Stellvertretend für die Gefangenen: Justizministerien in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein aufgesucht

Wir, die Soligruppe Berlin der GG/BO und ehemalige Gefangene aus der JVA Neumünster, haben gestern die Justizministerien von Schleswig-Holstein (in Kiel) und Mecklenburg-Vorpommern (in Schwerin) aufgesucht, um den Verantwortlichen für die miserablen, menschenunwürdigen, diskriminierenden und repressiven Zustände in der JVA Neumünster und Bützow zu begegnen. Leider ohne Erfolg – die Zuständigen für den Justizvollzug, Sabine Sütterlin-Waack (Justizministerin Schleswig Holstein) und Jörg Jesse (Abteilung Justizvollzug Mecklenburg-Vorpommern), waren in beiden Ministerien, also an ihren Arbeitsplätzen, nicht auffindbar. Die Forderungen der Gefangenen haben wir trotzdem vor Ort hinterlassen.

Markus Richter und Fabian Waterstraat vor dem Justizministerium in Kiel.

Für den Besuch im Justizministerium in Kiel hatte Fabian Waterstraat (Ex-Gefangener Neumünster) zuvor noch eine Anfrage gestellt, welche das Ministerium wie folgt beantwortete:

die Versorgung und Betreuung der Gefangenen des Landes sind allen im Vollzug Tätigen ein besonderes Anliegen. Alle Bediensteten der Justizvollzugsanstalten gewährleisten dies, zudem sind im Landesstrafvollzugsgesetz Wege und Möglichkeiten für Inhaftierte festgelegt, Anliegen vorzubringen und für Abhilfe zu erwirken. Einzelfälle werden jeweils auf örtlicher Ebene bearbeitet, es bestehen Möglichkeiten der Beschwerde, Petition und von Rechtsmitteln. Die Gefangenen haben außerdem die Möglichkeit, Vertretungen zu wählen, die in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse Vorschläge und Anregungen an die Anstalt unterbreiten. (IVG, § 139 LstVollzG). Insofern wird ein Gespräch der Ministerin mit Ihrer Organisation, bei der es sich nicht um eine Gewerkschaft im Sinne des Art.9 des GG handelt, nicht für angezeigt gehalten.“

Fabian Waterstraat hierzu: „Das sehen die Gefangenen der JVA Neumünster allerdings anders. Sie können nicht bestätigen, dass es für die Gefangenen Wege und Möglichkeiten gibt, Anliegen vorzubringen oder Abhilfe zu erwirken.“ Markus Richter, ebenfalls ehemaliger Gefangener aus der JVA Neumünster, weiter: „Dass es angeblich Möglichkeiten der ‚Beschwerde, Petition und von Rechtsmitteln‘ gibt, ist ja wohl ein Witz. Und selbst wenn sich Gefangene im Knast beschweren, hört denen doch keiner zu. Eine Vertretung haben die Gefangenen aber deswegen tatsächlich gewählt: die GG/BO. Die meint das Justizministerium bei ihrer Antwort sicherlich nicht – sie ist aber für die Interessen der Gefangenen absolut wichtig!“

Die Gefangenen der JVA Neumünster wehren sich derzeitig gegen:

  • den massiven Einschluss von oft bis zu 23 Stunden, also der faktischen Isolationshaft,

  • die schlechte medizinische Versorgung bei körperlichen Beschwerden und gleichzeitige Psychiatrisierung der Gefangenen,

  • die massive Repression bei kleinstem Widerstand,

  • Repression und Drangsalierungen seitens der Bediensteten,

  • die langen Haftstrafen (keine Entlassung nach 2/3 der abgesessenen Strafhaft).

Wenn es um die Belange der JVA geht, ist eine zügige Kommunikation mit dem Justizministerium in Kiel möglich. Immer, wenn wir Namen von Bediensteten öffentlich benannten, welche Gefangene schikanieren, drangsalieren oder repressiv behandeln, meldete sich das Justizministerium umgehend bei uns mit der Drohung, die Nutzung von Klarnamen von Mitarbeiter*innen zu unterlassen, ansonsten würden sie rechtlich gegen uns vorgehen. Wenn wir aber mit dem Justizministerium über die Belange der Gefangenen sprechen wollen, ist eine Kontaktaufnahme unmöglich. Das wundert uns zwar nicht, „aber es macht uns noch wütender, als wir eh schon sind“, so Fabian.

In Bützow sieht die Lage hinter Gittern ähnlich aus. Hier wehren sich die Gefangenen gegen:

  • den viel zu geringen Lohn (ca. 1,24 Euro die Stunde),

  • die schlechte medizinische Versorgung,

  • den massiven Einschluss von oft bis zu 23 Stunden, also der faktischen Isolationshaft.

Sie fordern die Gewährung von Lockerungen, Freilassung der Gefangenen nach 2/3 der abgesessenen Strafhaft, Suchtberatung und Therapien, Freizeitangebote (es gibt gar keine mehr) und Entlassungsvorbereitung, das heißt für jeden Gefangenen, welcher entlassen wird, die sofortige Bereitstellung einer Mietwohnung und die sofortige finanzielle Übernahme des Jobcenters.

Andreas Bach, welchen wir gestern ebenfalls in der JVA Bützow besucht haben, hierzu: „Leider ist es hier völlig normal, dass Gefangene entlassen werden und sofort in die Obdachlosigkeit und finanzielle Not geraten, denn es gibt ja keine Entlassungsvorbereitung. Wohnungen werden nicht gesucht, das Jobcenter nicht kontaktiert. Zusätzlich pfändet die JVA die Konten aller Gefangenen, welche Gerichtsschulden haben, was hier etwa 70 % sind. Heißt du kommst hier raus mit etwa 20 Euro in der Tasche, wenn überhaupt, hast keine Wohnung und bekommst kein ALG II. Wenn du richtig Pech hast, bist du auch noch körperlich geschädigt, seit einem Monat haben wir hier drin nämlich gar keinen Arzt mehr. Wenn du körperliche Beschwerden hast, musst du einen Antrag auf einen Arztbesuch stellen – dass der Antrag und die Genehmigung ewig dauern, wenn sie überhaupt mal kommt, versteht sich von selbst.“

Andreas Bach engagiert sich innerhalb der GG/BO, setzt sich für die Gefangenen der JVA Bützow ein, hilft ihnen bei bürokratischen Problemen und ist der Anstalt dementsprechend ein Dorn im Auge. Nachdem er die Zustände zusammen mit dem NDR skandalisiert hatte und dementsprechend eine breite Öffentlichkeit über die Situation hinter Gittern informierte, wurde seine Zelle von der Anstalt durchsucht. Davon lässt sich Andreas aber nicht einschüchtern. „Wir werden hier drin weiter kämpfen – der Laden hier geht gar nicht, es muss ganz dringend etwas passieren.“

Wir werden uns jederzeit solidarisch mit den Gefangenen der JVA Neumünster und Bützow zeigen, ihre Kämpfe unterstützen und Verantwortliche für die Zustände benennen – solange, bis alle Knäste abgeschafft worden sind.

 

Zellenrazzia JVA Tegel – kein Einzelfall

Zellendurchsuchungen sind im Knast, vor allem in der JVA Tegel, Alltag der Gefangenen: um sie einzuschüchtern, zu schikanieren, drangsalieren oder um den Gefangenen das Leben hinter Gittern noch unerträglicher zu machen, als es eh schon ist. Dass diese Razzien völlig willkürlich und absurd sind, zeigt folgender kurzer Bericht, welchen wir auf Wunsch eines Gefangenen der JVA Tegel veröffentlichen:

Der Betroffene wurde beschuldigt, Drogen in seiner Zelle zu besitzen. Die JVA zeigte ihn an, woraufhin seine Zelle durchsucht worden ist. Gefunden wurde tatsächlich etwas – trotz dessen wurde der Gefangene nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft für unschuldig befunden. Grund? Der angebliche Drogenfund war lediglich Tortenguss.

Der Gefangene ist sich sicher, dass es sich um Schikane seitens der JVA handelt, denn obwohl keine Drogen gefunden worden sind, wurde gegen den Betroffenen ein offenes Verfahren eingeleitet und ihm deswegen schlussendlich keine Haftlockerung gewährt.

Ich kann mir vorstellen, dass das Motiv der JVA-Tegel darin besteht, dass ich mit dieser falschen Beschuldigung und Verleumdung ein offenes Verfahren haben soll und mir deswegen keine Haftlockerung gegeben wird und ich so die Endstrafe machen muss.“

Gefangene so lang wie möglich hinter Gittern halten als Motiv der Zellendurchsuchung? Leider kein Einzellfall. Gefangene sehen sich täglich damit konfrontiert, durchsucht werden zu können. Eine „Begründung“ wird sich die JVA dafür schon einfallen lassen.

Knast isoliert Menschen aus der Gesellschaft, soll zu einem angepassten Leben zwingen und nimmt jegliches Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Knast ist massive Repression, der JVA und damit dem Staat aber offensichtlich noch nicht genug: um Menschen noch mehr zu drangsalieren, zu unterdrücken und mundtot zu machen, lassen sich Bedienstete immer wieder Mittel einfallen, welche das Leben hinter Gittern noch einschneidender gestalten, als es eh schon ist. Zellendurchsuchungen sind eines von vielen repressiven Mitteln, welche im Knast angewandt werden.

Um den Betroffenen zu zeigen  das sie nicht allein sind, ist es wichtig, sich jederzeit solidarisch zu zeigen. Schreibt deswegen den Gefangenen der JVA Tegel. Schickt uns Solibriefe, wir werden sie weiterleiten.

Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation I c/o Haus der Demokratie und Menschenrechte I Greifswalderstraße 4 I 10405 Berlin

Oder schreibt an berlin@ggbo.de

Wie es zur Revolte in der SothA kam – Berichte von Gefangenen der JVA Tegel

Gefangene aus der JVA Tegel haben uns vor ein paar Tagen zugetragen, wie und warum es zu der Revolte in der SothA  (Sozialtherapeutische Anstalt) am 12.10.18 kam. Zwar ist die JVA Tegel schon seit Langem dafür bekannt, baulich und technisch einem Abrisshaus zu gleichen, den Gefangenen Grundgesetze und Menschenrechte zu verwehren, sie zu verwahren, isolieren und drangsalieren und jeden kleinen Widerstand mit massiver Repression zu beantworten, allerdings haben sich die Ereignisse in der letzten Zeit noch mehr! zugespitzt, sodass „die Gefangenen die Nase einfach voll haben“*.

In der SoThA (für Therapien ausgelegt!) stellen sich, so die Gefangenen, folgende Probleme dar:

Es gibt keine Therapeuten, lediglich Student*innen, welche „die Gefangenen als Studienobjekte betrachten und sie dementsprechend behandeln“. „Wir sind hier die Versuchskaninchen für irgendwelche Hausarbeiten oder Bachelorarbeiten der Studis.

Unter anderem in diesen Zusammenhang beklagen sich die Gefangenen über eine schlechte medizinische Versorgung. „Ich war gesund als ich hier angekommen bin und jetzt bin ich der Totalschaden.“ Konkret gemeint ist vor allem die falsche oder überdosierte Medikamentation. „Entweder bekommst du hier für jedes Problem Ibuprofen, unabhängig davon, was du hast, oder du bekommst krasse Psychopharmaka reingedrückt, die die Leute völlig bekloppt machen. Zusätzlich bekommen die Gefangenen hier völlig falsches Essen – es gibt zum Beispiel seit geraumer Zeit kein Diabetikeressen mehr. Das Resultat ist ja klar: körperlich wirklich schlimme Zustände.

Außerdem beklagen sich die Gefangenen darüber, dass die Ausbildungsplätze teilweise nur dafür geschaffen werden, damit die Auszubildenden der JVA Tegel einen Nutzen bringen. Die in der JVA angebotenen Ausbildungsplätze haben draußen also keine Zukunft. So stehen die Gefangenen bei der „Holz-Mechaniker-Ausbildung“ zum Beispiel „8 Stunden am Tag am Fließband und schieben Holz durch irgendwelche Maschinen – mehr nicht. Und mehr werden sie auch nicht mehr ‚lernen‘.“

Dass es in der JVA Tegel enorm an Personal mangelnd, weil sich einige dauerkrank melden, einige Stellen auch gar nicht mehr besetzt sind und „das Personal, welches vor Ort ist signalisiert, dass sie gar keinen Bock auf die Menschen dort und ihren Job haben“ ist zwar schon ewig bekannt, neu ist allerdings, dass aktuell Praktikant*innen eingesetzt werden, um die Lücken des Personalmangels zu füllen. Und vor allem dieser Umstand, in Verbindung mit den oben genannten Gründen, lässt die SothA Revolte wie folgt erklären:

Selbstverständlich werden hier unsere Zellen oft durchsucht und dafür gibt es fest geschriebene Vorgehensweisen. Diese werden den Praktikanten aber offensichtlich nicht mitgeteilt. Deswegen werden die Durchsuchungen entweder oberflächlich durchgeführt (vermutlich weil die Praktikanten, jedenfalls haben wir das Gefühl, Angst vor uns haben) oder die Praktikanten übertreiben es völlig, weil sie Angst vor Anschiss seitens der Leitung der JVA haben. So war es auch am besagten Tag in der SothA. Mehrere Praktikanten durchsuchten die Zellen völlig überzogen und fanden dabei mehrere Handys, welche dann entnommen worden sind. Das hat die Gefangenen natürlich richtig wütend gemacht. Vielleicht für die, die das draußen nicht verstehen: der Telefonanbieter hier drin (Telio) ist viel zu teuer, den kann sich keiner leisten. Vor allem wenn du dann Familie im Ausland hast, was hier bei einigen der Fall ist, schießen die Telefonpreise in die Höhe. Deswegen ist es für viele Gefangene super wichtig, ein Handy zu haben – um Kontakt nach draußen, zu ihren Freunden und Familien halten zu können. Naja, und kurz um: dass dieser Kontakt jetzt unterbunden wurde, weil irgendwelche Praktikanten Schiss vor der Leitung haben und deswegen die Zellen haargenau durchsuchen, dass hat das Fass zum überlaufen gebracht. Hier drin läuft alles scheiße. Wenn du dann nicht mal mit deinen Liebsten draußen reden kannst, hast du doch eigentlich nichts mehr. Wir haben die Zustände hier alle satt – der Kontaktabbruch nach draußen hat es dann eskalieren lassen.

Gefangene wehrten sich also, in Form einer Revolte, weil die Zustände schon lange nicht mehr hinnehmbar sind. Die Chance, dass Praktikant*innen vor Ort sind, „die offensichtlich keine Ahnung haben, wie der Laden läuft“, wurde von den Gefangenen genutzt. Wir als Soligruppe der GG/BO befürworten einen solchen Aufstand bzw. diese Methode des Kampfes und sind jederzeit bereit, die Gefangenen bei weiteren Aktionen zu unterstützen. Allerdings wurde uns auch zugetragen, dass das Personal einer solchen Revolte auch nicht ablehnend gegenüber steht. Sogar körperliche Angriffe würden vom Personal begrüßt werden.

Das oberste Ziel eines Beatmen ist es, sich von einem Gefangenen verprügeln zu lassen, denn dann können sie immer auf Trauma und Arbeitsunfähigkeit plädieren.

Offensichtlich können die Kämpfe der Gefangenen für die Freiheit und das würdevolle Leben und die Kämpfe der Bediensteten für Erwerbslosigkeit also zusammengeführt werden. Wir würden es ebenfalls gut finden, wenn Bedienstete nicht mehr im Knast arbeiten, in diesem Sinne:

lasst die Lohnarbeit sausen, bleibt zu Hause oder macht Urlaub, öffnet die Tore und lasst die Gefangenen frei!

*Die Zitate sind Wortlaute von Gefangenen aus der JVA Tegel/SothA, welche anonym bleiben wollen, weil sie sonst Repressalien fürchten.

In der JVA Neumünster (wiederholend): Persönlichkeitsrechte vs. Menschenrechte

Die uns zukommenden Berichte von Gefangenen über anhaltende massive Repression, Schikanen und Drangsalierungen seitens der Bediensteten nehmen kein Ende. Im Mai 2018 mussten wir von einem Gefangenen berichten, welcher von anderen Gefangenen körperlich angegriffen worden war, weil ein Beamter die Gefangenen untereinander aufhetzt(e).

Nun erreichte uns eine solche Nachricht wieder:

Vor einiger Zeit […] wurde ich in der Dusche von einem Gefangenen stark zusammen geschlagen. Es war eine Rache dafür, weil ein Beamter Namens „Weiss“ bei den Gefangenen behauptet hat, ich würde andere Gefangene ‚Anscheissen‘. Was ich im Übrigen niemals getan habe! Ich habe diesem Beamten […] in der Vergangenheit mitgeteilt, dass mir sein negatives Interaktion-Verhalten gegenüber Gefangenen und mir nicht passt, dass es ein Grundgesetz gibt, in dem steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Der Typ teilte mir mit, dass das Grundgesetz nicht für Gefangene zähle! Seit dem werde ich zunehmend schikaniert.“

Wie wir schon im Mai 2018 feststellen mussten, spielen Bedienstete in der JVA Neumünster offensichtlich Gefangene gegeneinander auf, wenn Einzelne versuchen, sich für ihre Rechte einzusetzen oder sich gegen Bedienstete zu wehren. In diesem Fall ging es sogar nur um eine Kritik an einen Beamten, welche mit Schikanen und massiver Repression in Form von Hetze durch selbigen, mit der Konsequenz des körperlichen Angriffs, beantwortet wird.

Anstatt sich also mit dem kritikübenden Gefangenen auseinanderzusetzen, hetzt der Beamte Hr. Weiss die anderen Gefangenen gegen ihn auf und spricht zudem jeder gefangenen Person die Unantastbarkeit der Würde, also den Wert des Menschen, ab. Gefangene werden demnach von Hr. Weiss eindeutig schamlos ausgenutzt, sie werden von ihm als „wertlos“ bezeichnet und ihre Rechte aberkannt, nur weil er nicht mit Kritik umgehen kann.

Der betroffene Gefangene wollte diese Zustände nicht länger hinnehmen und wendete sich an die Anstaltsleiterin.

Ich teilte der Anstaltsleiterin Y. Radetzki die Situation mit, was sie aber nicht interessiert. Sie teilte schriftlich mit, dass die Beamten sich korrekt verhalten würden. Dienstaufsichtsbeschwerden werden mit dem Satz standartmässig abgetan. Man wird hier weder ernst genommen, noch menschlich behandelt! […] Den Leuten geht es hier echt schlecht!“

Weiterhin schreibt der Gefangene über die Schikanen seitens der Bediensteten:

Meine Schreibmaschine versuche ich derzeit im Übrigen wieder zubekommen, da man mir diese wegen meiner sozialen Tätigkeit für andere Gefangene weg genommen hat.“

Soziales Engagement wird sanktioniert, Dienstaufsichtsbeschwerden werden entweder nicht aufgenommen oder einfach „abgetan“, Kritik an Bedienstete führt zu massiver Repression und die Anstaltsleiterin spricht trotzdem von einem korrekten Verhalten der Bediensteten.

All das wundert uns leider nicht. Schon damals mussten wir von einem ähnlichen Verhalten seitens der Anstalt berichten. In der JVA Neumünster ist es an der Tagesordnung, dass Gefangene, welche sich für Mitgefangene einsetzten, mit Repression rechnen müssen. Diese reicht vom Entzug der persönlichen Sachen bis hin zur Isolationshaft.

Während Gefangene also schikaniert, gegeneinander aufgespielt und repressiv behandelt werden, dürfen die Bediensteten machen, was sie wollen?

Am 04.10.18 erhielten wir von der Anstaltsleiterin Radetzki einen Brief, in dem sie uns aufforderte, unsere Pressemitteilung vom 19.09.18 zu ändern. In dieser Pressemitteilung nannten wir Frau Ziegenhagen als verantwortliche Abteilungsleiterin. Unter anderem durch sie musste Erwin Fichtl unter Einschluss leiden, obwohl der zuständige Arzt in die Gefangenen-Akte geschrieben hatte, dass Erwin aufgrund seiner Krankheit auf keinen Fall eingeschlossen werden darf.

Die JVA forderte uns nunmehr bis zum 14.10.18 auf, „den Namen von Frau Ziegenhagen unkenntlich zu machen und es auch für die Zukunft zu unterlassen, Namen von Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterinnen der Anstalt zu veröffentlichen. Diese Aufforderung erfolgt an dieser Stelle letztmalig. Bereits Anfang des Jahres hatten Sie den Namen des Abteilungsleiters Herrn Ninow veröffentlicht. Sollten sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, werde ich rechtliche Schritte einleiten. Ihrem Vorgehen liegt ein Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zugrunde.“

Finden wir super spannend. Wenn wir die Namen von verantwortlichen Bediensteten nennen, welche Gefangenen ihre Grundrechte absprechen und ihre Rolle nutzen, um sie zu schikanieren, drangsalieren und regelrecht fertig zu machen, greifen wir laut Radetzki ihre Persönlichkeitsrechte (das der Bediensteten, nicht das der Gefangenen!) und damit das Grundgesetz an? Wenn sich wiederum Gefangene auf das (auch für die geltende!) Grundgesetz berufen aber dessen Inhalte für sie durch Bedienstete abgesprochen wird, ist das völlig in Ordnung und hat keine Konsequenzen für die Bediensteten? Klingt absurd.

Offenbar haben für die Anstaltsleiterin nur Menschen in Uniformen irgendwelche (Grund)Rechte – Gefangene haben offensichtlich keine, im Gegenteil: selbst wenn sie dafür kämpfen, werden sie nicht ernst genommen oder dafür sogar von der Anstalt fertig gemacht.

Wir werden keine Namen von Bediensteten unkenntlich machen – solange die Anstalt mit den Gefangenen macht was sie will, werden wir Verantwortliche benennen. Wenn die Bediensteten unbedingt auf ihr Persönlichkeitsrecht beharren wollen, sollen sie die Gefangenen sofort aufhören zu drangsalieren, gegeneinander aufzuspielen und repressiv zu behandeln.

Dass das im Knast als totaler Repressionsapparrat mit einer derartigen krassen Hierarchisierung von Bediensteten und Gefangenen unmöglich ist, wissen wir. Deswegen bleiben wir dabei: schafft die Knäste ab, lasst die Gefangenen frei!

Außerdem, an alle Leser*innen:

Werdet kreativ – zuständigen Ministerien, Knästen und Bediensteten kann begegnet werden.

Revolte in der JVA Tegel

Ein Gefangener aus der JVA Tegel schrieb uns am 12.10.18:

Heute kurz vor 12 Uhr gab es einen ernsten Zwischenfall in der SothA (Sozialtherapeutische Anstalt der JVA Tegel) : Auf der Station 2 wurden mehrere Glasscheiben durch Insassen zerstört, an Türen und Fenstern. Außerdem wurde ein Müllbehälter in Brand gesetzt.  In das Stationsbüro der Station 2 wurde mittels Glasbruch eingedrungen, einer Bediensteten die Jacke entfernt und diese dann zerstört. Dies sind Reaktionen auf die eh schon schlechten Vollzugsbedingungen, nicht so sehr wegen der Unterbringung sondern wegen Ausübung des Psychoterrors hinsichtlich vollzuglicher Weiterentwicklung, die eben gar nicht oder stark schleppend stattfindet. Es wurde eine Kollektivstrafe für die gesamte Station 2 ausgesprochen: Stationsschluss fürs ganze Wochenende. Bedienstete aus anderen Teilanstalten wurden angefordert…

Einen solchen Aufstand gab es selten – spätestens jetzt ist Solidarität und Unterstützung nötig!

Schreibt an berlin@ggbo.de oder postalisch an:

GG/BO I c/o Haus der Demokratie und Menschenrechte I Greifwalderstraße 4 I 10405 Berlin

Wir werden den Gefangenen eure Briefe übermitteln.

 

 

 
 

Gefangene aus der JVA Bützow: „Wir haben die Schnauze voll!“

Wegsperren und isolieren lassen und darüber auch noch schweigen? Nicht mit den Gefangenen aus der JVA Bützow! Vor Kurzem haben die Gefangenen einen offenen Brief an das Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern geschrieben, um die miserablen Zustände in der JVA öffentlich zu machen. Nachfolgend die Ablichtung eines Briefes von Andreas Bach für die Presse – welche auch schon reagiert hat:

Checkt außerdem die Seite der Gefangenen aus der JVA Bützow.

 

 

Wir werden die Gefangenen bei ihrem Kampf gegen die miserablen Umstände unterstützen, als Sprachrohr agieren und euch auf den Laufenden halten.

Zeigt den Gefangenen ebenfalls, dass sie nicht alleine sind und schreibt an

Andreas Bach I Kühlungsborner Str. 29a I 18246 Bützow

 

 

Psychiatrisierung und Diskriminierung der Gefangenen in der JVA Neumünster

In der JVA Neumünster zeigt sich in letzter Zeit vermehrt, dass Gefangene mit massiven belastenden psychiatrischen Diagnosen konfrontiert werden, das Ziel der JVA dabei eindeutig: Gefangene nicht entlassen, längere Haftzeiten, Repressalien und Isolation.

Während zum Beispiel Olaf Lauenroth „Querulanten- und Verfolgungswahn“ vorgeworfen wird, soll bei Martin Marggraf, so Dipl. Psych. Dr. Gaby Dubbert, angeblich eine „Sucht und Persönlichkeitsstörung“ behandelt werden. Martin Marggraf hatte bis vor Kurzem die Arbeit verweigert, u.a. weil ihm zustehenden Lockerungen von der JVA verwehrt wurden. In seiner Haftzeit gab es, so er selbst, nie Probleme, er nahm an allen Angeboten, welche die JVA ihm machte, teil. Für die JVA quasi ein „Vorzeigegefangener“. Geholfen hat ihm das allerdings nicht. In seinem Vollzugs- und Eingliederungsplan vom 21.12.17 wird von einer Entlassung nach 2/3 der abgesessenen Strafhaft ausgegangen. Dementsprechend hätte Martin am 09.09.18 entlassen werden müssen. Aufgrund des Vorwurfs der Sucht und Persönlichkeitsstörung befindet er sich allerdings immer noch in Haft – Entlassung auf 2/3 Strafhaft wurde abgelehnt. Obwohl er also alle Angebote der JVA wahrnahm und auch aus seinem Gutachten vom August 2018 hervorgeht, dass er noch nie ein Suchtproblem hatte, soll er jetzt an seiner angeblichen Sucht arbeiten? Martin schrieb uns dazu am 20.09.18:

Sie [die Gutachterin] ist der festen Überzeugung, ich würde wieder Suchtdruck entwickeln (den ich noch nie im Leben hatte) und das meine Gefährlichkeit dann fortbesteht. Wenn, dann würde für sie eh nur eine vorzeitige Entlassung in eine stationäre Therapie in Frage kommen. (…) Ich hab es wirklich satt. Es kommt eh nichts besseres als stationäre Therapie dabei raus, die dann zu dem Zeitpunkt sogar über mein Haftende hinaus geht. Werde den Antrag auf 2/3 morgen zurück ziehen. Es reicht.Wir müssen das unbedingt öffentlich machen. Solche Machenschaften müssen mit allen Mitteln bekämpft werden.“

Wie außerdem ein Rückschluss auf eine angebliche Persönlichkeitsstörung konstruiert wurde, ist absolut diskriminierend. So geht aus dem Gutachten hervor, dass Martin wohl „kognitiv beeinträchtigt“ sei, weil er vor seinem Haftantritt keiner Lohnarbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt bzw. einer Ausbildung nachgegangen ist.

Dazu schrieb Martin am 29.09.18:

Gestern erhielt ich allerdings vom Landgericht das Protokoll der Anhörung, was deutlich zeigt, wie die Gutachterin meine vorzeitige Entlassung verhindern will und mir abermals Alkoholsucht und psychische Störungen attestiert. Der Gipfel daran ist der Rückschluss auf kognitive Beeinträchtigungen nur aufgrund einer fehlenden Ausbildung.“

Es ist eindeutig, wie Knast, Psychiatrie und die Diskriminierung von erwerbslosen Menschen Hand in Hand gehen. Menschen, welche nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt lohnarbeiten oder einer Ausbildung nachgegangen sind, gelten als kognitiv beeinträchtigt – sie werden also als „dumm“ abgestempelt. Und zu „dummen Menschen“ passt auch eine Sucht: die wird dann ebenfalls gleich mal in das Gutachten geschrieben, obwohl es niemals, so in Martins Fall, ein Anzeichen dafür gab. „Dumm“, gefangen und konsumabhängig – das passt in das gesellschaftliche Bild von einem erwerbslosen süchtigen Knacki.

Nicht mit uns! Wir werden uns gegen diese Vorurteile wehren und gegen die Diskriminierung und Stigmatisierung von Gefangenen kämpfen. Martin ist weder süchtig noch ist er dumm. Er weiß sehr wohl, dass die JVA versucht, ihn noch mehr an den Rand der Gesellschaft zu drängen, als er durch sein Gefangenen-Dasein eh schon platziert worden ist.

Dagegen gilt es sich zu wehren! Zeigt Martin eure Solidarität, schickt ihm Briefe an

Martin Marggraf I Boostedterstraße 30 I 24534 Neumünster

und nervt die JVA und das Justizministerium, um staatlichen Institutionen zu zeigen, dass sie nicht alles mit uns machen können, was sie wollen!

Justizvollzugsanstalt I Postfach 1809 I 24508 Neumünster

Justizministerium des Landes Schleswig-Holstein I Lorentzendamm 35 I 24103 Kiel