergessen sind.

Schreibt Fabian und allen anderen Gefangenen!

 

Anstaltsinterne Repression in Neumünster hält weiterhin an

Wie wir schon im Mai 2018 feststellen mussten, spielen Bedienstete in der JVA Neumünster offensichtlich Gefangene gegeneinander aus, wenn sie versuchen, sich für ihre Rechte einzusetzen oder sich gegen Bedienstete zu wehren. Am 16.10.18 mussten wir ebenfalls berichten, dass nach einer Kritikäußerung eines Gefangenen an einen Bediensteten massive Schikane und Repression in Form von Hetze durch selbigen Bediensteten, mit der Konsequenz des körperlichen Angriffs, folgten. Der folgende Bericht reiht sich in das Phänomen „hetzerische Bedienstete“ ein. Dieses Mal trifft es den Gefangenen aber noch härter: nachdem ein Bediensteter mal wieder gegen ihn hetzte, es dadurch zu einem körperlichen Angriff unter den Gefangenen kam und sich der betroffene Gefangene dagegen wehren wollte, folgte nochmals massive Repression.

Ich habe euch einmal mitgeteilt, dass ich wegen eines Angestellten namens Weiss von Mitgefangenen zusammen geschlagen wurde, weil dieser bei den Gefangenen behauptet hat, ich würde andere Gefangene bei ihm ‚verpetzen‘ und dafür Sorge tragen, dass diese wiederum mit Repressionen bedroht werden. Solch ein Vorfall hat sich wieder ergeben und ich wurde leider schon wieder Opfer eines Bediensteten. Somit ergab sich dann auch wieder das Problem von Schikanieren und Denunzieren von Bediensteten. Gegen diese Form der Behandlung habe ich mich zur Wehr gesetzt und denen mitgeteilt, dass es Grundrechte gibt, die auch hier drinnen zählen. Das scheint die JVA-Neumünster aber offensichtlich anders zu sehen. Weil ich für meine Grundrechte eingestanden bin und diese mit meinen Worten verteidigt habe, hat man mir ein D-Verfahren [Anmerkung Soligruppe: Ankündigung einer Disziplinarmaßnahme = neben dem Freiheitsentzug weitere Bestrafung im Knast, wird willkürlich vollzogen bzw. wenn Gefangene sich nicht so verhalten, wie es sich Knast wünscht] als Dank gegeben. Ich habe dann eine Woche Einschluss erhalten. Begründung für den Einschluss: ich habe angeblich die Sicherheit und Ordnung der JVA gestört. Die Abteilungsleiterin holte mich dann ihr ihr Büro und schrie mich dort an, was ich mir eigentlich einfallen lassen würde, ihre Mitarbeiter so zu behandeln. Ich merkte an, dass ich von diesen Mitarbeitern der Abteilungsleiterin Hirsch wie ein Stück Scheiße behandelt werde und mir meine Grundrechte auf Art. 1 und 5 abgesprochen werden. Als mich Frau Hirsch dann ebenfalls nicht besser behandelte als ihre Mitarbeiter, bin ich, ohne etwas zu sagen, aufgestanden und habe ihr Büro verlassen. Weil ich das Büro verlassen habe, habe ich für mein Verhalten wieder Einschluss erhalten. Ich habe echt die Nase voll! Jeden verdammten Tag werde ich hier fertig gemacht. Die Repression macht mich seelisch kaputt (…) Die Knastbullen teilen einem mit, dass sie dir das Leben hier drin zur Hölle machen. (…) Eines habe ich ganz sicher feststellen müssen: wenn du dich hier im Knast für andere Menschen einsetzt und denen hilfst, dann macht dich das faschistische Knastsystem fertig.“

Wir veröffentlichen diesen Bericht, weil die massive Repression in der JVA Neumünster offensichtlich kein Ende nimmt und die Anstalt alles daran setzt, Gefangene voneinander zu spalten, sie zu drangsalieren, sie, wie der betroffene Gefangene schreibt, „kaputt zu machen“. In einer Welt, in der die herrschende Minderheit die Mehrheit der Gesellschaft unterdrückt, wird natürlich auch alles daran gesetzt, die Kontrolle über die Beherrschten zu behalten. Aber es macht uns wütend, dass die Gefangenen offensichtlich massiver Repression ausgesetzt sind und dabei immer mehr leiden, während sich die Öffentlichkeit zurückzieht, sich für Gefangene nicht interessiert und die Bediensteten deswegen machen können, was sie wollen. Knast als Strafe ist schon einschneidend und repressiv genug – für betroffene Gefangene folgen aber auch noch körperliche Angriffe durch Hetze von Bediensteten und nachträgliche Repression, wenn Gefangene sich über die verantwortlichen Bediensteten beschweren wollen. Als Soligruppe wollen wir uns gegen Knäste wehren, haben aber offensichtlich das Problem, dass erst einmal ein Kampf gegen anstaltsinterne Repression geführt werden muss. Solange diese durch das Schweigen der Öffentlichkeit legitimiert wird, kann ein Kampf gegen Knäste nicht erfolgreich sein.

Wir fordern deswegen die breite Öffentlichkeit auf, Widerstand zu leisten. Begegnet zuständigen Bediensteten, Behörden und Ministerien, rebelliert gegen Unterdrückung, Unterwerfung, Repression und Ausbeutung und damit auch gegen Knäste. Zeigt den Gefangenen, das sie nicht vergessen sind, dass wir ihre Zuweisung am Rande der Gesellschaft nicht hinnehmen und bei Repression an ihrer Seite stehen.

Stellvertretend für die Gefangenen: Justizministerien in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein aufgesucht

Wir, die Soligruppe Berlin der GG/BO und ehemalige Gefangene aus der JVA Neumünster, haben gestern die Justizministerien von Schleswig-Holstein (in Kiel) und Mecklenburg-Vorpommern (in Schwerin) aufgesucht, um den Verantwortlichen für die miserablen, menschenunwürdigen, diskriminierenden und repressiven Zustände in der JVA Neumünster und Bützow zu begegnen. Leider ohne Erfolg – die Zuständigen für den Justizvollzug, Sabine Sütterlin-Waack (Justizministerin Schleswig Holstein) und Jörg Jesse (Abteilung Justizvollzug Mecklenburg-Vorpommern), waren in beiden Ministerien, also an ihren Arbeitsplätzen, nicht auffindbar. Die Forderungen der Gefangenen haben wir trotzdem vor Ort hinterlassen.

Markus Richter und Fabian Waterstraat vor dem Justizministerium in Kiel.

Für den Besuch im Justizministerium in Kiel hatte Fabian Waterstraat (Ex-Gefangener Neumünster) zuvor noch eine Anfrage gestellt, welche das Ministerium wie folgt beantwortete:

die Versorgung und Betreuung der Gefangenen des Landes sind allen im Vollzug Tätigen ein besonderes Anliegen. Alle Bediensteten der Justizvollzugsanstalten gewährleisten dies, zudem sind im Landesstrafvollzugsgesetz Wege und Möglichkeiten für Inhaftierte festgelegt, Anliegen vorzubringen und für Abhilfe zu erwirken. Einzelfälle werden jeweils auf örtlicher Ebene bearbeitet, es bestehen Möglichkeiten der Beschwerde, Petition und von Rechtsmitteln. Die Gefangenen haben außerdem die Möglichkeit, Vertretungen zu wählen, die in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse Vorschläge und Anregungen an die Anstalt unterbreiten. (IVG, § 139 LstVollzG). Insofern wird ein Gespräch der Ministerin mit Ihrer Organisation, bei der es sich nicht um eine Gewerkschaft im Sinne des Art.9 des GG handelt, nicht für angezeigt gehalten.“

Fabian Waterstraat hierzu: „Das sehen die Gefangenen der JVA Neumünster allerdings anders. Sie können nicht bestätigen, dass es für die Gefangenen Wege und Möglichkeiten gibt, Anliegen vorzubringen oder Abhilfe zu erwirken.“ Markus Richter, ebenfalls ehemaliger Gefangener aus der JVA Neumünster, weiter: „Dass es angeblich Möglichkeiten der ‚Beschwerde, Petition und von Rechtsmitteln‘ gibt, ist ja wohl ein Witz. Und selbst wenn sich Gefangene im Knast beschweren, hört denen doch keiner zu. Eine Vertretung haben die Gefangenen aber deswegen tatsächlich gewählt: die GG/BO. Die meint das Justizministerium bei ihrer Antwort sicherlich nicht – sie ist aber für die Interessen der Gefangenen absolut wichtig!“

Die Gefangenen der JVA Neumünster wehren sich derzeitig gegen:

  • den massiven Einschluss von oft bis zu 23 Stunden, also der faktischen Isolationshaft,

  • die schlechte medizinische Versorgung bei körperlichen Beschwerden und gleichzeitige Psychiatrisierung der Gefangenen,

  • die massive Repression bei kleinstem Widerstand,

  • Repression und Drangsalierungen seitens der Bediensteten,

  • die langen Haftstrafen (keine Entlassung nach 2/3 der abgesessenen Strafhaft).

Wenn es um die Belange der JVA geht, ist eine zügige Kommunikation mit dem Justizministerium in Kiel möglich. Immer, wenn wir Namen von Bediensteten öffentlich benannten, welche Gefangene schikanieren, drangsalieren oder repressiv behandeln, meldete sich das Justizministerium umgehend bei uns mit der Drohung, die Nutzung von Klarnamen von Mitarbeiter*innen zu unterlassen, ansonsten würden sie rechtlich gegen uns vorgehen. Wenn wir aber mit dem Justizministerium über die Belange der Gefangenen sprechen wollen, ist eine Kontaktaufnahme unmöglich. Das wundert uns zwar nicht, „aber es macht uns noch wütender, als wir eh schon sind“, so Fabian.

In Bützow sieht die Lage hinter Gittern ähnlich aus. Hier wehren sich die Gefangenen gegen:

  • den viel zu geringen Lohn (ca. 1,24 Euro die Stunde),

  • die schlechte medizinische Versorgung,

  • den massiven Einschluss von oft bis zu 23 Stunden, also der faktischen Isolationshaft.

Sie fordern die Gewährung von Lockerungen, Freilassung der Gefangenen nach 2/3 der abgesessenen Strafhaft, Suchtberatung und Therapien, Freizeitangebote (es gibt gar keine mehr) und Entlassungsvorbereitung, das heißt für jeden Gefangenen, welcher entlassen wird, die sofortige Bereitstellung einer Mietwohnung und die sofortige finanzielle Übernahme des Jobcenters.

Andreas Bach, welchen wir gestern ebenfalls in der JVA Bützow besucht haben, hierzu: „Leider ist es hier völlig normal, dass Gefangene entlassen werden und sofort in die Obdachlosigkeit und finanzielle Not geraten, denn es gibt ja keine Entlassungsvorbereitung. Wohnungen werden nicht gesucht, das Jobcenter nicht kontaktiert. Zusätzlich pfändet die JVA die Konten aller Gefangenen, welche Gerichtsschulden haben, was hier etwa 70 % sind. Heißt du kommst hier raus mit etwa 20 Euro in der Tasche, wenn überhaupt, hast keine Wohnung und bekommst kein ALG II. Wenn du richtig Pech hast, bist du auch noch körperlich geschädigt, seit einem Monat haben wir hier drin nämlich gar keinen Arzt mehr. Wenn du körperliche Beschwerden hast, musst du einen Antrag auf einen Arztbesuch stellen – dass der Antrag und die Genehmigung ewig dauern, wenn sie überhaupt mal kommt, versteht sich von selbst.“

Andreas Bach engagiert sich innerhalb der GG/BO, setzt sich für die Gefangenen der JVA Bützow ein, hilft ihnen bei bürokratischen Problemen und ist der Anstalt dementsprechend ein Dorn im Auge. Nachdem er die Zustände zusammen mit dem NDR skandalisiert hatte und dementsprechend eine breite Öffentlichkeit über die Situation hinter Gittern informierte, wurde seine Zelle von der Anstalt durchsucht. Davon lässt sich Andreas aber nicht einschüchtern. „Wir werden hier drin weiter kämpfen – der Laden hier geht gar nicht, es muss ganz dringend etwas passieren.“

Wir werden uns jederzeit solidarisch mit den Gefangenen der JVA Neumünster und Bützow zeigen, ihre Kämpfe unterstützen und Verantwortliche für die Zustände benennen – solange, bis alle Knäste abgeschafft worden sind.

 

In der JVA Neumünster (wiederholend): Persönlichkeitsrechte vs. Menschenrechte

Die uns zukommenden Berichte von Gefangenen über anhaltende massive Repression, Schikanen und Drangsalierungen seitens der Bediensteten nehmen kein Ende. Im Mai 2018 mussten wir von einem Gefangenen berichten, welcher von anderen Gefangenen körperlich angegriffen worden war, weil ein Beamter die Gefangenen untereinander aufhetzt(e).

Nun erreichte uns eine solche Nachricht wieder:

Vor einiger Zeit […] wurde ich in der Dusche von einem Gefangenen stark zusammen geschlagen. Es war eine Rache dafür, weil ein Beamter Namens „Weiss“ bei den Gefangenen behauptet hat, ich würde andere Gefangene ‚Anscheissen‘. Was ich im Übrigen niemals getan habe! Ich habe diesem Beamten […] in der Vergangenheit mitgeteilt, dass mir sein negatives Interaktion-Verhalten gegenüber Gefangenen und mir nicht passt, dass es ein Grundgesetz gibt, in dem steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Der Typ teilte mir mit, dass das Grundgesetz nicht für Gefangene zähle! Seit dem werde ich zunehmend schikaniert.“

Wie wir schon im Mai 2018 feststellen mussten, spielen Bedienstete in der JVA Neumünster offensichtlich Gefangene gegeneinander auf, wenn Einzelne versuchen, sich für ihre Rechte einzusetzen oder sich gegen Bedienstete zu wehren. In diesem Fall ging es sogar nur um eine Kritik an einen Beamten, welche mit Schikanen und massiver Repression in Form von Hetze durch selbigen, mit der Konsequenz des körperlichen Angriffs, beantwortet wird.

Anstatt sich also mit dem kritikübenden Gefangenen auseinanderzusetzen, hetzt der Beamte Hr. Weiss die anderen Gefangenen gegen ihn auf und spricht zudem jeder gefangenen Person die Unantastbarkeit der Würde, also den Wert des Menschen, ab. Gefangene werden demnach von Hr. Weiss eindeutig schamlos ausgenutzt, sie werden von ihm als „wertlos“ bezeichnet und ihre Rechte aberkannt, nur weil er nicht mit Kritik umgehen kann.

Der betroffene Gefangene wollte diese Zustände nicht länger hinnehmen und wendete sich an die Anstaltsleiterin.

Ich teilte der Anstaltsleiterin Y. Radetzki die Situation mit, was sie aber nicht interessiert. Sie teilte schriftlich mit, dass die Beamten sich korrekt verhalten würden. Dienstaufsichtsbeschwerden werden mit dem Satz standartmässig abgetan. Man wird hier weder ernst genommen, noch menschlich behandelt! […] Den Leuten geht es hier echt schlecht!“

Weiterhin schreibt der Gefangene über die Schikanen seitens der Bediensteten:

Meine Schreibmaschine versuche ich derzeit im Übrigen wieder zubekommen, da man mir diese wegen meiner sozialen Tätigkeit für andere Gefangene weg genommen hat.“

Soziales Engagement wird sanktioniert, Dienstaufsichtsbeschwerden werden entweder nicht aufgenommen oder einfach „abgetan“, Kritik an Bedienstete führt zu massiver Repression und die Anstaltsleiterin spricht trotzdem von einem korrekten Verhalten der Bediensteten.

All das wundert uns leider nicht. Schon damals mussten wir von einem ähnlichen Verhalten seitens der Anstalt berichten. In der JVA Neumünster ist es an der Tagesordnung, dass Gefangene, welche sich für Mitgefangene einsetzten, mit Repression rechnen müssen. Diese reicht vom Entzug der persönlichen Sachen bis hin zur Isolationshaft.

Während Gefangene also schikaniert, gegeneinander aufgespielt und repressiv behandelt werden, dürfen die Bediensteten machen, was sie wollen?

Am 04.10.18 erhielten wir von der Anstaltsleiterin Radetzki einen Brief, in dem sie uns aufforderte, unsere Pressemitteilung vom 19.09.18 zu ändern. In dieser Pressemitteilung nannten wir Frau Ziegenhagen als verantwortliche Abteilungsleiterin. Unter anderem durch sie musste Erwin Fichtl unter Einschluss leiden, obwohl der zuständige Arzt in die Gefangenen-Akte geschrieben hatte, dass Erwin aufgrund seiner Krankheit auf keinen Fall eingeschlossen werden darf.

Die JVA forderte uns nunmehr bis zum 14.10.18 auf, „den Namen von Frau Ziegenhagen unkenntlich zu machen und es auch für die Zukunft zu unterlassen, Namen von Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterinnen der Anstalt zu veröffentlichen. Diese Aufforderung erfolgt an dieser Stelle letztmalig. Bereits Anfang des Jahres hatten Sie den Namen des Abteilungsleiters Herrn Ninow veröffentlicht. Sollten sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, werde ich rechtliche Schritte einleiten. Ihrem Vorgehen liegt ein Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zugrunde.“

Finden wir super spannend. Wenn wir die Namen von verantwortlichen Bediensteten nennen, welche Gefangenen ihre Grundrechte absprechen und ihre Rolle nutzen, um sie zu schikanieren, drangsalieren und regelrecht fertig zu machen, greifen wir laut Radetzki ihre Persönlichkeitsrechte (das der Bediensteten, nicht das der Gefangenen!) und damit das Grundgesetz an? Wenn sich wiederum Gefangene auf das (auch für die geltende!) Grundgesetz berufen aber dessen Inhalte für sie durch Bedienstete abgesprochen wird, ist das völlig in Ordnung und hat keine Konsequenzen für die Bediensteten? Klingt absurd.

Offenbar haben für die Anstaltsleiterin nur Menschen in Uniformen irgendwelche (Grund)Rechte – Gefangene haben offensichtlich keine, im Gegenteil: selbst wenn sie dafür kämpfen, werden sie nicht ernst genommen oder dafür sogar von der Anstalt fertig gemacht.

Wir werden keine Namen von Bediensteten unkenntlich machen – solange die Anstalt mit den Gefangenen macht was sie will, werden wir Verantwortliche benennen. Wenn die Bediensteten unbedingt auf ihr Persönlichkeitsrecht beharren wollen, sollen sie die Gefangenen sofort aufhören zu drangsalieren, gegeneinander aufzuspielen und repressiv zu behandeln.

Dass das im Knast als totaler Repressionsapparrat mit einer derartigen krassen Hierarchisierung von Bediensteten und Gefangenen unmöglich ist, wissen wir. Deswegen bleiben wir dabei: schafft die Knäste ab, lasst die Gefangenen frei!

Außerdem, an alle Leser*innen:

Werdet kreativ – zuständigen Ministerien, Knästen und Bediensteten kann begegnet werden.

Psychiatrisierung und Diskriminierung der Gefangenen in der JVA Neumünster

In der JVA Neumünster zeigt sich in letzter Zeit vermehrt, dass Gefangene mit massiven belastenden psychiatrischen Diagnosen konfrontiert werden, das Ziel der JVA dabei eindeutig: Gefangene nicht entlassen, längere Haftzeiten, Repressalien und Isolation.

Während zum Beispiel Olaf Lauenroth „Querulanten- und Verfolgungswahn“ vorgeworfen wird, soll bei Martin Marggraf, so Dipl. Psych. Dr. Gaby Dubbert, angeblich eine „Sucht und Persönlichkeitsstörung“ behandelt werden. Martin Marggraf hatte bis vor Kurzem die Arbeit verweigert, u.a. weil ihm zustehenden Lockerungen von der JVA verwehrt wurden. In seiner Haftzeit gab es, so er selbst, nie Probleme, er nahm an allen Angeboten, welche die JVA ihm machte, teil. Für die JVA quasi ein „Vorzeigegefangener“. Geholfen hat ihm das allerdings nicht. In seinem Vollzugs- und Eingliederungsplan vom 21.12.17 wird von einer Entlassung nach 2/3 der abgesessenen Strafhaft ausgegangen. Dementsprechend hätte Martin am 09.09.18 entlassen werden müssen. Aufgrund des Vorwurfs der Sucht und Persönlichkeitsstörung befindet er sich allerdings immer noch in Haft – Entlassung auf 2/3 Strafhaft wurde abgelehnt. Obwohl er also alle Angebote der JVA wahrnahm und auch aus seinem Gutachten vom August 2018 hervorgeht, dass er noch nie ein Suchtproblem hatte, soll er jetzt an seiner angeblichen Sucht arbeiten? Martin schrieb uns dazu am 20.09.18:

Sie [die Gutachterin] ist der festen Überzeugung, ich würde wieder Suchtdruck entwickeln (den ich noch nie im Leben hatte) und das meine Gefährlichkeit dann fortbesteht. Wenn, dann würde für sie eh nur eine vorzeitige Entlassung in eine stationäre Therapie in Frage kommen. (…) Ich hab es wirklich satt. Es kommt eh nichts besseres als stationäre Therapie dabei raus, die dann zu dem Zeitpunkt sogar über mein Haftende hinaus geht. Werde den Antrag auf 2/3 morgen zurück ziehen. Es reicht.Wir müssen das unbedingt öffentlich machen. Solche Machenschaften müssen mit allen Mitteln bekämpft werden.“

Wie außerdem ein Rückschluss auf eine angebliche Persönlichkeitsstörung konstruiert wurde, ist absolut diskriminierend. So geht aus dem Gutachten hervor, dass Martin wohl „kognitiv beeinträchtigt“ sei, weil er vor seinem Haftantritt keiner Lohnarbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt bzw. einer Ausbildung nachgegangen ist.

Dazu schrieb Martin am 29.09.18:

Gestern erhielt ich allerdings vom Landgericht das Protokoll der Anhörung, was deutlich zeigt, wie die Gutachterin meine vorzeitige Entlassung verhindern will und mir abermals Alkoholsucht und psychische Störungen attestiert. Der Gipfel daran ist der Rückschluss auf kognitive Beeinträchtigungen nur aufgrund einer fehlenden Ausbildung.“

Es ist eindeutig, wie Knast, Psychiatrie und die Diskriminierung von erwerbslosen Menschen Hand in Hand gehen. Menschen, welche nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt lohnarbeiten oder einer Ausbildung nachgegangen sind, gelten als kognitiv beeinträchtigt – sie werden also als „dumm“ abgestempelt. Und zu „dummen Menschen“ passt auch eine Sucht: die wird dann ebenfalls gleich mal in das Gutachten geschrieben, obwohl es niemals, so in Martins Fall, ein Anzeichen dafür gab. „Dumm“, gefangen und konsumabhängig – das passt in das gesellschaftliche Bild von einem erwerbslosen süchtigen Knacki.

Nicht mit uns! Wir werden uns gegen diese Vorurteile wehren und gegen die Diskriminierung und Stigmatisierung von Gefangenen kämpfen. Martin ist weder süchtig noch ist er dumm. Er weiß sehr wohl, dass die JVA versucht, ihn noch mehr an den Rand der Gesellschaft zu drängen, als er durch sein Gefangenen-Dasein eh schon platziert worden ist.

Dagegen gilt es sich zu wehren! Zeigt Martin eure Solidarität, schickt ihm Briefe an

Martin Marggraf I Boostedterstraße 30 I 24534 Neumünster

und nervt die JVA und das Justizministerium, um staatlichen Institutionen zu zeigen, dass sie nicht alles mit uns machen können, was sie wollen!

Justizvollzugsanstalt I Postfach 1809 I 24508 Neumünster

Justizministerium des Landes Schleswig-Holstein I Lorentzendamm 35 I 24103 Kiel